Hajo Funke
AfD-Masterpläne
Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie | Eine Flugschrift
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Eine Flugschrift
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Den Krieg verlernen
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Frank Deppe
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Peter Wahl
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

14. Januar 2020 Joachim Bischoff/Gerd Siebecke: Weitere Deeskalation im Handelskrieg

China nicht mehr »Währungsmanipulator«

Die Einstufung Chinas als Währungsmanipulator wurde seitens der USA zurückgenommen. Dies gab das US-Finanzministerium bekannt, das seinen halbjährlichen Bericht über die Währungspolitik der wichtigsten amerikanischen Handelspartner dem Kongress übergeben hat.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass derzeit kein Land als Währungsmanipulator gilt. Der Schritt ist ein weiteres Zeichen der Entspannung im seit fast zwei Jahren währenden Konflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Bereits Mitte Dezember hatten sich beide Länder nach monatelangem Gezerre auf erste Punkte für ein Abkommen in ihrem anhaltenden Handelsstreit geeinigt.

Das begrenzte Teilhandelsabkommen soll am Mittwoch in Washington unterzeichnet werden. Unter anderem sagt China zu, mehr US-Güter zu importieren und geistiges Eigentum zu respektieren. Die USA verzichten auf neue Strafzölle und senken teilweise vorhandene Zölle.

Der offizielle US-Vorwurf der Währungsmanipulation war eine nicht begründete politische Konfrontation. Dessen Aufhebung hat zwar kaum praktische Konsequenzen, lässt aber auf weiteres Tauwetter in den Beziehungen zwischen Peking und Washington hoffen. In dem Bericht der US-Regierung heißt es, China habe »durchsetzbare Zusagen gemacht, von einer Abwertung des Wettbewerbs Abstand zu nehmen« und erkläre sich bereit, relevante Daten über Wechselkurse und Außenhandelsbilanzen als Teil einer ersten Handelsvereinbarung zu veröffentlichen.

China solle jedoch weitere entscheidende Schritte zur Vermeidung einer anhaltend schwachen Währung gehen und eine größere Marktöffnung ermöglichen. Finanzminister Steven Mnuchin wird mit der Begründung zitiert, dass China im Rahmen des Phase-1-Handelsabkommens mit den USA durchsetzbare Verpflichtungen zum Verzicht auf kompetitive Abwertungen eingegangen sei. China wolle zudem besser Rechenschaft über seine Währungspolitik ablegen und mehr Transparenz schaffen.

Vorausgegangen war, dass die US-Regierung der Volksrepublik im August erstmals seit 25 Jahren wieder offiziell vorgeworfen hatte, die Landeswährung Yuan zu manipulieren und sich damit auf unfaire Weise Vorteile im Welthandel zu verschaffen. Die Abwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar würde Chinas Exporte billiger machen und die negativen Effekte der US-Strafzölle ausgleichen. Ein Hintergrund ist, dass sich der Yuan-Kurs nicht gänzlich frei nach Marktkräften bewegt, sondern von Chinas Notenbank in Grenzen gesteuert wird.

Mit der Unterzeichnung des Handelsdeals stehen die Zeichen auf Deeskalation, die durch Rücknahme des Vorwurfs der Währungsmanipulation unterstrichen wird. Chinas Regierung begrüßte die Rücknahme des Vorwurfs, verwies jedoch zugleich darauf, dass die USA damit international ohnehin allein dagestanden hätten. Die Nachrichten sorgten für Optimismus und gaben dem Yuan prompt Aufwind.

Dennoch gibt es keine wirkliche Entspannung, weil vieles unklar ist und ein Großteil der gegenseitigen Strafzölle erhalten bleibt. Der Handel zwischen den USA und China ist im vergangenen Jahr um 14,6% eingebrochen, wie der chinesische Zoll mitteilte. Chinas Importe aus den USA sackten sogar um 20,9% auf 122 Milliarden US-Dollar ab, während Chinas Exporte in die USA um 12,5% auf 418 Milliarden US-Dollar zurückgingen.

Dies spiegelt sich auch in Chinas Handelsbilanz. Nach zwei Jahren mit zweistelligen Zuwachsraten fiel Chinas Außenhandel mit der gesamten Welt 2019 erstmals um ein Prozent. Die Exporte legten insgesamt nur leicht um 0,5% zu und die Importe fielen um 2,8%. Einziger Lichtblick: Zum Jahresende erholte sich der Außenhandel und stieg im Dezember um 11,3% im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Obwohl die erste Teileinigung im Handelsstreit viele Probleme nicht löst, wird sie von vielen Experten begrüßt. »Gleichwohl ist das Abkommen noch immer unzureichend, denn ein Verzicht auf weitere Zölle und ein wenig Kosmetik sind eben noch kein echter, tiefgreifender Handelsvertrag«, sagte Martin Braml vom ifo-Institut in München. Und für Max Zenglein vom China-Institut in Berlin verhindert »die Vereinbarung … zumindest eine unmittelbare Eskalation«. Allerdings stecke der Teufel stecke im Detail: »Die Tragweite des Deals wird sich erst im Laufe des Jahres zeigen, wenn es um die eigentliche Umsetzung geht.« Deshalb sollten »vermeintliche Fortschritt« nicht überinterpretiert und es müsse mit neuem Streit gerechnet werden.

US-Beamte versuchen allerdings bereits jetzt, das Abkommen und den US-Dealmaker mit Blick auf den Präsidentschaftswahlkampf ins rechte Licht zu rücken. Denn China soll nach US-Angaben versprochen haben, seine Importe aus den USA über zwei Jahre um 200 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Davon sollen mindestens 40 Milliarden US-Dollar den US-Landwirten zugutekommen – einer wichtigen Wähler*innengruppe für US-Präsident Trump.

Ferner soll die Volksrepublik für rund 75 Milliarden US-Dollar Industrieerzeugnisse, darunter möglicherweise auch Autos und Flugzeuge, kaufen, für weitere 50 Milliarden US-Dollar in den USA Energie beschaffen und zusätzlich 35 bis 40 Milliarden US-Dollar in Dienstleistungen stecken. Bisher fehlt zwar noch die Bestätigung aus Peking, im Phase-1-Abkommen müsste dies jedoch sichtbar werden.

Der Streit mit China ist sicher mehr als ein Handelskonflikt. Die Vereinigten Staaten erwarten eine grundsätzlich andere Wirtschaftspolitik von China, wollen bessere Zugänge zum chinesischen Markt, größere Spielräume für US-Unternehmen dort und kein Abgreifen ihres technischen Know-hows. Letztlich besteht die Absicht der rechtsnationalistisch agierenden US-Administration unter Donald Trump darin, Chinas Aufstieg zu einer führenden Macht zu blockieren oder zumindest zu verlangsamen.

Ein wichtiger Punkt des Konflikts ist die Frage nach der Sicherheit bei der Infrastruktur der schnellen 5G-Mobilfunknetze. Die USA haben den chinesischen Huawei-Konzern, dem sie eine zu große Nähe zur Staats- und Parteiführung in Peking vorwerfen, als Netzwerk-Anbieter weitgehend von ihrem Markt verbannt. Bei den westlichen US-Verbündeten wird dagegen noch immer darüber diskutiert, ob es nicht doch einen Weg gibt, mit dem chinesischen Konzern weiter zusammenzuarbeiten.

»Die Frage ist am Ende: Kann man Arbeitsteilung mit Ländern vorantreiben, denen man nicht vertraut?«, gibt der Ökonom Gabriel Felbermayr zu bedenken. Die Auswirkungen für die globalen Lieferketten wären dramatisch, unterstreicht der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft: »Wenn Amerika keine Chips mehr an China liefert, dann können die Handyproduzenten dort dichtmachen. Und wenn die Chinesen keine seltenen Erden mehr liefern, steht beim deutschen Merck-Konzern die Produktion für die Bestandteile von iPhone-Displays still. Und so weiter.«

Im Gegenzug für die sich abzeichnende Einigung verzichteten die USA bereits im Dezember auf die Verhängung angedrohter neuer Strafzölle auf Konsumgüter im Wert von 150 Milliarden US-Dollar. Die bereits seit 2018 verhängten Sonderabgaben von 25% auf Waren im Wert von 250 Milliarden Dollar sollen allerdings bestehen bleiben. Weitere Zölle in Höhe von 15% auf chinesische Waren im Wert von 120 Milliarden US-Dollar sollen jedoch halbiert werden.

US-Präsident Trump sieht die Strafzölle als Trümpfe für die zweite Phase der Verhandlungen. Trotz seiner anfangs vollmundig verkündeten Pläne, schnell einen »großen Deal mit China« abzuschließen, hat er es offenbar nicht mehr eilig. Auch Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping geht von einer langwierigen Auseinandersetzung aus und spricht gegenüber der chinesischen Partei- und Staatführung von einem neuen »langen Marsch«.

Ob nach der Unterzeichnung des Phase-1-Abkommens der Entspannungsprozess weitergeht, wird sich auch bei den regelmäßigen Gesprächen zu wirtschaftlichen Konflikt-Themen zeigen, die die Weltmächte vereinbart haben. Diese seien als hochrangiges Forum für Gespräche zwischen den beiden weltgrößten Volkswirtschaften angelegt.

Solche Konsultationen hatten bereits unter US-Präsident George W. Bush begonnen, sein Nachfolger Barack Obama hatte sie fortgeführt. Kritiker hatten aber wiederholt bemängelt, die Treffen benötigten viel Aufwand und brächten wenig Ertrag. Donald Trump hatte sie zwischenzeitlich nicht weiterverfolgt, sondern war einen konfrontativen Weg gegangen, der zur Verhängung von Strafzöllen, Gegenzöllen und letztlich auch zu einer Belastung der Weltwirtschaft führte.

Trotz aller Entspannungssymbolik und -rhetorik ist davon auszugehen, dass die Chinesen ihre Industriepolitik und das Wirtschaftssystem nicht ändern werden. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping wird sich weiter auf das Wirtschaftswachstum und den Ausbau der chinesischen Vorherrschaft in den Bereichen Technologie, Künstliche Intelligenz oder E-Mobilität konzentrieren.

Bereits in den Verhandlungen wurde deutlich, wie viel größer Chinas Selbstbewusstsein in den vergangenen Jahren geworden ist. Eine grundsätzliche Einigung in dem Konflikt ist nicht zu erwarten, die Auseinandersetzung zwischen beiden Ländern bleibt eine politische Gratwanderung.

Der Systemwettbewerb zwischen Kapitalismus und sozialistischer Marktwirtschaft chinesischer Prägung wird fortgeführt. Sofern er in der für die Welt erträglichen Formen ausgetragen werden soll, muss die USA auf die Förderung eines Systemchange verzichten. Und Chinas Partei-und Staatsführung kann unter der Bedingung dieser Form friedlicher Koexistenz beweisen, dass die Armut im Land weitestgehnd beseitigt werden kann und immer mehr Menschen sich einen akzeptablen Wohlstand erarbeiten können.

Um dieses Ziel für 2020 zu erreichen, müsste Chinas Wirtschaft um mindestens 6% wachsen. Die Wirtschaft des Landes soll doppelt so groß werden wie noch vor zehn Jahren – mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von mehr als 10.000 US-Dollar. Es ist ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zu einer technologischen Supermacht, zu der das Land bis 2049 – dem hundertsten Geburtstag der Volksrepublik – aufgestiegen sein will. Ohne eine strukturelle Weiterentwicklung der Ökonomie und auch des politischen Überbaus in Richtung von mehr demokratischer Beteiligung dürfte sich diese Zielsetzung allerdings nicht realisieren lassen.

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