26. April 2018 Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik: Ursachen der Wohnungsnot und wie sie zu bekämpfen sind

Wohnungsmangel: öffentlich bauen!

Das Verfassungsgericht hat dem Bundestag den Auftrag für eine längst überfällige Reform erteilt. Die Berechnung der Grundsteuer – wie sie seit Jahrzehnten in Deutschland praktiziert wird – ist verfassungswidrig und muss für 35 Mio. Grundstücksbesitzer bis Ende 2019 neu geregelt werden. Dieser Aspekt wird bei der Debatte um den Wohnungsmangel oft unterbelichtet. Die Redaktion kommentiert den Beschluss des Bundesverfassungsgericht und dokumentiert eine gekürzte Fassung aus dem diesjährigen Memorandum zur Wohnungsnot.

Etwa eine Million Wohnungen fehlen in Deutschland. Die offiziellen Projektionen gehen von einem notwendigen Neubau in der Größenordnung von 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr aus. Doch es werden deutlich weniger Wohnungen gebaut – und die, die gebaut werden, sind für Normalverdienende regelmäßig zu teuer. Angesichts der akuten Engpässe bei der Flüchtlingsunterbringung Ende 2015 machte sich mancherorts gar die Idee breit, das Ziel eines angemessenen Wohnens für alle gleich ganz durch die Bereitstellung einer bloßen »Unterkunft« für Bedürftige zu ersetzen – vorerst lediglich für Geflüchtete, aber perspektivisch nicht nur für sie. Das sind fatale Entwicklungen, die gestoppt werden müssen. Die wohnungspolitischen Vorhaben von CDU/CSU und SPD zielen allerdings nur auf eine Neuauflage alter Rezepte mit wenig erweiterten Mitteln.

Vor allem mangelt es an kleinen und mittelgroßen Mietwohnungen für normalverdienende und einkommensschwache Haushalte in den Großstädten und Ballungszentren. Speziell im Geschosswohnungsbau brach die Anzahl neugebauter Wohnungen um die Jahrtausendwende deutlich ein, aber auch bei Gebäuden mit einer oder zwei Wohnungen sind seit 2000 die Zahlen nach und nach um etwa die Hälfte gesunken (siehe Abbildung 1).

Seit 2007 steigen die Mieten in den Metropolregionen beträchtlich, seit 2010 auch auf dem flachen Land. Die Wohnimmobilienpreise nehmen seit 2009 deutlich zu (Bundesregierung 2017b: 73ff.). »Zwischen 2010 und 2015 sind die 78 Großstädte in Deutschland um mehr als 1,2 Millionen Einwohner beziehungsweise um 4,9 Prozent gewachsen. Allein die sieben größten deutschen Städte gewannen innerhalb von fünf Jahren mehr als 600.000 neue Einwohner. Das entspricht einem Plus von 6,6 Prozent« (BBSR 2017c). Doch obwohl die Probleme auf den deutschen Wohnungsmärkten schon lange spürbar sind, tat sich wenig. Erst im Bundestagswahlkampf 2012 wurden gewisse Probleme bei der Wohnungsversorgung eingeräumt – Stichwort: Studentenwohnungen. Die Politik entdeckte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene das Thema Wohnungsbau für sich wieder. Und tatsächlich kann die intensivierte amtliche Begleitforschung »eine Belebung des Wohnungsneubaus« feststellen – allerdings »ohne dass sich dadurch bislang eine Entspannung und ein preisdämpfender Einfluss bemerkbar machen« (BBSR 2017b: 8).

Der Text ist die gekürzte Fassung des vierten Kapitels des diesjährigen Memorandums der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, das unter dem Titel »Preis der ›schwarzen Null‹: Verteilungsdefizite und Versorgungslücken« im April 2018 im Papyrossa Verlag Köln erschienen ist; www.alternative-wirtschaftspolitik.de (s.a. Kasten, S. 8).

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