Trumps Triumph?
Dienstag, 21. Januar 2025 | Berlin | 19:00 Uhr | RLS, Straße der Pariser Kommune 8A (auch Online)
Ingar Solty wird im Gespräch mit der Professorin für Politikwissenschaft Margit Mayer die Thesen seiner Anfang Februar erscheinenden Flugschrift zu den Folgen der US-Präsidentschaftswahlen vorstellen.

Rudolf Hickel
Schuldenbremse
oder »goldene Regel«?

Verantwortungsvolle Finanzpolitik für die sozial-ökologische Zeitenwende | Eine Flugschrift
96 Seiten | € 12.00
ISBN 978-3-96488-226-4

Christoph Scherrer/
Ismail D. Karatepe (Hrsg.)
Arbeit in der Lieferkette
Miserable Arbeitsbedingungen auf See und in den Häfen
192 Seiten | € 18.80
ISBN 978-3-96488-220-2

Peter Renneberg
Handbuch Tarifpolitik und Arbeitskampf
5., aktualisierte Ausgabe
232 Seiten | € 19.80
ISBN 978-3-96488-224-0

Hans-Jürgen Urban (Hrsg.)
Gute Arbeit gegen Rechts
Arbeitspolitik: Theorie, Praxis, Strategie – Ausgabe 2024
136 Seiten | EUR 10.00
ISBN 978-3-96488-225-7

Torsten Teichert
Die Entzauberung
eines Kanzlers

Über das Scheitern der Berliner Politik | Eine Flugschrift
108 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-216-5

17. Juli 2023 Joachim Bischoff: Zögerliche Konsumausgaben und fragile Zukunftsaussichten

Chinas Ökonomie schwächelt

Nachdem im Dezember 2022 die Volksrepublik China strengen Corona-Beschränkungen aufgehoben hatte, erholte sich die Wirtschaft zunächst deutlich. Seither jedoch hat sich die Erholung deutlich abgekühlt.

Die Dynamik der hat im zweiten Quartal erheblich an Schwung verloren. Die Daten signalisieren, dass Chinas Nach-Corona-Boom vorbei ist. Wir sehen einen schwachen und stockenden Aufschwung. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum wuchs die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zwar mit 6,3% so kräftig wie seit zwei Jahren nicht mehr.

Allerdings hatten ein Jahr zuvor die Lockdowns in der Wirtschaftsmetropole Shanghai und anderen Großstädten das Ergebnis stark gedämpft. Das Plus spiegelt deshalb in erster Linie das schwache Wachstum des Vorjahrs, als das Wachstum infolge des Lockdowns in Shanghai nur 2,5% betrug. Tatsächlich legte die Wirtschaft im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Jahres nur um 0,8% zu. Die Prognose der Planökonomen von 7,3% wurde klar verfehlt.

Neben den BIP-Zahlen wurden eine Reihe weiterer Konjunkturdaten für Juni veröffentlicht. Die Umsätze im Einzelhandel stiegen im Juni um 3% gegenüber Mai, etwas weniger als prognostiziert. Die Industrieproduktion legte um 4,4% gegenüber dem Vormonat zu und damit stärker als erwartet.

Im Frühjahr hatten die Wirtschaftsplaner ein Wachstumsziel von rund 5% für 2023 ausgegeben. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft des Landes infolge zahlreicher Lockdowns und anderer Coronabeschränkungen lediglich um 3% gewachsen statt wie geplant um 5,5%. Es war nach 2020 der schwächste Wert seit der Reform- und Öffnungspolitik Ende der 1970er Jahre. 

Vor allem die Abriegelung der Wirtschaftsmetropole und Logistikdrehscheibe Shanghai hatte 2022 im In- und Ausland für Sorgenfalten gesorgt. Die 25 Mio. Bewohner*innen waren teilweise mehr als zwei Monate in ihren Wohnungen eingesperrt, Fabriken standen still, globale Lieferketten rissen.


Chinas private Haushalte zögern bei Konsumausgaben

Die Hoffnung, die chinesischen Haushalte würden ihre Corona-Ersparnisse nach dem Ende der Restriktionen freudig ausgeben und so die anschieben, hat sich nicht erfüllt. Der Zuwachs bei den Konsumausgaben fällt geringer aus. Der Einzelhandelsumsatz wuchs im Juni nur noch um 3,1%, nachdem er im Mai noch um 12,7% zulegte. Die Einlagen der Haushalte stiegen Daten der Zentralbank zufolge im ersten Halbjahr weiter auf umgerechnet 2,5 Bio. US-Dollar.

Ein weiterer wichtiger Grund für die Vorsicht ist die anhaltende Krise auf dem Immobilienmarkt, der etwa ein Viertel der Wirtschaft ausmacht. Berechnungen zufolge brachen die Immobilieninvestitionen im Juni um 20,6% zum Vorjahresmonat ein, nach minus 21,5% im Mai. Der Versuch der chinesischen Staatsführung, die dortigen Kreditexzesse einzudämmen, hat zu massiven Verwerfungen in der Branche geführt. Viele Chines*innen fürchten deshalb nun um ihr Erspartes, denn Schätzungen zufolge stecken rund drei Viertel des Privatvermögens in Immobilien. Diese Investitionen in Eigentumswohnungen waren über Jahrzehnte hinweg ein wichtiger Wachstumstreiber der chinesischen Volkswirtschaft.

Wichtig für die geringe Akkumulationsdynamik: die Abkühlung der Weltwirtschaft, die Chinas Exportwirtschaft zunehmend zu spüren bekommt. Bislang waren die Exporte eine wichtige Stütze für die chinesische Wirtschaft. Der Exportweltmeister leidet vor allem unter der schwächelnden Nachfrage im Ausland, befinden sich doch wichtige Absatzmärkte wie Deutschland in einer Rezession.

Als Grund für den starken Rückgang der chinesischen Exporte gilt vor allem die schwache Dynamik auf den Weltmärkten. Hohe Inflation, gestiegene Zinsen und hohe Energiepreise infolge des Krieges in der Ukraine belasten zudem die Nachfrage nach Produkten »Made in China«.

Die Importschwäche ist auf den schwachen Binnenmarkt der Volksrepublik zurückzuführen. Dort bleibt der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Ende der Corona-Pandemie hinter den Erwartungen zurück. Im Juni brachen die Ausfuhren deshalb so stark ein wie seit Ausbruch der Coronapandemie vor über drei Jahren nicht mehr. Sie sind im Juni um mehr als 12% geringer ausgefallen. Und bislang kann die fehlende Nachfrage aus dem Ausland nicht durch einen steigenden inländischen Verbrauch ersetzt werden.

Auch für die Preisentwicklung hat dies Folgen. Denn während viele westliche Volkswirtschaften derzeit unter einer hohen Inflation leiden, stagnierten die Verbraucherpreise in China zuletzt. Die Erzeugerpreise sanken sogar. Dadurch wächst die Sorge vor einer Deflation.

Denn wenn Unternehmen und Verbraucher*innen davon ausgehen, dass die Preise weiter sinken, schieben sie Anschaffungen und Investitionen noch weiter auf. Das kann zu einer negativen Preisspirale aus sinkenden Investitionen, sinkenden Umsätzen und sinkenden Löhnen führen, fürchten Expert*innen. Allerdings fällt auf, dass die Verbraucher*innenausgaben nach wie vor steigen. Davon profitierten der Einzelhandel und die Tourismusindustrie. Und auch im verarbeitenden Gewerbe haben die Umsätze den dritten Monat infolge zugelegt.

Hinzu kommt, dass die Staatsführung mit tiefgreifenden regulatorischen Eingriffen die zuvor weitgehend unreguliert gewachsenen Tech-Konzerne des Landes stark verunsichert hat. Zuletzt mehrten sich immerhin die Anzeichen auf ein Ende der Regulierungswelle in dem innovativen Sektor.

Nicht nur in Peking wächst die Sorge vor einer anhaltenden Schwächephase: Die Zahlen beunruhigen zugleich Regierungen und Unternehmen in aller Welt. Ökonom*innen erwarten, dass die fehlende Dynamik des Landes das globale Wachstum weiter unter Druck setzen wird.


Erwartungen Konjunkturmaßnahmen und Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit

Die enttäuschenden Daten und die zunehmenden Deflationssorgen dürften nun Forderungen nach einem Konjunkturprogramm lauter werden lassen. Bislang waren den Ankündigungen zur Stützung der Wirtschaft nur punktuelle Maßnahmen gefolgt. Aber die meisten Expert*innen sind davon überzeugt, dass sich der Kern der chinesischen Wirtschaft erholt. Sie warnen deshalb vor Erwartungen an ein großes Konjunkturpaket. Ein solches wäre nicht nur teuer für die Staatsfinanzen, die Unternehmen würden auch nach wie vor signalisieren, dass es nicht notwendig sei. So hätten die jüngsten geldpolitischen Lockerungen »nicht viel bewirkt«. Und während früher die Staatsführung die Wirtschaft oft mit Infrastrukturprojekten angeschoben hat, gebe es inzwischen immer weniger sinnvolle Investitionsmöglichkeiten.

An Finanzressourcen mangele es nicht, was die hohe Sparquote belegt. Entscheidend sei, dass die chinesischen Verbraucher*innen und Unternehmen aus dem In- und Ausland wieder Vertrauen fassen und ihr Geld ausgeben. Wenn Chinas Privatwirtschaft die nötigen Freiräume erhalte, werde sie auch künftig für Wachstum sorgen. 

Das ist Expert*innen zufolge auch die Voraussetzung für eine Erholung auf dem Arbeitsmarkt. Trotz des offiziellen Wachstums von 5,5% im ersten Halbjahr sind bislang zu wenige neue Jobs entstanden. Zwar stagnierte die offizielle Arbeitslosenlosenrate auf niedrigem Niveau bei 5,2%. Doch die hohe Jugendarbeitslosigkeit bereitet der Staatsführung zunehmend Sorgen. Allein im Juni drängten mehr als elf Mio. Uni-Absolvent*innen auf den angespannten Arbeitsmarkt, so viele wie noch nie. 

Jedes Wirtschaftswachstum, das nicht dazu beitrage, das Beschäftigungsproblem zu lösen, könne »nicht als effektives Wachstum angesehen werden«. Um neue Arbeitsplätze, vor allem für junge Menschen zu schaffen, müsse sich das Marktumfeld für die Privatwirtschaft verbessern, insbesondere für Tech-Unternehmen und Dienstleister. Denn kleine und mittelständische Privatunternehmen sorgen in China für rund 80% aller Arbeitsplätze in den Städten. Sie haben besonders stark unter der strikten Null-Covid-Politik mit ihren unberechenbaren Lockdowns gelitten.

Expert*innen erwarten jetzt, dass die Behörden wahrscheinlich weitere Stimulierungsmaßnahmen ergreifen werden, darunter Steuerausgaben zur Finanzierung großer Infrastrukturprojekte, mehr Unterstützung für Verbraucher*innen und Privatunternehmen sowie eine gewisse Lockerung der Investitionen im Immobiliensektor.


Fragile Akkumulationsdynamik

Die Daten signalisieren, dass Chinas Nach-Corona-Boom eindeutig schwach geblieben ist. Wir sehen einen schwachen und stockenden Aufschwung. Nach einem überraschend starken Start ins Jahr ist die Euphorie innerhalb der chinesischen Wirtschaft verflogen. Viele der bekannten ökonomischen Probleme bleiben weiterhin akut: Die exportgetriebene Volkswirtschaft leidet unter der derzeit schwachen globalen Nachfrage, einem kriselnden Immobilienmarkt sowie der anhaltenden Schwäche des Binnenkonsums. Hinzu kommen auch die geopolitischen Spannungen mit den Vereinigten Staaten, die China mit technologischen Sanktionen belegt haben.

Mittlerweile scheint sogar fraglich, ob die chinesische Regierung ihr selbst ausgegebenes Wachstumsziel von 5% für das Jahr 2023 noch erreichen wird. China benötigt für den Rest des Jahres nun »eine ordentliche Wachstumsbeschleunigung«. Bislang jedoch zeichnet sich diese keineswegs ab.

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