25. September 2018 Mario Keßler: Mexiko 1968 – das politische Olympia

Zwei Fäuste für die Menschlichkeit

Die Spiele der XIX. Olympiade, wie sie offiziell hießen, fanden vom 12. bis zum 27. Oktober 1968 in Mexiko-City und damit erstmals in Lateinamerika statt. An ihnen nahmen 5.510 Sportler, darunter 781 Frauen, aus 112 Ländern teil, was einen neuen Teilnehmerrekord bedeutete.

Doch nicht nur diese Tatsachen machen die Spiele dauerhaft erinnerungswert. Die weltgrößte Sportveranstaltung blieb von den politischen Umbrüchen des Jahres 1968 nicht unberührt, mehr noch: Die Spiele gingen als das politische Olympia in die Sport- und Zeitgeschichte ein.

1968 war das Jahr, in dem das politische Ansehen der USA wie auch der Sowjetunion weltweit auf einen Tiefpunkt sank. Der amerikanische Aggressionskrieg in Vietnam, die Ermordung von Martin Luther King und Robert Kennedy, die »Rassenunruhen« im Inneren der USA, aber auch die Proteste vor allem von Studenten gegen diese Zustände zeigten ein Land, das von schwersten Widersprüchen zerklüftet war, wie seit dem Bürgerkrieg ein Jahrhundert zuvor nicht mehr. Doch die linken Studenten- und Bürgerbewegungen erfassten ein Land nach dem anderen: Frankreich, die Bundesrepublik und West-Berlin, Japan, Polen und die Tschechoslowakei, auch das blockfreie Jugoslawien. So verschieden die Ziele der Akteure waren, zeugten sie doch alle von einem gesellschaftlichen Aufbruch. Nur in der Volksrepublik China gingen Studenten als Agenten und Fußvolk der staatsterroristischen »Kulturrevolution« auf die Straße.

Es war das Jahr des politischen Aufbruchs auch im sowjetischen Machtbereich. Der Aufbruch kulminierte im »Prager Frühling«, den die Panzer der Sowjetunion und ihrer Satelliten beendeten. Doch was als »Lösung« erschien, sollte zum Pyrrhussieg werden, wenngleich dies erst zwei Jahrzehnte später deutlich wurde. Noch länger dauerte die unabgeschlossene Aufarbeitung der blutigen Ereignisse, die den Spielen in Mexiko vorangingen.


Ein blutiges Präludium: Das Massaker von Tlatelolco


In Mexiko regierte seit fast vier Jahrzehnten die Partei der institutionalisierten Revolution (PRI), die mit ihrem Patronage-System das politische wie das akademische Leben des Landes im Griff hielt.

Prof. Mario Keßler arbeitet am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.

Die komplette Leseprobe als pdf-Datei!

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