1. September 2005 Redaktion Sozialismus

Vom Wahlbündnis zu einer neuen Linkspartei

Die Meinungsforschungsinstitute sehen für die SPD und Bundeskanzler Gerhard Schröder keine Chance mehr, nach dem 18. September die rot-grüne Regierungskoalition fortsetzen zu können. Die Sozialdemokratie hat die massiven Verluste in ihrem Wählerfeld auch nicht annähernd wettmachen können. Zuletzt erreichte sie in der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit 37,1% ihr schlechtestes Ergebnis seit 1954.

Vor allem bei Arbeitern, Angestellten und Arbeitslosen musste sie massive Verluste hinnehmen. Die Arbeitsgruppe Wahlen kommt zu der zusammenfassenden Einschätzung: "Die zum Teil dramatischen Stimmverluste der Sozialdemokraten resultieren vor allem aus einem veränderten Politikangebot von Bundesregierung und Parteispitze und weniger aus gewandelten Interessen der sozialdemokratischen Wählerschaft. Über Jahre hinweg haben es der Bundeskanzler und die Parteispitze versäumt, den als notwendig angesehen Reformprozess mit dem für Sozialdemokraten identitätsstiftenden Thema der sozialen Gerechtigkeit zu verknüpfen und gerade auch für sozial Schwächere verträglich zu gestalten. Bei vielen traditionellen SPD-Sympathisanten steht Agenda 2010 inzwischen vor allem für Entsolidarisierung, für zunehmende Privatisierung von Lebensrisiken und eine sich ausbreitende soziale Kälte. Der Verlust der Landtagswahl ... geht in erster Linie auf die gezielte Distanzierung der Sozialdemokraten von ihrem traditionellen Politikfeld zurück." (Oberndörfer 2005)

Der Widerspruch, der das deutsche Parteiensystem und die politischen Kräfteverhältnisse seit geraumer Zeit erschüttert: Große Teile der Wählerschaft der Sozialdemokratie halten an der Programmatik einer sozialstaatlichen Regulierung des Kapitalismus fest, während die Mehrheit der Funktionäre und RepräsentantInnen des Partei- und Regierungslagers von der Notwendigkeit des (kapital-) marktorientierten Umbaus dieses Systems überzeugt ist. An diesem Widerspruch ist Schröders und Münteferings Strategie der vorgezogenen Bundestagswahl gescheitert. Die Kernbotschaft des Wahlmanifestes der SPD lautet: "Wir haben Stillstand überwunden... Die Agenda 2010 ist das wichtigste Reformprojekt seit langem. Es ist die richtige politische Antwort auf globales Wirtschaften... Die Agenda 2010 wirkt. Wir setzen sie konsequent um und entwickeln sie weiter." Doch das Wählervotum ist eindeutig: Es gibt in der bundesdeutschen Gesellschaft keine sozialdemokratische Mehrheit für diese Politik.

Die Agenda wirkt

Das verbissene Festhalten an der Agenda-Politik war der Startschuss für den Aufstieg des Wahlbündnisses von WASG und Linkspartei, das von den Wahlforschern gegenwärtig mit Werten zwischen 9-12% gehandelt wird. Einen Popularitätsschub brachte das Engagement des früheren SPD-Vorsitzenden Lafontaine, der von sich sagt, er sei "Sozialdemokrat im Sinne der Politik, die die SPD in der Ära Willy Brandts und bis zum Jahre 1998 vertreten hat", und das Programm der Linkspartei "in der Tradition dieser Politik" sieht. Eine doppelte Botschaft geht hiervon aus: Zum einen das Versprechen, den Kampf gegen Arbeitsplatzabbau und für die Wiederherstellung sozialer Gerechtigkeit wieder ins Zentrum der Auseinandersetzungen zu rücken, also die sozialen Nöte hörbar zur Sprache zu bringen, die jahrelang von einer zynisch gewordenen, verselbständigten politischen Elite ausgegrenzt wurden. "Wenn Schröder verspricht, die Renten nicht zu kürzen, dann weiß jeder, dass er das Volk in dieser Frage schon einmal belogen hat" (Lafontaine). Zum Zweiten die Erwartung einer Neuaufstellung der Linken jenseits alter politischer Gräben.

Der Versuch der Regierungsparteien, verschlechterte soziale Verhältnisse schön zu reden, hat gerade in traditionellen sozialdemokratischen Milieus den Ruch der erneuten Vorbereitung eines Wahlbetrugs angenommen:

  Die Behauptung, dass die Arbeitsmarktreformen greifen, ist absurd. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, Langzeitarbeitslose sind auf oder unter die Armutsschwelle gedrückt worden und die Ausbildungsplatzsituation ist katastrophal.

  Nach der Ausweitung der Zuzahlungen (Praxisgebühr, Rezepte, Krankenhaus) und der Privatisierung von Leistungen (Zahnersatz, Krankengeld) war eine Absenkung der Beiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen in Aussicht gestellt. Es wird diese Absenkungen nicht geben. Angesichts der Entwicklung bei Arzneikosten und Honoraren für ärztliche Leistungen stehen im kommenden Jahr weitere Umschichtungen zulasten der Versicherten ins Haus.

  Auch im kommenden Jahr wird es keine Rentenerhöhung geben – die Renten werden real Jahr für Jahr gekürzt. Ende des Jahres wird der Bund mit einem dreistelligen Millionenkredit den Rentenkassen beispringen müssen. Trotz der "Reformen" – Riester-Rente, Nachhaltigkeitsfaktor und Nullrunden – hält die Debatte um eine Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 oder 70 Jahre unvermindert an.

Der grüne Parteistratege Joschka Fischer hat den Sinn der Agenda 2010 in einem Interview auf den Punkt gebracht: "In den Zeiten, in denen wir einen Spitzensteuersatz von 53% und einen Eingangssteuersatz von 25,9% hatten, ist es nun wahrlich nicht gerechter zugegangen. Es war für uns wichtig, die Leistungsträger in den mittleren Schichten zu fördern. Von ihnen zehren der Staat und das Gemeinwesen." Dieses Kalkül hat sich als völlig falsch herausgestellt. Die Förderung beglückte nicht die prekäre Mitte, sondern verstärkte die Bereicherung der oberen sozialen Schichten. Die unteren sozialen Klassen sind durch diese Politik in einen Prozess der Verarmung und sozialen Entsicherung hineingestoßen worden.

In der Konsequenz haben wird einen weiträumigen Umgruppierungsprozess. Solange die Sozialdemokratie an der Orientierung auf einen entfesselten Kapitalismus festhält, befördert dies die Herausbildung einer neuen linken Partei mit einer relevanten Verankerung in der Wahlbevölkerung. Doch politische Kräfteverhältnisse folgen nicht den Gesetzen kommunizierender Röhren. Die Formierung einer neuen Linkspartei muss mehr sein als ein Organisationsansatz für effektivere Proteste. Ihre Perspektive besteht darin, einen Politikwechsel gleichsam zu verkörpern und – emphatisch ausgedrückt – zu einem Laboratorium für gesellschaftliche Alternativen zu werden. Sie muss offen sein für Initiativen zivilgesellschaftlicher Kräfte und kritisch gegenüber parlamentarischen Vereinnahmungs- und Kanalisierungsversuchen. All dies würde sie zu einer neuen Partei machen. WASG und Linkspartei sind dies weder für sich noch kombiniert – sie können aber der Nukleus sein.

SPD-Erneuerung nach der Wahl?

Mit dem Näherrücken des Wahltermins zeichnet sich ab, dass die bürgerlichen Parteien keineswegs auf einer großen Zustimmungswoge an die Schalthebel der politischen Macht surfen. Auch sie machen die Erfahrung, dass in größeren Teilen der mittleren sozialen Schichten keineswegs eine eindeutige Orientierung an den Vorrang für eine Vermarktlichungsstrategie der sozialen Sicherungssysteme vorherrscht (dagegen Nolte 2005). Mehr noch: Es gibt bekanntlich einen direkten Zusammenhang zwischen sozialen Regulierungen und der Verfügbarkeit über Zeit, die für die Gestaltung eines partnerschaftlichen Lebens unverzichtbar ist. Die Ausrichtung an einer kapitalistischen Privatisierungspolitik nimmt nicht nur soziale Ungleichheit in Kauf; sie verletzt auch Familienwerte, auf die sich die bürgerlichen Parteien gerne berufen (Krugman 2005).

Eine Regierung unter Führung von CDU/CSU wird drei gesellschaftliche Problemfelder vorrangig bearbeiten:

  Beschleunigte Ausweitung von Niedriglohnsektoren und damit von prekärer Arbeit. Dies erfolgt zum einen über weitere Kürzungen von Lohnersatzleistungen und die Streichung der Reste aktiver Arbeitsmarktpolitik. Zum anderen werden Angriffe auf zentrale gewerkschaftliche Interventionsmöglichkeiten gefahren: Tarifautonomie und Mitbestimmung.

  Kürzungen bei den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und Übergang zum Modell der Kopfprämie. Damit wird eine grundsätzliche Auseinandersetzung um kollektive, solidarische Sicherungssysteme eröffnet.

  Auch in den Rentenkassen sind Leistungsminderungen mit dem weiteren Systemwechsel verbunden.

Es ist durchaus möglich, dass die Mehrheitsverhältnisse die Bildung einer großen Koalition nahe legen. Große Teile der SPD präferieren eine solche Option, womit die Logik der Parteiführung völlig unglaubwürdig wird, ein neues Mandat für Rot-Grün erkämpfen zu wollen. Rot-Grün ist als politisches Projekt erledigt.

Eine Regierungsbeteiligung der SPD in einer großen Koalition wird lediglich eine Abschwächung der Umverteilungspolitik bewirken – "verkauft" wird dies von Seiten der SPD, "das Schlimmste" verhindern zu wollen, um das Profil des "kleineren Übels" zu schärfen. Dass dieses Kalkül noch einmal aufgeht, ist jedoch mehr als fraglich. Nach sieben Jahren Sozialstaatsumbau, Haushaltskürzungen, Umverteilungspolitik zugunsten der besitzenden und vermögenden Klassen und massiven Eingriffen in soziale Rechte ist die Sozialdemokratie Bestandteil des (verkürzt) so genannten neoliberalen Blocks an der Macht geworden. Ein halb durch das Wahlergebnis erzwungener, halb durch die politischen Optionen gewollter Eintritt in eine große Koalition könnte eine weitere Absetzbewegung von Mitgliedern und Anhängern der SPD auslösen und damit den Erosionsprozess des Typus Volkspartei beschleunigen.

Für die Kräfte und Bewegungen links von der modernisierten Sozialdemokratie hieße das zumindest zweierlei: Zum einen würde der programmatische Bogen von WASG/Linkspartei noch weiter gespannt in Richtung einer USPD. Der Parteibildungsprozess wird zugleich dringlicher und komplexer. Zum anderen kommt es wesentlich darauf an, ob sich im Herbst recht zügig eine gesellschaftliche Widerstandsfront gegen eine Brutalvariante der Agenda formieren kann, wobei den Gewerkschaften – angesichts der Fragilität der sozialen Bewegungen – eine zentrale Bedeutung zukommt. Die gleichzeitige außerparlamentarische und parlamentarische Neuformierung der Linken könnte Kräfte hervorbringen, die stark genug sind, Einfluss auf die Tagesordnung der Gesellschaft zu nehmen. Wichtig für die Beeinflussung der gesellschaftlichen Konflikte wird sein, inwieweit die zukünftige Bundestagsfraktion der Linkspartei die kleinen Chancen ergreift, die politischen Alternativen des Protestes deutlich zu machen.

Linkspartei – ein Betrug?

Die Meinungsforscher registrieren eine überraschend große Unterstützung und Sympathie zu einem politischen Projekt, das in der politischen Alltagsrealität noch gar nicht angekommen ist. Die Verständigung von Linkspartei und Wahlalternative, bei den vorgezogenen Bundestagswahlen auf einer Liste anzutreten, hat die Hoffnungen beflügelt, dass die Linke in Deutschland die trennenden politischen Lager wie auch die Ost-West-Spaltung überwindet. Beide Parteien wollen zügig einen Prozess der Vereinigung gestalten und so ein erweitertes Projekt der demokratischen Linken in Deutschland auf den Weg bringen, das auch für andere Kräfte und Strömungen offen ist. Mit einer gemeinsamen Partei kann es der Linken gelingen, aus dem politischen Schattendasein herauszukommen und viele wahlpolitisch auf Distanz gegangene Bürger zu einem neuen Engagement zu ermutigen. Gleichwohl hat der frühere PDS-Wahlkampfleiter und heutige Europaabgeordnete André Brie recht: "Die Linkspartei hat, wenn sie keine großen Fehler macht, eine beträchtliche Sicherheit auf den Wahlerfolg am 18. September. Sie hat jedoch ganz und gar keine Sicherheit auf eine dauerhafte Perspektive und darauf, die mögliche und notwendige parteipolitische Plattform einer modernen, neuen Linken in Deutschland zu werden" (Brie 2005).

In beiden Organisationen und deren Umfeld gibt es skeptische Einwände. Zum Beispiel dahingehend, dass der wahlpolitische Erfolg parlamentarische Illusionen aktualisiere und daher Gefahr laufe, rascher als die Grünen ihren oppositionellen Charakter zu verlieren. In der Tat befindet sich das System der parlamentarischen Parteiendemokratie in einer Legitimationskrise. Zum einen, weil die Parteibindungen erheblich gelockert sind – die Fluktuation im politischen Raum wird auch eine erneuerte Linke in Rechnung stellen müssen. Zweitens, weil die Rückkopplung der zu Wahlmaschinen und Karrierefilter mutierten Parteien in die Zivilgesellschaft nachhaltig erodiert ist – auch damit hat eine Linkspartei zu kämpfen. Und schließlich, weil das Parlament selbst einen Prozess der Entwertung, Entleerung und Erniedrigung durch die Herrschaft der Exekutive und der durch sie eingesetzten so genannten Expertenkommissionen erfahren hat. Doch dagegen steht, dass es einer bewusst sich diesen Problemen stellenden Partei- und Parlamentslinken gelingen könnte, Schneisen ins politische System zu schlagen und den neoliberalen Elitekonsens aufzubrechen. Dass das möglich ist, zeigen die Niederlagen der modernisierten Sozialdemokratie, die Widersprüche im konservativen Block wie auch die punktuellen Erfolge der gesellschaftlichen Linken wie zuletzt gegen die EU-Verfassung.

Linke Strömungen in und jenseits der PDS befürchten, das der Neuformierungsprozess letztlich zur Auslöschung der Sozialistischen Partei und damit einer dezidiert antikapitalistischen Alternative führt. Der frühere Linksgrüne Rainer Trampert sieht höhere Mächte walten: "Die Zeit war schon lange reif für eine neue Partei, die sich staatsloyal der Verbitterten annimmt ... Mit Lafontaine wird der Unmut gesamtdeutsch eingefangen ... Lafontaine autorisiert Parolen der Nazis und behindert zugleich ihre Wahlerfolge ... Der Begriff ›Linkspartei‹ ist in jeder Hinsicht bloßer Betrug."

In der Tat existieren unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die sozialen Sicherungssysteme weiter zu entwickeln sind; es bestehen Differenzen, wie der Mix aus Lohnerhöhungen, Erhöhung der Mindesteinkommen, Arbeitszeitverkürzung und öffentliche Investitionen zu gestalten ist, um das klassenpolitische Kräfteverhältnis dauerhaft zu verändern. Beispiel Rentenkassen: Sie kommen aus der chronischen Unterfinanzierung nicht heraus, solange der Prozess der Zerstörung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse und der Lohndrückerei anhält, wie er mit den Hartz-Gesetzen und der Agenda 2010 organisiert worden ist.

Die Kritik am illusionären Sozialstaats-Reformismus von Wahlalternative/Linkspartei ignoriert die mit dem Übergang zum Vermögenskapitalismus verbundenen sozialen und kulturellen Umbrüche. Die Hegemonie der Finanz- und Kapitalmärkte verändert die Wertschöpfungs- und Einkommenskreisläufe und letztlich die Klassenverhältnisse. Jede politische Alternative zum brutal rechtskonservativen oder weicheren sozialdemokratischen Neoliberalismus muss sich der Problematik der Rekonstruktion des gesellschaftlichen Wertschöpfungsprozesses stellen. Die Linksformation weist die Behauptung zurück, es mache keinen sozialen Sinn mehr, einen immer kleiner werdenden gesellschaftlichen Kuchen gerechter zu verteilen. Umgekehrt: Der Kuchen könnte wieder größer werden, wenn die Verteilungsverhältnisse und die sozialökologische Qualität zugunsten der subalternen Schichten geändert werden. Wer dem beständig radikalisierten Umverteilungskampf von Oben etwas entgegensetzten will, der muss die Finanz- und Vermögensmärkte wieder an die Kandare nehmen; gesellschaftlicher Ausbau der Wertschöpfung heißt Reduktion der Arbeitszeit, Ausbau der sozialkulturellen Dienstleistungssektoren und bewusste Ausgestaltung des nationalen und europäischen Binnenmarktes in Absetzung zur radikalisierten Globalisierung.

Die nächsten Schritte

Wenn nach den Bundestagswahlen eine Fraktion von Abgeordneten des linken Wahlbündnisses als Opposition gegen neoliberale Politik in das Parlament einzieht, bricht das überkommene Parteiensystem der Bundesrepublik auf – nicht nur auf Seiten der politischen Linken. Auch in bürgerlichen Block gibt es Widerstand gegen die Forderungen nach weiteren Steuersenkungen; die weiteren Schritte der Privatisierung bei der sozialen Sicherung sind unter den politischen Akteuren, aber auch im Wählerklientel dieser Parteien durchaus umstritten. Die Sozialdemokratie wie die Partei der Grünen müssen sich in dieser Spannung zwischen bürgerlichen Parteien und linker – parlamentarischer wie außerparlamentarischer – Opposition neu aufstellen.

Der Druck der gesellschaftlichen Probleme, die im Jahr 2006 anstehenden Landtags- und Kommunalwahlen und nicht zuletzt der stärker werdende Widerstand gegen den Niedergangsprozess in der Sozialdemokratie zwingen das Linksbündnis in einen Prozess der Bildung einer gemeinsamen politischen Formation. Gelingt es in den Monaten nach der Bundestagswahl, eine Verständigung auf eine solche Entwicklung herzustellen, könnte das politische Terrain radikal verändert werden. Angesichts der mit der überfälligen Veränderung des Parteiensystems verbundenen Konflikte werden alle Beteiligten reichlich Geduld und Zähigkeit aufbringen müssen.

Das plötzliche Auftauchen einer linken Partei mit relevantem gesellschaftlichem Rückhalt hat alle Akteure auf der politischen Bühne überrascht. Die politisch-juristischen Scharmützel um die Zulassung der Wahllisten der Linkspartei.PDS sind nur Symptome einer sich aufbauenden Ausgrenzungspolitik der Eliten und der etablierten Parteien. Ein Wahlerfolg wird dann die Eröffnung eines neuen Entwicklungsabschnittes markieren, wenn die politische Linke ihre programmatischen Gemeinsamkeiten ausbaut. Dabei ist nicht die umfassende Verständigung auf eine neue Gesellschaftskonzeption angesprochen. Es existiert seit längerem ein programmatisches Fundament. Gelernt und entwickelt werden muss eine Debattenkultur, die es erlaubt, die offenen Fragen und Differenzen vor dem Hintergrund der real existierenden Gemeinsamkeiten einzuordnen.

Die verbreitete Skepsis gegen den Typus der Partei ist nachvollziehbar, aber eine Partei mit Einfluss in den Institutionen des politischen Systems ist notwendig, um die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu verändern. Die Linke muss auch in einer gemeinsamen Partei agieren, wenn sie die Widerstände der ökonomischen und politischen Mächte überwinden und ein neues Bündnis demokratischer Kräfte zum gestaltenden Faktor der Gesellschaft voranbringen will. Für die noch zu schaffende Linkspartei gilt es, sich die Offenheit und das Spannungsverhältnis zu den vielen Bewegungen und Organisationen der Zivilgesellschaft zu bewahren.

Literatur
Brand, U., 2005: Gegen-Hegemonie, Hamburg.
Brie, A., 2005: Sechs Thesen zur Perspektive der Linkspartei: offene Fragen, Probleme, Herausforderungen in: Brie, M. 2005: Die Linkspartei, Berlin.
Krugman P., 2005: French Family Values, in: New York Times vom 8.8.2005.
Oberndörfer D. u.a., 2005: Das Ende der Ära Schröder in: FR vom 25.5.2005.
Nolte, P., 2005: Merkels neue Mitte, in: Tagesspiegel vom 29.5.2005.
Roth, K., 2005: Der Zustand der Welt. Hamburg.
Walter, F., 2003: Geradezu neurotisch, in: SZ vom 18.9.2003.
Walter, F., 2004: Abschied von der Toskana, Wiesbaden.

Zurück