24. November 2020 Brigitte Schulz: Zehn Thesen zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen

Warum ist Donald Trump so beliebt?

Laut Politbarometer hätten 89% der Deutschen für Joe Biden gestimmt. Wie aber können so viele Millionen Amerikaner*innen Donald Trump wählen, einen Mann, dessen vulgärer und ostentativer, mit Unwahrheiten durchzogener Stil in Deutschland als eher abstoßend empfunden wird?

Wie bei allen schwierigen Fragen gibt es keine monokausale, alles erklärende Antwort, sondern sie ergibt sich aus einer Melange historischer wie auch gegenwärtiger Eigenheiten, die die politische Kultur der USA nachhaltig geprägt und den bestimmten Typus des Trump-Wählers erzeugt haben. Nicht alle der nachfolgenden Thesen treffen auf jede/n dieser Wähler*innen zu, aber zusammen gesehen ergibt sich hoffentlich ein Bild, das die fast fanatische Beliebtheit Donald Trumps ein wenig erklärlicher macht.

1. Misstrauen gegenüber dem Staat und Recht auf unein­geschränktes Eigentum

Die Gründerväter, geprägt vom angelsächsischen Liberalismus des 18. Jahrhunderts, verankerten ihr Vertrauen in einen freien Markt und ihr Misstrauen in den Staat. Donald Trump ist ein Geschäftsmann, ein Außenseiter, der versprochen hat, den politischen »Sumpf« in Washington trockenzulegen. Dieses Versprechen kommt bei vielen Amerikaner*innen gut an, weil sie generell in der Regierung einen Feind sehen. Die vom amerikanischen Philosophen Henry David Thoreau stammende, 200 Jahre alte Aussage »That government is best that governs least« (»Der beste Staat ist der, der am wenigsten regiert«) können schon Schüler*innen auswendig nachsagen. Dazu kommt die als Naturrecht betrachtete Überzeugung, dass Eigentum auf der eigenen Arbeit beruht und deshalb uneingeschränkt angehäuft werden darf. Ein Staat, der über Gesetze und Programme soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeiten abschaffen oder zumindest reduzieren möchte, ist tief suspekt und wird mit dem als Schimpfwort gemeinten Etikett »Sozialismus« abgetan. Donald Trump verkörpert diesen Glauben an die freie Marktwirtschaft, das uneingeschränkte Recht auf Eigentum und die tiefe Abneigung gegenüber dem Staat. Politisch ist diese Ideologie hauptsächlich in der republikanischen Partei beheimatet und Trump hat deshalb auch als Republikaner kandidiert, obwohl er der Partei erst im April 2012 beitrat. Viele seiner Wähler*innen kommen aus der obersten Einkommensschicht mit Jahreseinkommen über 100.000 US-Dollar, die Trump reichlich mit Steuerminderungen und der Ernennung konservativer Richter*innen während seiner Zeit im Weißen Haus belohnte.

2. Fundamentalistisches Christentum

Die frühesten Einwanderer waren religiöse Fanatiker, die in ihrer neuen Heimat ein christliches Land nach ihren puritanischen und calvinistisch gefärbten Vorstellungen aufbauen wollten.

Brigitte Schulz ist emeritierte Professorin für Politikwissenschaft am Trinity College, Hartford (Connecticut, USA).

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