30. April 2025 Interview mit Nicholas Allen (SEIU – USA/Kanada) über die Folgen von Trump für die Gewerkschaften
Weltweite Solidarität ist von entscheidender Bedeutung
Johannes Specht: Die Biden-Regierung gilt als die möglicherweise arbeitnehmerfreundlichste in der Geschichte der USA. Die Service Employees International Union, SEIU (mit 2 Millionen Mitgliedern im öffentlichen Dienst, Gesundheitsbereich, Reinigung und industrielle Dienstleistungen in den USA und Kanada) und ihre Mitglieder haben sich im Wahlkampf 2024 gegen Trump stark gemacht und für Kamala Harris als Präsidentin. Es ist aber anders gekommen.
Nick, ihr habt lautstark davor gewarnt, was eine erneute zweite Amtszeit von Trump für die Arbeitnehmer*innen und ihre individuellen Rechte, und auch für die kollektiven Kämpfe der Gewerkschaften bedeuten könnte. Wie sieht nun der Plan der SEIU in dieser Situation aus?
Nicholas Allen: Unabhängig davon, wer in unserer Regierung an der Macht ist, werden wir die Interessen unserer Mitglieder und aller Arbeitnehmer*innen in den USA und Kanada entschlossen verteidigen. Unter der Biden-Regierung gab es Initiativen zur Förderung einer arbeitnehmerfreundlichen Agenda. Da war zum Beispiel die Ernennung einer proaktiven NLRB (National Labor Relations Board, die US-Bundesbehörde, die sich um den Schutz der Arbeitnehmerrechte zuständig ist und u.a. bei den betrieblichen Gewerkschaftswahlen eine zentrale Rolle einnimmt), ein starkes Arbeitsministerium, eine ehrgeizige globale Agenda zur Förderung der Arbeitnehmer*innenrechte und ein Präsident, der bereit war, dafür seine öffentliche Macht und seine Kanäle zu nutzen.
Biden war der erste US-Präsident, der an einer picket line, einer Streikpostenkette, stand, mit streikenden Arbeiter*innen aus der Automobilindustrie. Kamala Harris wäre in der Lage gewesen, diese Politik fortzusetzen. Unsere Gewerkschaft hat ihre Kandidatur unterstützt und hart für ihre Wahl gearbeitet. Leider haben wir es nicht geschafft. Was bleibt uns nun anderes übrig, als uns der Situation zu stellen und unseren Kampf für eine gerechtere und humanere Gesellschaft fortzusetzen, indem wir Arbeitnehmer*innen ermöglichen, sich zusammenzuschließen und sich am Arbeitsplatz und in der Politik Gehör zu verschaffen? Dieser gewerkschaftliche Kampf wird nun zwangsläufig auch den erbitterten Kampf für den Erhalt unserer Demokratie mit sich bringen. Denn Demokratie ist die Voraussetzung für das Gedeihen freier Gewerkschaften.
Nicholas Allen ist Direktor des Global Program der Dienstleistungsgewerkschaft SEIU aus den USA und Kanada. Das Interview wurde am 22. April 2025 geführt und von Johannes Specht aus dem Englischen übersetzt. Johannes Specht arbeitet im Projekt »Tarifbewegungen und kreative Arbeitskampfformen in Niedriglohnbranchen« im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.