26. September 2024 Dieter Klein: Jan van Akens Intervention zu Krieg und Frieden
»Wie Frieden verhandelt werden kann«
»Worte statt Waffen« – dieser Titel des neuen Buches von Jan van Aken (304 Seiten; € 22,99, erschienen im Econ Verlag) markiert den Gegenpol zur herrschenden Politik und medialen Meinungsmache. Dort ist »Kriegstüchtigkeit« das bestimmende Losungswort.
Die Kriege in der Ukraine, im Gazagebiet und anderswo sollen durch militärische Gewalt bis zum Sieg geführt werden, durch Hochrüstung, durch Waffenlieferungen an die »Richtigen«, die »unsere Werte« vertreten. Auch um den Preis von Hunderttausenden Toten.
Van Aken setzt dem nicht allein die Sehnsucht der Bevölkerungsmehrheit nach Frieden entgegen. Der frühere Biowaffeninspekteur der Vereinten Nationen, Campaigner bei Greenpeace und Vertreter der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages hat entschieden mehr zu bieten, wie der Untertitel seines Buches verrät: »Wie Kriege enden und Frieden verhandelt werden kann«. Die Stärke seines Buches ist nicht allein eine Gegenposition zur herrschenden Waffenhysterie, sondern dass in diesen Standpunkt reiche friedensorientierte Erfahrungen aufgenommen werden. Drei Viertel aller Kriege der vergangenen Jahrzehnte, so hält van Aken fest, endeten mit Friedensabkommen, die aus Verhandlungen hervorgingen. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden fast 20 Kriege zwischen zwei oder mehr Staaten durch Verhandlungen beendet, darunter der Koreakrieg (1950–1953), der Krieg zwischen Iran und Irak (1980–1988) und der indisch-pakistanische Krieg (Konflikt um Kaschmir 1999). Der Weg der Diplomatie und der Verhandlungen ist also nicht eine Illusion realitätsferner Pazifisten. Friedensalternativen können an praktische Erfahrungen anknüpfen, die van Aken in seinem Buch präsentiert.
Er verarbeitet sie zunächst zu Antworten auf eine zentrale Frage: Wann sind militärische Konflikte »reif« für Verhandlungen? Welche Konstellationen haben sich als förderlich für Friedensverhandlungen erwiesen?
Erstens reifen Verhandlungen heran, wenn ein Konflikt beiden beteiligten Seiten unerträglich weh tut, wenn Krieg sich für keinen der Beteiligten mehr lohnt, wenn eine Pattsituation entstanden ist. 1988, nach acht Jahren Krieg zwischen dem Iran und dem Irak, seien beide Seiten zu Vereinbarungen bereit gewesen – nach dem Tod von einer halben Million Menschen und zu den gleichen Bedingungen, die schon 1982 vorgeschlagen worden waren.
Auch der Bosnienkrieg fand erst mit dem Abkommen von Dayton ein Ende, als nach jahrelangem Gemetzel keine Seite mehr größere Geländegewinne erreichen konnte und ein für beide Seiten verlustreiches militärisches Patt eingetreten war. Ebenso endete der jahrelange blutige Bürgerkrieg in Kolumbien erst, als weder die rebellierenden Kräfte der FARC noch die Regierungstruppen eine Chance auf militärischen Sieg sahen, wohl aber beide Seiten durch den Krieg enormen Schaden erlitten – bis zu einem Friedensabkommen 2016.
Allerdings, so betont van Aken, reicht die objektive Situation, in der keine Seite mehr etwas gewinnen kann, nicht aus. Die Kriegsparteien selbst müssen diese Lage erkennen.
Dieter Klein ist Fellow bei der Rosa Luxemburg Stiftung und war bis Ende 2012 Mitglied ihres Vorstandes. Von ihm erschien im Herbst 2024 im VSA: Verlag »Gemeinsame Sicherheit – trotz alledem. Überlegungen für zeitgemäße linke Strategien«.