26. Februar 2025 Stephanie Odenwald/Petra Reichert: Aktuelle Herausforderungen zum internationalen Frauentag 2025
Ungelöste Probleme der Gleichstellung
Nach der Wahl am 23. Februar haben sich die politischen Kräfteverhältnisse auch für die Forderungen von Frauen verändert. Die Wahlanalyse wird ergeben, ob der jahrzehntelange Trend anhält, dass mehr Frauen als Männer linksorientierte Parteien wählen, ob diese »Geschlechterkluft«[1] auch bei der jungen Wählerschaft festzustellen ist.
Gemäß den Forderungen der Frauenbewegung wünschen sich viele Frauen ein gewaltfreies gleichberechtigtes Leben, einen schützenden sorgenden Staat, der an Freiheits- und Menschenrechten sowie am Schutz der Natur festhält. Aber natürlich sind Frauen nicht per se immun gegen nationalistische Hetze, siehe die weiblichen Vorsitzenden und die Anhängerinnen von rechtsradikalen Parteien, ob in Deutschland, Italien, Frankreich, USA.[2] Sie plädieren für nationale Stärke, Erhalt traditioneller Lebensweise, für Remigration von zugewanderten Menschen. Dagegen wollen Feministinnen die patriarchalischen gesellschaftlichen Strukturen verändern, kämpfen um öffentliche Aufmerksamkeit für die erhebliche geschlechtsspezifische Gewalt. Erreicht wurde, dass kurz vor Regierungsende am 30. Januar vom Bundestag endlich das Gewalthilfegesetz verbschiedet worden ist.
Gewaltproblem taugt nicht für Populistismus
Im Vordergrund stehen zurzeit Gewalttaten, wie in Magdeburg, in Aschaffenburg und in München, die leider instrumentalisiert werden, um die Migrationspolitik zu verschärfen. Eigentlich müsste jeder und jedem Abgeordneten bewusst sein, dass beileibe nicht allein geflüchtete Menschen Täter von Gewalttaten sind.[3] Eine Mahnung sondergleichen sind die fast täglichen Morde an Frauen. Gewalt gegen Frauen, wurde von der Gesellschaft lange als mehr oder weniger normal hingenommen, so bilanziert Christine Morgenstern, einst Leiterin der bundesministeriellen Abteilung Gleichstellung. »Es ist das große Verdienst der autonomen Frauenbewegung, männliche Gewalt als Ausdruck eines im Kern gesellschaftlichen Machtverhältnisses aufgedeckt und damit aus der Privatsphäre herausgeholt zu haben.«[4] Gewalt bedroht Frauen in vielerlei Hinsicht: Sexistische Übergriffe schon beim Heranwachsen, lebensbedrohliche Gewalttaten in Beziehungen, zunehmende digitale Gewalt gegenüber Mädchen und Frauen, ökonomische Abhängigkeit und/oder zermürbende Doppelbelastung als Konfliktpotenzial. Im Kern ist auch Ausbeutung durch prekäre schlecht bezahlte Jobs und damit drohende Armut – besonders ausgeprägt im Alter – ein Akt wenngleich subtiler Gewalt.
Gefährdet ist die Sicherheit von Frauen und auch von Kindern durch die alltägliche physischer Gewalt, die zu steigenden Femiziden führt. In 2024 wurde fast jeden Tag eine Frau getötet, insgesamt 360 vollendete Tötungsdelikte.[5] Außerdem wurden täglich 140 Frauen Opfer einer gewalttätigen Straftat. Diese Zahlen zeigen, wie häufig Tötungen und körperlichen Verletzungen von Frauen meist im persönlichen Nahfeld, also im Rahmen von Ehen und Beziehungen, ausgeübt werden. Die meist männlichen Täter kommen aus allen Schichten, mehrheitlich mit deutscher Staatsangehörigkeit, was ungeeignet für eine einfache Sündenbock-Rhetorik ist.
Steigende Gewalt gegen Frauen
Erstmals wurde im November 2024 der Öffentlichkeit ein Bundeslagebild »Geschlechtsspezifische gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023«[6] durch den Vizepräsidenten des BKA, Michael Kretschmer, der Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Bundesministerin für Frauen, Senioren und Jugend, Lisa Paus, vorgestellt.
Stephanie Odenwald und Petra Reichert arbeiten in der Sozialistischen Studiengruppe.
[1] Siehe Göran Therborn, Die Linke im 21. Jahrhundert. Hamburg 2023, S. 20ff. Er führt aus, dass in den 1990er-Jahren die Geschlechterkluft bei Wahlen im globalen Norden bezüglich Frauen nach links geht.
[2] Siehe Annett Meiritz/Juliane Schäuble, GUNS N’ROSES. Konservative Frauen erobern die USA., Berlin September 2022. Auch die Internet-Auftritte von Alice Weidel, Vorsitzende der AFD, sind voller Ressentiments gegen Feminismus.
[3] Unvergessen bleibt der Amoklauf eines Schülers, Sohn einer deutschen Familie 2002 in Erfurt, der in seiner Schule vierzehn Menschen tötete und dann sich selbst. Unvergessen bleibt die NSU Mordserie im Zeitraum 2000 bis 2006 durch rechtsextreme deutsche Nazis, deren Opfer acht Geschäftsinhaber mit Migrationshintergrund und eine Polizistin waren. Unvergessen bleibt, dass 2020 ein 43 jähriger Rassist in Hanau erst neun Frauen und Männer und dann sich selbst und seine Mutter erschoss.
[4] Christine Morgenstern, Gleichstellung. Impulse aus der Frauenbewegung und Erfahrungen aus einem Vierteljahrhundert Frauenpolitik, Hamburg 2022, S. 148ff.
[5] Diese Zahlen wurde von der Innenministerin Nancy Faeser während der Pressekonferenz am 19.11. 24 zum Bundeslagebild in Berlin bekannt gegeben, siehe auch Bundeskriminalamt (BKA) online.
[6] BKA, Meldung vom 19.11.2024 zum Bundeslagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023«.