1. Februar 2007 Redaktion Sozialismus

USA: Anfang vom Ende des Neoliberalismus?

Auch im Zeitalter der neoliberalen Globalisierung gilt: Die USA sind der entscheidende Faktor, der der Weltkonjunktur die Entwicklungsrichtung vorgibt. In den Worten der Kritik der politischen Ökonomie heißt dies: Die USA sind der Demiurg des Weltmarktes.

Politisch gibt es seit dem Ende der Systemkonfrontation eine bemerkenswerte Allianz: Die meisten Regierungen der den USA nachgeordneten kapitalistischen Hauptländer haben die Kriegspolitik gegen den Irak unterstützt und bewegen sich im Schlepptau der US-Außenpolitik. Dies gilt in besonderer Weise für New Labour (siehe den nachfolgenden Beitrag von Martin Jacques). Der im Grundsatz beschlossene Wechsel von Blair zu seinem Schatzkanzler Gordon Brown hat viel mit dem Glaubwürdigkeitsverlust zu tun, der aus der sklavischen Loyalität zu den USA resultiert.

Die verbale Distanzierung der früheren rot-grünen Bundesregierung gegenüber der von Bush verfolgten Außenpolitik gerät durch die ersten Untersuchungsbefunde zum Fall Kurnaz mehr und mehr ins Zwielicht. Rot-Grün hat zwar die direkte Beteiligung an der Zerstörung des terroristischen Regimes von Saddam Hussein im Irak abgelehnt, sich aber völkerrechtswidrigen Aktionen gegenüber nicht grundsätzlich verweigert.

In den USA vollziehen sich deutliche Veränderungen in den politischen Kräfteverhältnissen. Die Demokratische Partei hat in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit übernommen. Schon in den ersten Gesetzesinitiativen – Erhöhung des Mindestlohns, neue Verhaltensregeln für Mandatsträger etc. – zeichnet sich eine Umorientierung ab. In den nächsten Monaten werden die parteiinternen Auseinandersetzungen über die Kandidaturen zu den Präsidentschaftswahlen die US-Innenpolitik prägen. Bei den Demokraten hat die Senatorin des Staates New York, Hillary Clinton, gute Chancen, nominiert zu werden. Ihr Positionswechsel von einer Befürwortung des Irak-Krieges hin zu einem Rückzug der USA markiert die sich wohl eher verstärkende Auffassung im Alltagsbewusstsein der Mehrheit der politisch aktiven US-BürgerInnen.

Mit großen Erwartungen sah die Öffentlichkeit der Entscheidung entgegen, wie die Weltmacht künftig im Irak-Krieg vorgehen will. Wer sich – auch auf Seiten der Verbündeten – Änderungen versprach, wurde enttäuscht. Präsident Bush hat weder die Vorschläge der überparteilichen, gleichwohl mehrheitlich konservativ eingestellten Baker-Kommission berücksichtigt, noch Rücksicht genommen auf die veränderten Kräfteverhältnisse in Senat und Repräsentantenhaus. Niemand konnte davon ausgehen, dass Bush radikale Konsequenzen aus dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak ziehen würde. Die Militärintervention ist mit offenkundigen Fälschungen zur Täuschung der internationalen Öffentlichkeit legitimiert worden. Es gab keine Kriegsvorbereitung durch das diktatorische Regime von Saddam Hussein. Die geschürte Furcht vor biochemischen Waffen basierte auf dreisten Lügen der politischen Führungen um Bush und Blair. Fest steht ebenfalls: Es gab keine Verbindung des terroristischen Regimes im Irak mit dem Netzwerk von Al Kaida um Bin Laden. Die weiteren Folgen des Krieges waren gravierende Rechtsverletzungen auf den Schlachtfeldern wie in den weltweit verstreuten Militärgefängnissen. Die Beschädigung der Grundwerte der bürgerlichen Gesellschaften hat bereits heute das Ausmaß der kriminellen, völkerrechtswidrigen Handlungen im Vietnamkrieg übertroffen. In die Politik der Täuschung der internationalen Öffentlichkeit waren andere Regierungen aktiv oder passiv eingebunden.

Mit zwei Maßnahmen will die Bush-Administration das definitive Scheitern der Militäroperation abwenden. Zum einen soll zeitweilig die Zahl der im Irak stationierten US-Truppen von gut 130.000 um weitere 21.500 erhöht werden. Zum anderen will der Präsident im US-Kongress 1,2 Mrd. Dollar beantragen, um mit einem Aufbau- und Arbeitsbeschaffungsprogramm für den Irak den Übergang in eine zivilgesellschaftliche Entwicklung zu ermöglichen. Beide Ausfallschritte haben einen inneren Zusammenhang.

Die Erwartung – auch auf Seiten der Linken –, im Irak könne mit einer zügigen Rekonstruktion der Erdöl-Industrie eine Modernisierung des Landes angeschoben werden, stellte sich bislang als trügerisch heraus. Zwar konnte mit erheblichen Investitionen eine Reparatur der kriegsbedingten Zerstörungen in der Erdölproduktion erreicht werden, aber trotz stark gestiegener Erdölpreise reicht die Förderung nicht aus, eine Belebung der irakischen Wirtschaft in Gang zu setzen. Die Bush-Administration musste zur Kenntnis nehmen: Die marode Ökonomie verlängert den Bürgerkrieg im Irak. Die fortgesetzte Gewalt behindert den Übergang zu einer zivilgesellschaftlichen Entwicklung. Nun soll der gordische Knoten mit einer Kombination von mehr Militär und Ausweitung der Wirtschaftshilfe entwirrt werden.

Der verbreitete Einwand gegen diese Strategie lautet: zu spät und zu wenig. Hier existiert logischerweise zunächst ein weites Feld der Spekulation für Militärexperten und solche, die sich dafür halten. Ob man mit Truppenverstärkung den Widerstand im Irak niederhalten bzw. brechen kann, ist schwer abzuschätzen. Fest steht: Die Administration Bush stellt sich mit ihrer politischen Entscheidung gegen den wachsenden Protest in den USA und mittlerweile auch den Rat der meisten Alliierten, die eine Beendigung des Kriegsabenteuers befürworten. Warum? "Eine Niederlage im Irak wäre für die USA ein Desaster. Die Konsequenzen einer Niederlage sind offensichtlich: Radikale islamistische Extremisten würden an Stärke zulegen und neue Anhänger gewinnen. Iran würde in seinem Streben nach Nuklearwaffen ermutigt." Der Präsident und seine Administration können sich nicht vorstellen, dass eine leidlich gedeihliche zivilgesellschaftliche Entwicklung, die auf ökonomischer Rekonstruktion aufbaut, die entscheidende Bedingung dafür ist, militärische Konflikte schrittweise auszutrocknen. Der Kampf gegen terroristische Formen der politischen Auseinandersetzung lässt sich mit repressiven Mitteln letztlich nicht entscheiden. Mag sein, dass mit der Aufstockung der Kampftruppen die Unterdrückung von Aggressivität im Irak effektiver wird. Allein mit der Ausweitung der Aufbauhilfe aber ist der Irak nicht auf eine zivile Entwicklung zurückzuführen. Wer das Auseinanderbrechen des irakischen Staatsverbandes verhindern will, müsste sich in einer anderen Größenordnung um die Rekonstruktion der Zivilgesellschaft bemühen. Die harschen Aufforderungen an die Regierung Maliki sind eher Ausdruck der Hilflosigkeit der USA, denn ein Schritt, um aus der politischen Sackgasse herauszukommen.

Wenn nun in den USA das politische Pendel nach links schwingt, muss das Auswirkungen auf die internationale Hegemonie des Neoliberalismus haben – wenngleich auch keine automatische Veränderung der Machtverhältnisse zugunsten der subalternen Klassen. Der Widerstand gegen die aggressive und bürgerliche Rechtsnormen verletzende Politik wird wachsen. Ob Bush das rettende Ufer im Irak, in Afghanistan und im Nahen Osten erreicht, ist fraglich. Schon jetzt werden die Kosten de Irak-Kriegs auf weit über 300 Mrd. Dollar taxiert. Nimmt man die Belastungen für die Versorgung der US-Kriegsopfer hinzu, verdoppelt sich die Summe. Auch in den USA selbst werden die enormen Opfer und die ökonomischen Belastungen dafür sorgen, dass die Auseinandersetzungen über die Beendigung dieses Angriffskrieges auf der politischen Tagesordnung bleiben.

Wird sich die Umwälzung der politischen Landschaft in den USA auch auf die ökonomischen Machtverhältnisse, d.h. auf die Dominanz der Finanzmärkte und ihrer Akteure auswirken? Die Initiative zur Anhebung des Mindestlohns auf 7,25 Dollar ist in ihrer politischen Auswirkung nicht gering zu schätzen. Erstmals seit zehn Jahren zeigt sich eine erfolgreiche Bewegung zur politischen Veränderung der Verteilungsverhältnisse in Richtung der Lohnarbeit. Zu bedenken ist ferner, dass die politische Korruption, der Verfall der bürgerlichen Werte und Moral sowie der wachsende Gegensatz von Armut und Reichtum bei den Kongresswahlen neben dem Irak-Krieg entscheidend für das Stimmverhalten waren. In vielen Bundesstaaten ist der Mindestlohn zudem schon angehoben worden. Die politische Linke sollte dieses Drängen auf Veränderung der Verteilungsverhältnisse nicht unterschätzen. Zugleich bleibt der Vorbehalt zutreffend, dass weiterer sozialer Druck erforderlich ist, soll das politische Pendel in den USA und in den anderen kapitalistischen Hauptländern auch bei den wirtschaftlichen Kräfteverhältnissen gegen das Kapital ausschlagen. Nicht zuletzt die weitere ökonomische Entwicklung wird uns Hinweise für unsere politische Strategie liefern.

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