19. Juni 2015 Joachim Bischoff/Bernhard Müller
Dänemark: dramatischer Rechtsruck
Bei den dänischen Parlamentswahlen hat sich das Mitte-Rechts-Lager von Oppositionsführer Lars Lökke Rasmussen durchgesetzt. Sein Bündnis kam nach Auszählung aller Stimmen auf 90 Mandate im 179 Sitze zählenden Parlament und damit auf eine Mehrheit. Die sozialdemokratische Ministerpräsidenten Helle Thorning-Schmidt räumte ihre Niederlage ein und kündigte noch in der Nacht ihren Rücktritt als Regierungschefin und Vorsitzende der Sozialdemokraten an. Ihre Partei hatte sich zwar als stärkste Kraft behaupten können, doch verloren die Juniorpartner der Regierungskoalition massiv an Rückhalt.
Die Wahlbeteiligung lag mit 85,8% niedriger als 2011, als 87,7% der wahlberechtigten BürgerInnen ihre Stimme abgaben, liegt damit immer noch in einer Größenordnung, von der die meisten anderen europäischen Länder nur träumen können.
Bemerkenswert am Ergebnis dieser Wahlen ist vor allem, dass die rechtspopulistische Dänische Volkspartei zur zweitstärkste politischen Partei aufgestiegen und im bürgerlichen Lager sogar stärkste politische Kraft geworden ist. Sie erreichte 21,1% der Stimmen, was einem Plus von 8,8% bzw. 22 Mandaten entspricht und trug damit entscheidend dazu bei, dass der »blaue Block« mit 52,3% die Nase vorn hatte. Die Liberale Partei (Venstre) von Lökke Rasmussen verlor dagegen bei einem Stimmenanteil von 19,5% 7,2% bzw. 13 Mandate und musste sich hinter den Rechtspopulisten einreihen. Sie erreichte damit ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 25 Jahren.
Dänemark: Folketingswahlen 20151)
Partei | Stimmen | Prozent | +/- % | Sitze | +/- Sitze |
Liberale Partei | 684.521 | 19,5 | -7,2 | 34 | -13 |
Dänische Volkspartei | 741.539 | 21,1 | 8,8 | 37 | 15 |
Liberale Allianz | 264.489 | 7,5 | 2,5 | 13 | 4 |
Konservative | 118.032 | 3,4 | -1,5 | 6 | -2 |
Christdemokraten | 29.166 | 0,8 | 0 | 0 | 0 |
Sozialdemokraten | 925.636 | 26,3 | 1,5 | 47 | 3 |
Sozialliberale | 160.697 | 4,6 | -4,9 | 8 | -9 |
Sozialistische Volkspartei | 148.056 | 4,2 | -5 | 7 | -9 |
Einheitsliste | 273.937 | 7,8 | 1,1 | 14 | 2 |
Die Alternative | 168.619 | 4,8 | 4,8 | 9 | 9 |
1) Landesweites Resultat ohne Färöer und Grönland
Auch innerhalb des Mitte-Links-Blocks hat es bedeutsame Verschiebungen gegeben. So konnte die Sozialdemokratie ihr 2011 erreichtes schlechtestes Wahlresultat der Nachkriegszeit von 24,8% leicht auf 26,3% verbessern. Auch die rot-grüne Einheitsliste erreichte mit 7,8% ein Plus von 1,1%. Dagegen mussten die früheren Koalitionspartner der Sozialdemokraten, die Sozialliberalen (Radikale Vernstre; 4,6%=-4,8%) und Sozialistische Volkspartei (die 2014 aus der Regierung ausgeschieden ist; 4,2%=-5,0%) dramatische Verluste hinnehmen. Die Zugewinne von Sozialdemokraten, Einheitsliste und der aus einer Absplitterung der Sozialliberalen hervorgegangene Partei Die Alternative, die auf 4,8% der Stimmen kam, konnten diese Verluste nur teilweise ausgleichen. Mit 175 Mandaten (ohne Färöer und Grönland) ist der »rote Block« deutlich auf den Oppositionsbänken gelandet.
Im Wahlkampf haben neben den Themen Wirtschaft und Sozialausgaben vor allem die von den Rechtspopulisten in den Vordergrund gerückten Themen wie Einwanderung und EU-Kritik eine große Rolle gespielt. Auch Liberale Partei und die Sozialdemokraten sprangen auf den von den Rechtspopulisten gesteuerten Zug auf und setzten in ihren Kampagnen auf eine restriktivere Asylpolitik, wetteiferten darum, wer mehr Flüchtlinge aus Dänemark fernhalten könnte. Für viele Dänen bestätigten sie damit offenbar zwei Dinge: Dass Menschen, die in Dänemark Hilfe suchen, dem Land schadeten. Und dass die Dänische Volkspartei offenbar schon immer recht in diesem Punkt gehabt hat. Eine verheerende Botschaft, die sicher noch viele Verlierer hervorbringen wird.
Die Dänische Volkspartei forderte die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu Nachbarstaaten wie Deutschland. Dies stößt jedoch vielen EU-Staaten sauer auf, die dadurch die vom Schengener Abkommen verbriefte Freizügigkeit in Gefahr sehen.
Vor der Wahl zeigten der Oppositionsblock auch Sympathien für die Bemühungen des britischen Premierministers David Cameron um eine EU-Reform. Nach dem Machtwechsel kamen daher Spekulationen auf, dass auch Dänemark losere Bande zur Europäischen Union anstreben könnte.
Neuer Regierungschef wird aller Voraussicht nach der Wahlverlierer Lökke Rasmussen, weil er die Rückendeckung der meisten Oppositionsparteien hinter sich weiß. »Vor vier Jahren gaben wir die Schlüssel zum Ministerpräsidentenbüro her«, erklärte er vor seinen Anhängern in Kopenhagen. »Ich sagte schon damals, dass er nur geliehen ist.« Lökke Rasmussen hatte das Amt von 2009 bis 2011 inne. Aber egal, ob die Rechtspopulisten der Dänischen Volkspartei nach ihrem Wahlerfolg sich an der Regierung beteiligen oder sie nur unterstützen, klar ist, dass sie maßgeblichen Einfluss auf die Politik des bürgerlichen Lagers nehmen und ihr einen fremdenfeindlichen und europakritischen Stempel aufdrücken werden. Dies auch, weil die Mehrheit des »blauen Blocks« nach Einrechnung der Resultate von Färöer und Grönland äußerst knapp ist.
Mit dem herausragenden Wahlergebnis der Dänischen Volkspartei setzt sich der Siegeszug des Rechtspopulismus und damit die Verschiebung des politischen Koordinatenkreuzes nach rechts in Europa weiter fort.1 Nach den Erfolgen bei den Europawahlen und etlichen Landes- und Regionalwahlen (u.a. Schweden, Thüringen, Brandenburg) haben diese Parteien mit ihrer nationalistischen und fremdenfeindlichen Agenda auch in diesem Jahr in vielen Ländern ihren politischen Einfluss deutlich ausbauen können. So bei den Regionalwahlen in Frankreich, den Nationalwahlen in Finnland (wo sie jetzt an der Regierung beteiligt sind), Großbritannien und Polen. Bei zwei Landtagswahlen in Österreich Ende Mai hat die FPÖ mit ihrer ausländerfeindlichen Kampagne hohe Gewinne verbucht. In der Steiermark hat sich die Partei auf gut 27% nahezu verdreifacht. Auch im Burgenland legte die FPÖ zu, um sechs Prozentpunkte auf 15%. Nach Wählerbefragungen ist der Erfolg der FPÖ zu einem guten Teil auf deren Ausländer-Politik zurückzuführen. Demnach haben die FPÖ-WählerInnen mit Abstand am meisten über Zuwanderung diskutiert.
Während in Europa heftig über einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone gestritten wird, machen sich zugleich nationalistische, fremdenfeindliche Mentalitäten und Parteien breit, die drohen, Europa von Innen zu zersetzten.
1 Siehe dazu Joachim Bischoff/Elisabeth Gauthier/Bernhard Müller, Europas Rechte – das Konzept des »modernisierten« Rechtspopulismus, Hamburg 2015