Alle diejenigen, die an der Diskussion über die strategische Ausrichtung der Partei DIE LINKE interessiert sind und Sozialismus.de noch nicht abonniert haben, sollten es umgehend tun, denn dann erhalten sie das dem November-Heft beigelegte Supplement von Michael Brie »DIE LINKE als sozialistische Klassenpartei« ebenfalls. Diejenigen, die noch zögern, die Argumente des Autors dennoch kennenlernen wollen, können es im Warenkorb des VSA: Verlags für 7.00 € erwerben.

Joachim Bischoff
Ende oder Renaissance sozialistischer Utopien?
Von Engels’ »Anti-Dühring« zum Epochenbruch am Ende des Zeitalters der Erschöpfung
256 Seiten | € 16.80
ISBN 978-3-96488-172-4

Ulrike Eifler (Hrsg.)
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ISBN 978-3-96488-252-3

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Stephan Humbert/Bruno Saar (Hrsg.)
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Claus-Jürgen Göpfert
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80 Jahre »Frankfurter Rundschau«
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ISBN 978-3-96488-233-2

Ingar Solty
Trumps Triumph?
Gespaltene Staaten von Amerika, autoritärer Staatsumbau, neue Blockkonfrontation
Eine Flugschrift
120 Seiten | € 12.00
ISBN 978-3-96488-238-7

6. Oktober 2025 Holger Politt: Die Ergebnisse der Parlamentswahlen in Tschechien

Andrej Babiš will das Land regieren

Infolge der Parlamentswahlen vom 3./4. Oktober wird das bislang liberale Tschechien deutlich nach rechts schwenken. Die Partei des Unternehmers Andrej Babiš gewann die Wahl. Dieser dürfte erneut – wie schon in den Jahren 2017 und 2921 – Ministerpräsident werden.

In Prag sind lange Wahlabende unbekannt. Die Wahllokale schließen am letzten der beiden Wahltage bereits um 14 Uhr, anschließend wird gezählt, auf Prognosen und Hochrechnungen wird verzichtet, der Zuschauer ist sozusagen live dabei, wenn die Zahlen aus den einzelnen Wahllokalen eintreffen. Nach 17 Uhr stehen die Gewinner und Verlierer fest, nichts wird sich in der dunklen Nachtstunde danach noch ändern. Auf Tschechien kommt nun eine Rechtsregierung zu, wie es sie noch nie gegeben hat.

Ein strahlender Andrej Babiš ließ sich als triumphierender Sieger feiern, die erreichten 34,5% der abgegebenen Wählerstimmen für die von ihm geführte ANO sind ein beachtliches Ergebnis, denn nur selten gelingt es in Tschechien einer einzelnen Partei, die 30-Prozent-Marke zu überspringen. Die bisher amtierende liberal-konservative Regierungskoalition unter Ministerpräsident Petr Fiala kam zusammengerechnet aber auch auf 34,6% (23,4% für SPOLU und 11,2% für STAN) der abgegebenen Stimmen.

Babiš wird in der 200-köpfigen Abgeordnetenkammer allerdings 80 Sitze haben, die bisherige Regierung kommt auf 74. Rechnet das bisherige Regierungslager die Piratenpartei hinzu, die mit 9% der abgegebenen Stimmen auf 18 Sitze kommt, reicht es zusammen für lediglich 92 Sitze. Babiš hingegen greift auf die Angebote zweier kleinerer Rechtsgruppierungen zurück, die es zusammen noch einmal auf 28 Sitze bringen, was mit 108 Sitzen eine recht komfortable Regierungsmehrheit ergäbe. Doch der Sieger schockte am Wahlabend zunächst alle mit einer handfesten Überraschung! ANO wolle alleine regieren!

Der liberale Staatspräsident Petr Pavel, der den künftigen Ministerpräsidenten und später dessen Regierung berufen wird, hatte noch vor den Wahlen erklärt, keinen Minister zu ernennen, der einen Austritt aus NATO und EU fordere. Babiš bräuchte für eine mehrheitsfähige Koalitionsregierung die nationalistische Partei SPD (Freiheit und direkte Demokratie), die ihre Wählerschaft u.a. mit dem Versprechen an die Wahlurne lockte, ein Referendum über die Mitgliedschaft in der EU – diesem bürokratischen Monster – anzustreben.

Sie lockte mit ihrer EU-feindlichen Position immerhin 7,8% der abgegebenen Stimmen, was 15 Sitze ausmacht. Plötzlich heißt es dort aber, das Hauptziel sei die Entmachtung der Fiala-Regierung, alles andere stünde dem nach, die Partei sei verhandlungsbereit. Eine Regierungsmehrheit bräuchte dann noch die Partei der Motorisierer, ein zusammengewürfelter Männerhaufen mit klarer Rechtsauslegung, der im Kern gegen die EU-Klima- und Wirtschaftspolitik gerichtet ist, um Tschechiens Autoindustrie vor den Zerstörern aus Brüssel zu retten. Die Partei erhielt 6,8% der abgegebenen Stimmen und 13 Sitze.

Der Schachzug des Ministerpräsidentenkandidaten am Wahlabend, forsch den Anspruch auf eine Allein- und Minderheitsregierung zu stellen, wurde durch den überraschenden Nichteinzug der Partei Stačilo! (Es reicht!) befördert. Kurz vor den Wahlen hatte die Partei nach den Umfragen noch bei 7% oder 8% gelegen, doch reichten die 4,3% der abgegebenen Stimmen nicht, um ins Parlament einzuziehen. Im Kern ist Stačilo! ein Zusammenschluss von Kommunisten und Sozialdemokraten, beide Parteien waren im Herbst 2021 aus der Abgeordnetenkammer geflogen. Auch wenn der Vergleich hinken sollte, so lässt sich Stačilo! ganz gut mit der Wagenknecht-Richtung vergleichen. Scharfe Kritik der staatlichen Maßnahmen während der Corona-Pandemie, umfassende Migrationskritik, tiefergehende EU-Skepsis, entschiedene NATO-Feindschaft, auffälliger Schulterschluss mit Moskau während des Ukrainekriegs, Forderung nach sofortiger Wiederaufnahme der Rohstofflieferungen aus Russland – also kurzum: ein Wagenknecht-Verschnitt! Auf keinen Fall ein erkennbares linkes Profil – nicht Fisch, nicht Fleisch. Ein gutes Drittel der potenziellen Wählerschaft von Stačilo! dürfte an der Wahlurne ANO gewählt haben. »Tschechien zuerst!« mit der Aussicht auf die Regierungsmacht zog eben mehr als das protestierende »Es reicht!«. Babiš gewann gegenüber den Vorwahlprognosen 3 Prozentpunkte, Stačilo! verlor sie.

Babiš kommt zurück, aber er ist in der Zwischenzeit deutlich nach rechts geschwenkt. Als Ministerpräsident von 2017 bis 2021 hatte der Unternehmer und Milliardär den Kurs zwar immer rechtsblinkend gehalten, aber noch ankerte das ANO-Boot in einem weit gefassten liberalen Feld. Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren, längst hat sich Babiš dem nationalkonservativen Lager und Kurs von Viktor Orbán oder Marie Le Pen angegliedert, also nicht nur angenähert. Allein die Tatsache, dass Ungarns Ministerpräsident nun ausgerechnet in Prag einen ebenfalls »illiberal« tickenden Amtskollegen an seiner Seite haben wird, zeigt, wie sehr das politische Kräftespiel innerhalb der EU in Bewegung gerät.

Als Wladimir Putin im Februar 2022 den militärischen Angriff auf die Ukraine befahl, war Viktor Orbán in der sogenannten Visegrád-Gruppierung von Ungarn, Polen, der Slowakei und Tschechien wegen der Haltung zu Moskau und Kyjiw ein isolierter Mann. Jetzt wären in der Vierergruppe unter den Führungsleuten (Ministerpräsidenten und Präsidenten) plötzlich Polens Ministerpräsident Donald Tusk und Tschechiens Präsident Pavel die letzten beiden überzeugten Unterstützer der Ukraine! Robert Fico, der Ministerpräsident der Slowakei, hat Babiš bereits aufgefordert, nach dem Amtsantritt tüchtig mitzutun, um das zuletzt eingeschlafene Viererbündnis wieder flott zu machen.

Den potenziellen oder künftigen Koalitionspartnern daheim macht Babiš folgenden Vorschlag: Wir seien uns einig, dass wir den Euro ablehnen, dass wir schnell eine Alternative zur teuren EU-Energie suchen, dass wir die Aufhebung des EU-weiten Stopps für den Verbrennungsmotor fordern, dass wir den Green Deal ablehnen, dass wir Emissionsbeschränkungen ablehnen. Babiš baut bereits vor, denn selbst bei einer tolerierten Minderheitsregierung braucht er festen Grund, auf den man sich einigen muss.

Eine Regierungsbildung ohne Babiš ist ausgeschlossen. Sollten die Bemühungen um eine rechtsdrehende Dreierkoalition (oder zumindest Tolerierung) scheitern, stünde Babiš plötzlich wieder vor dem Nichts. Babiš ist der klare Wahlsieger, keine Frage, aber die scharfe Polarisierung, die er in den Wahlkampf getragen hat – hier wir, die wir Tschechien wieder auf Kurs zu bringen haben, dort die abzuwählende, weil gegen die tschechischen Interessen gerichtete Fiala-Regierung –, rächte sich dann auf ihre Weise.

Holger Politt arbeitet als Publizist in Warschau, im Frühjahr 2025 erschien von ihm im VSA: Verlag »Westwind in östlichem Gelände. Kritische Einwürfe zur osteuropäischen Friedensfrage«.

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