23. April 2020 Jakob Habermann: Soziale Implikationen der Corona-Krise

Ungleichheit im Schatten der Pandemie

Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, Corona tangiere alle Bevölkerungsteile gleichermaßen. Vordergründig ist dies ja auch der Fall.

Personengruppen, die gemeinhin ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, haben dies wegen einer Grunderkrankung, wegen ihres Alters oder eines weniger gut reagierenden Immunsystems – und nicht wegen der Zugehörigkeit zu einer spezifischen sozialen Schicht oder Berufsgruppe.

Gleiches gilt für die verfügten Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Die staatlichen Eingriffe in die persönlichen Freiheitsrechte treffen jeden Einzelnen – unabhängig von sozialem Status.

Bei näherer Betrachtung ergibt sich allerdings ein anderes Bild: Schicht- und berufsspezifische Benachteiligungen und unterschiedliche soziale Lagen spielen im Zuge der Corona-Krise durchaus eine Rolle. In der medialen Berichterstattung über die Pandemie dominiert indes neben virologischen und medizinischen Fragen insbesondere die nach den wirtschaftlichen Folgen der Krise.[1] Zudem wird der beobachtbaren erhöhten Nachfrage nach Desinfektionsmitteln und haltbaren Lebensmitteln breiter Raum eingeräumt.[2] Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie bleiben hingegen bislang zumeist außen vor.[3]

»Bleibt Zuhause!« – der Appell von Prominenten, Politikern und Virologen ist klar und eindeutig. Es liegt in der Natur der Sache, dass diesem Aufruf nur Folge leisten kann, wer auch über ein solches Zuhause verfügt. Menschen ohne gültige Papiere, Obdachlose, aber auch viele Prostituierte trifft Covid-19 daher besonders hart.[4]

Jakob Habermann ist Bezirkssekretär im IG Metall Bezirk Mitte.

[1] Siehe beispielsweise: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (3/2020): Gesamtwirtschaftliche Lage angesichts der Corona-Pandemie. Sondergutachten.
[2] Ein Indiz hierfür: Der Suchbegriff »Hamsterkäufe« liefert bei Google annähernd zwei Millionen Ergebnisse [Stand: 3.4.2020].
[3] Ursächlich hierfür ist dabei auch der Umstand, dass Corona bislang vor allem ein Forschungsgegenstand der Lebenswissenschaften war.
[4] Zumindest verwiesen sei außerdem auf die angesichts zahlreicher Grenzschließungen vollends desaströse und perspektivlose Lage der Geflüchteten im türkisch-griechischen Grenzgebiet. Ihr Schicksal spielt in der medialen Berichterstattung keine Rolle mehr und das Asylrecht ist praktisch außer Kraft gesetzt.

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