21. Januar 2025 Joachim Bischoff: Trump 2.0 legt vom ersten Tag an los
»Amerikas Goldenes Zeitalter beginnt jetzt«
In seiner Antrittsrede versprach der 47. US-Präsident starkes Handeln vom ersten Tag an. »Das goldene Zeitalter für Amerika beginnt genau jetzt. […] Wir werden von allen Nationen beneidet werden. Und werden nicht mehr zulassen, dass wir ausgenutzt werden. An jedem Tag der Trump-Administration werde ich Amerika an erste Stelle setzen.«
Trump wetterte in Anwesenheit seines Vorgängers Joe Biden, dass die bisherige Regierung nicht einmal eine simple Krise im Inland habe bewältigen können und stattdessen in einen »kontinuierlichen Katalog der Katastrophen im Ausland« hineingestolpert sei. »Wir haben eine Regierung, die unbegrenzte Mittel für die Verteidigung fremder Grenzen ausgegeben hat, sich aber geweigert hat, amerikanische Grenzen zu verteidigen.«
Nach seiner Rede ging Trump zur Unterzeichnung der »historischen Serie« sogenannter Executive Orders, also von Dekreten des Präsidenten über: »Als erstes werde ich einen nationalen Notstand über unsere Südgrenze verhängen.« Dann geht das Programm der Remigration weiter: Soldaten sollen Migranten zurückweisen, Drogenkartelle als Terrorgruppen eingestuft werden. »Alle illegalen Grenzübertritte werden sofort gestoppt, und wir beginnen den Prozess, Millionen und Abermillionen krimineller Fremdlinge dorthin zurückzuschicken, wo sie herkamen.«
Trump zeichnete die Vision einer Gesellschaft, die »farbenblind ist und auf Leistung basiert«. Direkt im nächsten Satz machte Trump klar, welche Ausprägung gesellschaftlicher Vielfalt darin keinen mehr Platz hat: »Ab sofort wird die offizielle Position der US-Regierung sein, dass es nur zwei Geschlechter gibt: männlich und weiblich.«
Andere Evergreens aus dem Wahlkampf durften ebenfalls nicht fehlen: Ein neues Erdöl-Zeitalter wird ausgerufen (»drill, baby, drill«) und die progressiven Klimaschutzmaßnahmen seines Vorgängers sollen rückabgewickelt werden. Und er gelobte, per Dekret »die Redefreiheit zurückzubringen« und »Regierungszensur zu beenden«.
Unter der Präsidentschaft von Joe Biden hatte es u.a. Förderprogramme für die Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Autos gegeben – nun will Trump derartige Maßnahmen wieder abschaffen, dazu der Austritt aus der Welthandelsorganisation WHO und dem Pariser Klimaabkommen. Auch sein wirtschaftspolitisches Lieblingsinstrument fand Erwähnung: »Anstatt unsere Bürger zu besteuern und damit andere Länder zu bereichern, werden wir andere Länder mit Zöllen belegen, um unsere Bürger zu bereichern.« Dafür werde er eine Behörde namens »External Revenue Service« gründen – in Anlehnung an »Internal Revenue Service«, die US-Steuerbehörde.
Nach Trumps Auffassung ist Amerika von seinen Partnern über den Tisch gezogen worden – ein Narrativ, das wir bereits aus seiner ersten Amtszeit kennen. »Dies gelte in der Sicherheitspolitik, wo sie nicht genug in die eigene Sicherheit investiert hätten, ebenso wie im Handel, wo viele große Überschüsse gegenüber den USA aufweisen.« Und der frisch ins Amt eingeführte Präsident präsentierte sich gleich Imperialist, der droht, »den Panamakanal zurückzuholen«, und einseitig neue geographische Bezeichnungen durchsetzen will: So soll der Golf von Mexiko künftig Golf von Amerika heißen. Zugleicht gibt er sich als Pazifist, der davon träumt, Weltfrieden zu stiften. Zu der Kaskade von Regierungsverordnungen, die er am Inaugurationstag losließ, gehörte die Begnadigung sämtlicher Capitol-Stürmer vom 6. Januar 2021. Und bei alldem wirkte er überaus fokussiert.
»Von Gott gerettet, um Amerika wieder groß zu machen«
Zur Verheißung eines »goldenen Zeitalters« gehört die Versicherung: »Von nun an ist Amerikas Verfall vorbei.« Denn er habe das Mandat erhalten, den »schrecklichen Betrug« umzukehren. Trump erinnerte daran, wie er bei einem Wahlkampfauftritt im Sommer ein Attentat überlebte: »Da fühlte ich, und das glaube ich heute noch viel mehr, dass mein Leben aus einem Grund verschont wurde: Ich bin von Gott gerettet worden, um Amerika wieder groß zu machen.«
Diese Wahnvorstellung erinnert an eine Mahnung von Karl Marx aus dem Jahr 1852: »Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce […] Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alb auf dem Gehirne der Lebenden.
Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neue Weltgeschichtsszene aufzuführen. So maskierte sich Luther als Apostel Paulus, die Revolution von 1789–1814 drapierte sich abwechselnd als römische Republik und als römisches Kaisertum, und die Revolution von 1848 wusste nichts Besseres zu tun, als hier 1789, dort die revolutionäre Überlieferung von 1793–1795 zu parodieren.« (MEW 8, S. 115)
Trump will die energetische Revolution aufhalten, durch die die bisherigen Bewegungsmaschinerien eine von den fossilen Brennstoffen völlig emanzipierte Form durch reproduktive Energien erhalten werden. Seine Parole »Drill, baby, drill« bedeutet: Die US-Ölkonzerne sollen Öl und Gas fördern (»bohren«), was das Zeug hält. Für seine zweite Amtszeit will er die Verlängerung des fossilen Zeitalters durchsetzen, die Erderwärmung und die ökologischen Katstrophen sind ihm gleichgültig. Daher der erneute Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen. Außerdem hat er die Moratorien seines Amtsvorgängers Biden für Flüssiggas und für die Bohrungen an der Küste rückgängig gemacht und Genehmigungen für Öl- und Gaskonzerne auch in Naturschutzgebieten erweitert.
Gleichwohl hat Trump wenig Bezug zur Wirklichkeit, er verleugnet sie immer wieder. Aber auch er kann der wirklichen Entwicklung nicht entgehen. Er versprach, die Inflation runterzubringen – einer der wichtigsten Gründe, warum er gewählt wurde. Die Finanzmärkte sehen das eher skeptisch. Und wie der Präsident es bewerkstelligen und bezahlen will, zwischen elf und 13 Millionen »illegale Immigranten« außer Landes zu schaffen, kann keiner sagen. Gleichzeitig droht Trump mit dramatischen Zöllen, während die Konjunkturprogramme weiterlaufen sollen, die von Biden verabschiedet worden sind. Und er will zusätzlich die Steuern senken, was die angespannten öffentlichen Finanzen weiter strapazieren wird.
Trumps Wahlsieg war deutlich, aber doch von den Prozentzahlen her doch relativ knapp. Bei den »Popular Vote«, trennten ihn und Kamala Harris mal gerade 1,5%. Das Land ist also tief gespalten, aber Trump war und ist nur Symptom, nicht Ursache der Polarisierung in den USA, hinter der tiefe Interessengegensätze und – schon lange vor dem Aufstieg der sozialen Medien – extrem disparate Realitätswahrnehmungen stehen.
Seit einigen Jahren zieht sich ein Phänomen durch die Politik in den westlichen Demokratien: Die Bevölkerungen werden sehr schnell unzufrieden mit ihren Regierungen, die Amtsinhaber erleiden oft Niederlagen. So unversöhnlich die Frontlinien auch verlaufen – unabänderlich sind sie nicht. Gesellschaften wandeln sich ständig, objektive Interessenlagen können sich ändern.
Was wir etwa gerade beim Thema race erleben, scheint auch einer klassischen Umbruchssituation geschuldet: Der Kampf einer bald nur noch ehemaligen Mehrheitsgesellschaft, die ihren privilegierten Status aggressiv verteidigt. Die tatsächlichen Animositäten zwischen den Hautfarben haben in Wahrheit abgenommen, offener Rassismus ist – Trump zum Trotz – unsagbarer als noch vor Jahrzehnten. Was in den USA gerade verhandelt wird, das ist tatsächlich das Ende der Dominanz des weißen Amerikas.
Das kulturelle Klima in den USA ist in den letzten Jahrzehnten liberaler und toleranter geworden. Ein Thema wie Homosexualität etwa wird von der Republikanischen Partei bei Wahlkämpfen kaum noch angerührt. Die Anzahl der streng religiösen Protestanten geht zurück, wenngleich die Entkirchlichung des Landes weit langsamer voranschreitet als in Europa. So wird sich auch der Kulturkrieg weiter abschwächen.
Kaum ein gesellschaftlicher Fortschritt ist allein im Konsens erfolgt, sondern wurde immer in Widersprüchen und zum Teil gegen scharfe Widerstände erkämpft. Teile der demokratischen Partei haben weitgesteckte Ziele und träumen von der großen Transformation Amerikas und einer radikal anderen Politik. Vor einer Auseinandersetzung oder einem Konflikt mit den Wähler*innen Trumps wird man von dieser Seite aus eher nicht zurückschrecken. So wird die amerikanische Demokratie weiterhin dynamisch bleiben – und dies hoffentlich auch in Zukunft aushalten.
Die aktuelle soziale und politisch-kulturelle Spaltung in den USA ging einher mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 100 Jahren. Polarisierung politisiert eben auch eine Gesellschaft und dies ist der Grund für Hoffnung und Zuversicht zu einer grundlegenden Veränderung.