1. Juni 2000 Uwe Hiksch

Vorwärts und nicht vergessen!

In der PDS hatte sich im letzten Jahr nach den überragenden Wahlsiegen ein großer Optimismus durchgesetzt: die Partei könnte sich schnell zur dritten politischen Kraft in Deutschland entwickeln. Ein Grund für das rasche Anwachsen der PDS-Stimmen war die relative Schwäche der SPD, die durch den deutlichen Kurswechsel der rot-grünen Bundesregierung in der Sozial- und Steuerpolitik, ihren Höhepunkt fand. Die Vernachlässigung »sozialer Gerechtigkeit« führte bei Teilen der KernwählerInnen zu Unsicherheit, was sich in einer zunehmenden Wahlenthaltung bemerkbar machte.

Die herben Verluste der SPD wurden von Teilen der PDS jedoch fälschlicherweise als ein bereits gefestigter Trend analysiert. Demgegenüber zeigen die realen WählerInnenwanderungen, dass die Enttäuschung über die Politik der modernisierten Sozialdemokratie nur zum geringen Teil der PDS zugute kamen und überwiegend zu Wahlenthaltung führten.

Die SPD hat aus den herben Wahlverlusten Schlüsse gezogen. Sie sieht, dass sie ihre strategische Mehrheitsfähigkeit verliert, wenn es ihr nicht gelingt, ihre KernwählerInnen zurückzugewinnen. Die »Neuen Sozialdemokraten« versuchen durch eine mittelfristige Strategie, ihren neoliberalen Grundkurs durch die Betonung von sozialdemokratischen Werten – insbesondere Gerechtigkeit und Chancengleichheit – zu stabilisieren. Damit zeichnet sich der weitere Weg der rot-grünen Regierung in folgenden Hauptpunkten ab:

  Die Globalisierung wird als faktisch nicht gestaltbar hingenommen. Erste Ansätze einer Re-Regulierung, wie sie von Oskar Lafontaine in seiner Zeit als Finanzminister versucht wurden, sind vergessen. Die Gesellschaft soll mit dem Hinweis auf die weltweite Globalisierung von Kapital- und Finanzströmen zu einer Anpassung an die Interessen der Wirtschaft und zur Erhaltung des »Standortes Deutschland« beitragen. Gefordert ist der »flexible Mensch«.

  Ausdrücklich wird die Profitlogik und die Marktsteuerung des Systems akzeptiert. Gefangen im neoliberalen Theoriegebäude, wird der Staat nur noch als Deregulierungsinstrument dargestellt, der soziale und ökonomische Probleme bei den Deregulierungsprozessen abfedern soll.

  Selbständige und Unternehmen werden als innovativ begriffen, die lediglich durch überzogene Ansprüche der ArbeitnehmerInnen und durch zu hohe staatliche Regulierung an möglicher Dynamik gehindert werden.

  Zum gesamtgesellschaftlichen Leitbild wird der »neue Selbständige« und der Existenzgründer erhoben, dessen »Ehrgeiz nicht durch Grenzen behindert werden darf«. Entsprechend fordert die Bundesregierung eine Deregulierung und Flexibilisierung im Interesse der kleinen, mittleren Unternehmen und der Existenzgründer im Arbeits- und Sozialrecht.

  Sozialdemokratische Politik verabschiedet sich von einer Politik der Umverteilung. Die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen innerhalb der Gesellschaft, die zunehmende Armut und die faktische Teilung der Belegschaften in Kern- und Randbelegschaften mit der Herausbildung von »working poor« wird hingenommen.

  Der neue Begriff von Gerechtigkeit reduziert sich auf die Herstellung von Chancengleichheit bezüglich der Fähigkeit, sich Qualifikationen für den Arbeitsmarkt zu erwerben. Die neue Aufgabe des Staates bestehe darin, durch Druck jedem und jeder deutlich zu machen, dass alle Beschäftigungsmöglichkeiten genutzt werden müssen. Sozialleistungen dienen nicht dem Ausgleich ungleicher wirtschaftlicher Kraft und individueller Möglichkeiten, sondern sind grundsätzlich als ein »Sprungbrett« zur Selbsthilfe vorgesehen.

  Arbeitslosigkeit wird nicht mehr als systemimmanentes strukturelles Problem des entwickelten Kapitalismus analysiert, sondern ist der fehlenden Flexibilität der Arbeitskräfte geschuldet. Damit wird Arbeitslosigkeit individualisiert. Arbeitslose sind für ihre Qualifizierung selbst verantwortlich und sollen diese durch rechtzeitige Bildung von Sparkapital auch möglichst selbst finanzieren. Zur Durchsetzung soll ein subventionierter Niedriglohnsektor geschaffen werden.

  Gewerkschaften werden nicht mehr als gesellschaftspolitische Interessenvertretungen der unselbständig Tätigen definiert, sondern lediglich als Moderator zur Durchsetzung des individuellen Schutzes der Arbeitnehmenden und zum gröbsten Schutz des Einzelnen vor Willkür. Ihre Aufgabe wird vor allem auch im Co-Management gesehen.

  In dieser Sichtweite hat der Staat kein Einnahme-, sondern nur ein Ausgabeproblem. Damit begründet die rot-grüne Bundesregierung, dass Unternehmen steuerlich entlastet werden und gleichzeitig soziale Leistungen abgeschafft werden sollen.

  Die Rolle des Staates und die Aufgaben des Öffentlichen Dienstes werden auf Kernbereiche reduziert. Eine emanzipatorische Aufgabe des Staates zur Sicherung der öffentlichen Daseinsfürsorge wird explizit abgelehnt.

Diese »neue Variante« sozialdemokratischer Politik, die mit Slogans wie »Irgendeine Arbeit ist besser als keine Arbeit« und »aktivierender Sozialstaat« verkauft wird, ist der bewußte Versuch der SPD-Führung, eine Spaltung der ArbeitnehmerInnenschaft in Kernbelegschaften auf der einen Seite und Randbelegschaften und Ausgegrenzten auf der anderen Seite zu erreichen. Man darf diesen Politikansatz nicht unterschätzen, da es aufgrund der Bewusstseinslage innerhalb der ArbeitnehmerInnenschaft und der unfreiwillig Selbständigen durchaus eine breite Akzeptanz für diese Position gibt.

Sozialdemokratische Milieus gewinnen, ohne das eigene zu verlieren

Da die SPD an reale Widersprüche der sozialstaatlichen Umverteilung und an gesellschaftliche Individualisierungstrends anknüpft, würde der Versuch von Teilen der PDS, ausschließlich als »Verteidiger« des bisherigen Sozialstaates aufzutreten, die Partei in die Defensive manövrieren. Vielmehr müssen sozialstaatskritische Elemente im Alltagsbewusstsein aufgegriffen und mit einem emanzipatorischen Modell verbunden werden. Die PDS hat die Aufgabe, durch eine fortschrittliche Sozialpolitik ein Angebot an ein Reformbündnis von marginalisierten Teilen der unselbständig Tätigen und der Kernbelegschaften zu formulieren.

Im Bereich der Arbeitszeitpolitik, der ständig zunehmenden Leistungsverdichtung in den Betrieben, des Anspruches der ArbeitnehmerInnen auf Selbstbestimmung und der zunehmenden Umverteilung zwischen Kapital und Arbeit muss ein fortschrittliches sozialstaatliches Konzept der PDS Antworten geben. Hier gilt es Abwehrkämpfe zu organisieren und für große Teile der ArbeitnehmerInnenschaft ein Modell mit Zukunft darzustellen.

Teile vor allem traditioneller sozialdemokratischer Milieus sind auf der Suche nach einer politischen Alternative. Ob es der PDS gelingen kann, sich als Alternative für die an der klassischen Sozialdemokratie orientierten Menschen zu profilieren, hängt auch davon ab, ob es gelingt, das »Ostimage« durch den Anspruch, eine gesamtdeutsche Partei mit spezifischen Vertretungsansprüchen für die Menschen in Ostdeutschland zu sein, weiterzuentwickeln. Zugleich ist es für die PDS unverzichtbar, durch eine Weiterentwicklung ihrer politischen Kultur die Erwartung gerade von klassisch sozialdemokratisch orientierten Menschen nach »politischer Heimat« zu erfüllen.

Dass dies einen längeren Zeitraum voraussetzt, haben aktuell die Kommunalwahlen in Thüringen deutlich gemacht:

  Die PDS muss in den nächsten Jahren durch eine massive Mitgliederwerbung jüngere Mitglieder gewinnen, die in der Bevölkerung als wählbare Alternativen zu den Politikern der etablierten Parteien anerkannt werden. Zugleich stellt sich aber das Problem, dass die PDS ihr Image als »Kümmererpartei« zu verlieren droht, wenn aufgrund steigenden Altersdurchschnitts die Verankerung in den Interessenverbänden in den nächsten Jahren deutlich nachlassen wird.

  Es stellt für die PDS ein strategisches Problem dar, dass ihre Politikkonzepte durchaus als oppositioneller »Betriebsrat der Politik« anerkannt und für wichtig angesehen werden, aber nicht als regierungsfähiges Alternativkonzept akzeptiert werden. Die PDS muss ihre alternativen Politikansätze in der Wirtschafts-, Sozial-, Friedens- und Europapolitik als real machbare Alternativen in der Gesellschaft verankern und sie als wählbare Alternativen präsentieren.

  Ein großes Problem für eine linke sozialistische Partei ist die Tatsache, dass die Wahlkämpfe immer mehr professionalisiert und personalisiert werden. Es wird immer schwieriger, mit traditionellen Mitteln und mit Ehrenamtlichen gegen die mediale und öffentliche Übermacht einen alternativen Politikentwurf darzustellen.

  Die PDS muss sich um eine intensive Werbung von Betriebsräten, Mitgliedern in Sozialverbänden, aktiven Arbeitnehmern und Mitgliedern in Initiativen, Bewegungen und Umweltverbänden bemühen. Die PDS darf nicht die Partei der bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen, Scheinselbständigen oder Ausgegrenzten werden, wenn es gelingen soll, ein breites Bündnis der Kernbelegschaften mit den Randbelegschaften, Transferbeziehern und Ausgegrenzten zu schließen.

Im Westen Chancen

Die Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben klar gemacht, dass es bis zur Verankerung der PDS als westdeutsche linke Mitgliederpartei noch ein langer Weg ist. Doch geringe Stammwähleranteile müssen nicht entmutigen. In den ersten Jahren, in denen die Grünen in Wahlen etwa acht Prozent Stimmenanteil erworben haben, wurde ihre StammwählerInnenschaft bei ca. zwei bis drei Prozent der Stimmen angesetzt.

Programmatisch wird in den nächsten Jahren wichtig sein, ob es der PDS gelingt, ihren Anspruch, gesamtdeutsche linke sozialistische Partei zu sein, glaubhaft zu machen. Dies beinhaltet, dass die PDS verstärkt auch an den Traditionen und Themenfeldern der westdeutschen Linken ansetzt, Personen und Inhalte der westdeutschen Linken aufbaut und immer wieder deutlich macht, dass sie den Anspruch auf Verankerung in Westdeutschland nicht aufgibt. Diskussionen über Nichtbeteiligungen an Wahlen in den alten Bundesländern sind in dieser Hinsicht eher als Rückschlag für den Anspruch an die Verankerung im Westen zu sehen. Um in Westdeutschland mittelfristig als sozialistische Alternative beachtet zu werden, muss die PDS ihr Image als »Gysi-Partei ohne Hinterland« oder »virtuelle Partei«, die in Westdeutschland nur in den Medien erfahrbar ist, überwinden.

Die Streitkultur von Münster

Die negative Einschätzung des Münsteraner Parteitages ist m.E. nur bedingt haltbar. Übersehen werden sollte nicht, dass der Parteitag durchaus eine positive Weiterentwicklung der Diskussions- und inhaltlichen Kultur für die PDS gebracht hat. Viele Medien haben die PDS als Partei des »demokratischen Zentralismus« dargestellt, die sich in der alltäglichen Auseinandersetzung nicht durch intensive Diskurse, sondern durch eine relativ starke Anlehnung an die Diskussionen des Parteivorstandes auszeichnen würde. Der Parteitag hat gezeigt, dass es innerhalb der PDS einen starken, selbstbewussten Funktionärskern gibt, der durchaus bereit ist, auch in schwierigen Situationen eine Korrektur von Parteivorstandsbeschlüssen vorzunehmen, wenn er dies für notwendig ansieht. Innerhalb der PDS gibt es einen breiten Konsens über die Frage der inhaltlichen Zuverlässigkeit zu Grundsätzen wie Antikapitalismus, Antimilitarismus und soziale Gerechtigkeit, die von der Partei deutlich verteidigt werden. Alle von der Partei hier als Aufweichen empfundenen Versuche werden äußerst kritisch gesehen, und – wie der Parteitag zeigte – deutlich zurückgewiesen.

Der dramatische Verlauf des Parteitages war auch durch einen Parteivorstand verursacht, der sich mit seinen Diskussionsprozessen inhaltlich von der Partei entfernt hatte. In der Partei wurden vor allem die folgenden Diskussionen, die aus den Führungsfunktionen gekommen waren, kritisch gesehen:

  Durch die Diskussion um die »Regierungsfähigkeit« der PDS ist bei vielen der Eindruck entstanden, als sollten konsequent sozialistische Positionen marginalisiert werden zugunsten einer neuen »Mitte-Links-Option«. Die totale Anpassung von Bündnis 90/Die Grünen hat hier sensibilisierend gewirkt. Die Deformation des einstigen sozialökologischen Projekts durch Rot-Grün wirft die grundsätzliche Frage auf, ob ohne starke gesellschaftliche außerparlamentarische Bewegungen und Forderungen linke Politik in einem Bündnis mit der Sozialdemokratie überhaupt denkbar ist.

  Die PDS verfolgt eine Doppelstrategie – auf der einen Seite parlamentarischer Arm, auf der anderen Seite Teil von außerparlamentarisches Bündnissen und Bewegungen. Damit sind die radikalen Diskussionen der unterschiedlichen Bewegungen in der PDS als Partei deutlich verankert, und nicht bereits durch den parlamentarischen Filter geglättet. Dies erschwert es natürlich Fraktionen im Parlament, ihre Arbeit »anerkennend« zu organisieren, garantiert aber in der PDS noch für eine klare Vertretung von Positionen.

  Innerhalb des Parteivorstandes gab es eine Tendenz, die Programmdiskussion bis zur Bundestagswahl 2002 abzuschließen. Damit wurde der Eindruck erweckt, dass das jetzige Programm der PDS eher hinderlich sei, um den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag zu schaffen. Durch die starke Betonung der »Moderne« als neuer Grundanalyse in der Gesellschaft wurden weite Teile der Partei nachdenklich, da die allgemeine Analyse, die heutige Gesellschaft als Kapitalismus zu definieren, in der Partei unumstritten ist. Auch der Antikapitalismus wurde von Seiten der Parteiführung als problematisch dargestellt.

Durch diese »Mixtur« aus sehr unterschiedlichen Ansätzen war die strategische Mehrheit des Parteivorstandes bereits seit vielen Monaten in der Partei weggebrochen. Die öffentliche Stilisierung des Parteitages zu einem Sieg der Sektierer und Dogmatiker ist schlichtweg Blödsinn. Vielmehr hatte sich ein breites Bündnis innerhalb der Partei gebildet, das ein deutliches Zeichen hin zu einer modernen sozialistischen Reformpartei setzen wollte. Die Positionen des »Marxistischen Forums« oder der »Kommunistischen Plattform« haben in diesem Bündnis nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt.

Bekräftigung des antimilitaristischen Profils

In den letzten Monaten hat die PDS eine schwierige Diskussion über die grundsätzliche Frage einer strategischen Ausrichtung von antimilitaristischer Friedenspolitik geführt. Die PDS hat versucht, die Diskussionen in der Friedensbewegung und die Fragen von pazifistischer und antimilitaristischer Friedenspolitik aufzugreifen und aus einer konsequent antimilitaristischen Position heraus Antworten zu geben.

Während alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien, von der CDU/CSU bis zu Bündnis 90/Die Grünen mittlerweile gemeinsam für eine Militarisierung der Außenpolitik eintreten, ist die PDS die einzige politische Kraft, die am Primat einer zivilen und menschlichen Außenpolitik festhält. Die PDS hat der Friedensbewegung im parteipolitischen Spektrum der Bundesrepublik wieder eine Verankerung angeboten. Durch die Diskussion von zwei friedenspolitischen Grundsatzanträgen auf dem Parteitag in Münster, die sich vom Prinzip nicht unterschieden, lediglich die Frage der »Einzelfallentscheidung« unterschiedlich bewerteten, wurde eine zivile, nichtmilitärische außen- und Sicherheitspolitik aufgezeigt, die im parlamentarischen Spektrum Alternativen zur Logik der Militarisierung deutlich machten. Schwerpunkte der Anträge waren die Forderung nach einem Konzept kollektiver Sicherheitsstrukturen und -systeme, die sich regional und überregional entwickeln müssen. OSZE und UNO sind hier wichtige Institutionen zur Abschaffung der Dominanz der Militärbündnisse und zur Durchsetzung von friedenssichernden, zivilen Maßnahmen. Deutlich hat sich die PDS für die Abschaffung von regionalen Militärbündnissen ausgesprochen. Der Dominanz der US-amerikanischen Hegemonialansprüche wurde eine deutliche Absage erteilt. Die zunehmende Selbstlegitimation von NATO und auch WEU wurde klar kritisiert. Die konzeptionellen Papiere der US-amerikanischen Administration, der NATO, aber auch der Herrschenden in der BRD, die schon lange auf die Notwendigkeit von flexiblen militärischen Einsatzkommandos zur Sicherung der Interessen der imperialistischen Staaten verweisen, wurden als Grundlage für eine grundsätzliche Ablehnung der derzeitigen Außenpolitik genommen.

Ziel der Friedenspolitik muss die Forderung einer zivilen Gegenorganisation gegen die Hegemonie der Militärbündnisse im Bereich der Außenpolitik sein. Eine Diskussion über die Zivilisierung der Außenpolitik durch die Schaffung von Systemen kollektiver Sicherheit kann ein Beitrag für eine Veränderung der außenpolitischen Debatte sein. Einen Ansatzpunkt hierfür bietet die OSZE, die als regionale Unterorganisation der VN über Konfliktregelungs- und Streitschlichtungsmechanismen verfügt, die weiter ausgebaut werden könnten.

Voraussetzung für eine Friedensordnung ist die Beseitigung der ökonomischen Verteilungsungerechtigkeiten oder aber zumindest die Minderung dieser gegenwärtig bestehenden Konfliktursachen. Die ökologischen Bedrohungslagen und die sozialen Ungerechtigkeiten müssen aufgezeigt und verändert werden. Militäreinsätze, egal in welcher Form, können nur die herrschenden Interessen absichern und somit die Konfliktursachen festschreiben.

In einem mittelfristigen Zeitraum wird sich der friedenspolitische Grundsatzbeschluss – der nichts mit Fundamentalismus, sondern mit der realistischen Einschätzung zu tun hat – für die PDS als sozialistische Oppositionspartei als Vorteil erweisen.

Integration der Strömungen in einer sozialistischen Konzeption

Die unterschiedlichen Denkströmungen und Diskussionsstrukturen der west- und der ostdeutschen Linken müssen zusammengeführt werden. Alle Versuche der Ausgrenzung sind zu unterlassen: Nur so lässt sich ein gewinnbringender Meinungsstreit zwischen den unterschiedlichen Theorien der sozialistischen Linken, den fortschrittlichen Bewegungen und des aufgeschlossenen linksliberalen Bürgertums entwickeln. Durch Ausgrenzung würde das Gegenteil erreicht. Vor allem die Probleme einer aktuellen Analyse der heutigen kapitalistischen Entwicklung, die Formulierung eines breit getragenen Antimilitarismus und die Definition einer sozialistischen Politik werden in den nächsten Jahren von zentraler Bedeutung sein. Die Anhänger einer »sozialistischen Moderne« haben keine Mehrheit innerhalb der Partei. Es gilt daher, eine antikapitalistischen Politik in den Mittelpunkt der Arbeit zu rücken.

Gewerkschaften, Friedensbewegung, antifaschistische Organisationen, Umwelt- und Anti-Atombewegung, Sozialverbände, Initiativen und Bürgerbewegungen haben im parlamentarischen Spektrum keinen Ansprechpartner mehr, der ihre Vorschläge und Themen aufgreift. Hier liegt die Chance der parlamentarischen Arbeit der PDS, als Kristallisationspunkt und Ansprechpartner für die unterschiedlichen gesellschaftlichen Diskussionen zu fungieren. Die PDS als sozialistische Programmpartei kann also eine wichtige Funktion zur Sicherung von Strukturen der außerparlamentarischen Arbeit leisten, da die Popularisierung und Parlamentarisierung durchaus zur Verbreiterung innerhalb der Gesellschaft dienen kann. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit muss die Definition eines Bündnisses der Kerne der Gesellschaft mit den Rändern der Gesellschaft stehen.

Uwe Hiksch ist Mitglied der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag und Mitglied im EU-Ausschuss.

Zurück