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1. Mai 2019 Joachim Bischoff/Bernhard Müller

Das deutsche Ungleichheitssystem

Grafik: dpa

Deutschland weist unter den entwickelten kapitalistischen Ländern eine herausragende Vermögensungleichheit auf – selbst wenn nicht zu bestreiten ist, dass die positive wirtschaftliche Entwicklung des letzten Jahrzehnts auch positive Tendenzen zeigte.

Gleichwohl leben weltweit noch immer 736 Mio. Menschen in extremer Armut – also von maximal 1,90 US-Dollar je Tag. Allerdings hat sich die Zahl zwischen 1990 und 2010 halbiert und nimmt weiter ab. Trotzdem geht in den kapitalistischen Hauptländern die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander und verstärkt die Spaltung der Gesellschaft. Das Problem der wachsenden sozialen Ungleichheit ist neben den ökologischen Zuspitzungen eine der größten Herausforderungen unserer Zeit und bildet einen Nährboden für gefährliche Entwicklungen wie Rechtspopulismus und aggressiven Nationalismus.

Die kontinuierliche Verschärfung des Ungleichheitssystems könnte verändert werden – jeweils im nationalstaatlichen Rahmen. Die Maßnahmen sind bekannt: eine stärkere und effektivere Besteuerung von Großunternehmen und Vermögenden, eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns sowie der Stärkung von Tarifsystemen, höhere Investitionen alle Segmente des öffentlichen Infrastruktur.

Selbst die Bundesbank bestätigt in einem neuen Bericht diese Tendenz der Zunahme der Ungleichheit. Schlagendes Indiz: die Vermögensungleichheit. Wird die Lohnarbeit schlecht bezahlt, wachsen die Nettovermögen der Wohlhabenden.

 

Prekarisierung und Mindestlohn

Der wesentliche Faktor der tiefen sozialen Spaltung ist die Prekarisierung der Lohnarbeit. Die enorme Ausweitung aller Formen untypischer Beschäftigung (Minijobs, Teilzeit, Leih- und Zeitarbeit, Werkverträge etc.) hat zur Ausbildung eines Niedriglohnsektors geführt, der rückwirkend auch den Bereich der Vollzeitbeschäftigung erfasst.

So bekommt nach einer aktuellen Auswertung der Bundesagentur für Arbeit (»Sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelte 2017«) etwa jeder sechste Vollzeitbeschäftigte ein monatliches Gehalt unter 2.000 Euro brutto – darunter vor allem Reinigungskräfte und Angestellte in der Gastronomie. Auch Fachkräften mancher Branchen geht es ähnlich.

Etwa 3,38 Mio. Vollzeitbeschäftigte in Deutschland haben im Monat zuletzt weniger als 2.000 Euro brutto verdient. Nach den jüngsten offiziellen Daten Ende 2017 waren das 16,0%. In Westdeutschland kamen 2,32 Mio. Vollzeitbeschäftigte (13,5%) auf weniger als 2.000 Euro brutto, in Ostdeutschland 1,06 Mio. (27,5%). Die höchsten Anteile hatten mit 32,6% Mecklenburg-Vorpommern und mit 30,2% Thüringen – die niedrigsten mit 11,4% Baden-Württemberg und mit 11,5% Hamburg.

Dabei sind die Branchenunterschiede groß: So bildeten die Beschäftigten der Reinigungsberufe mit einem mittleren Bruttoeinkommen von 1.861 Euro Ende 2017 das Schlusslicht – gefolgt von den Arbeitnehmer*innen im Tourismus, bei Hotels und Gaststätten mit 1.961 Euro. Es folgen die Land-, Tier- und Forstwirtschaftsberufe mit 2.154 Euro für die Beschäftigten im Mittel, die Lebensmittelherstellung und -verarbeitung mit 2.165 Euro, die nichtmedizinischen Gesundheits- und Pflegeberufe mit 2.353 Euro und die Berufe im Verkauf mit 2.411 Euro. Am oberen Ende der Skala sind Anstellungen in der Informatik und IT mit im Mittel 4.926 Euro brutto im Monat.

Geringqualifizierte bekommen dabei deutlich weniger Gehalt: So verdienten vollzeitbeschäftigte Helfer*innen in Hotels und Gaststätten in Ostdeutschland im Jahr 2017 im Mittel nur 1.610 Euro und dort in Reinigungsberufen nur 1.633 Euro. In Westdeutschland sind zudem Helfer bei Sicherheitsdiensten mit im Mittel 1.768 Euro im unteren Bereich der Skala.

Aber auch ein hohes Anforderungsniveau schützt nicht in allen Branchen vor vergleichsweise niedrigem Einkommen: So kommen in Ostdeutschland Fachkräfte in der Werbung nur auf 1.902 Euro im Mittel, Spezialisten in Gartenbau und Floristik auf 2.201 Euro. Fachkräfte insgesamt verdienen im Mittel im Westen 3.098 Euro und im Osten 2375 Euro.

Nimmt man als Bezugspunkt nicht die 2.000 Euro Lohn im Monat, sondern den Median, der die Lohneinkommensbezieher in zwei gleich große Gruppen teilt, deren Entgeld über oder unterhalb dieses Medianeinkommens liegt, ergibt sich ein noch genaueres Bild über die soziale Spaltung. Dieses Medianeinkommen lag 2017 bei 3.209 Euro Lohn pro Monat. Nach einer Definition der OECD liegt die Schwelle des unteren Entgeltbereichs bei 2/3 des Medianentgelts aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten. 2017 betrug diese Schwelle 2.139 Euro.

Danach verfügen etwa 20% oder 4,2 Mio. Lohnabhängige über ein Einkommen, das unterhalb der Niedriglohnschwelle liegt. Daran hat auch die lange Phase relativ günstiger Wirtschafts- und Arbeitsmarktbedingungen nicht geändert. Auch hier finden wir wieder die üblichen geschlechts- und migrationsspezifischen, regionalen und branchenspezifischen Unterschiede.


Ungleichheit der Vermögen

Die wachsende Ungleichheit in der Verteilung der Einkommen wird auch in Deutschland noch getoppt von der Ungleichheit in der Verteilung der Vermögen. So lag das geschätzte durchschnittliche Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland nach einer Untersuchung der Bundesbank[1] bezogen auf den Zeitpunkt 2017 bei brutto 262.500 Euro. Abzüglich der Verschuldung – also netto – waren es 232.800 Euro. Das sind 8,5% mehr als drei Jahre zuvor. Der Mittelwert ist die Summe aller Vermögen geteilt durch die Anzahl aller Haushalte. In der Statistik wird dieser Wert häufig auch arithmetisches Mittel genannt.

Das ist aber nur der Durchschnitt, die Summe aller Vermögenswerte geteilt durch die Anzahl der Haushalte. Doch eine solche Zahl hat nur beschränkte Aussagekraft. Denn wenn von zwei Menschen einer ein Vermögen von 100.000 Euro besitzt und der andere gar nichts, dann verfügen beide im Durchschnitt über 50.000 Euro. Um das Vermögen eines mittleren Vermögenshaushalts realitätsnäher zu erfassen, greifen Statistiker auf den so genannten Median zurück. Wenn alle Haushalte gemessen an ihren Vermögen aufgereiht werden, ist der Medianwert die mittlere Position: Für diese Position gibt es ebenso viele reichere wie ärmere Haushalte. Dieser Median liegt für Deutschland 2017 brutto bei 84.400 Euro. Werden die Schulden herausgerechnet, sind es netto noch 70.800 Euro. Er liegt 17% höher als vor drei Jahren.

Für die Zunahme sowohl des Mittelwerts wie auch des Medians der Nettovermögen in den letzten drei Jahren war vor allem der steile Anstieg der Immobilienpreise und der Aktienkurse verantwortlich. So schlagen sich etwa die steigenden Immobilienpreise in einem höheren Immobilienvermögen für Haushalte mit Eigentum am Hauptwohnsitz nieder, sowohl gemessen am Durchschnitt (+ 27.400 Euro) als auch am Median (+ 37.200 Euro). Folglich verwundert es nicht, dass die Vermögen vor allem in den Bereichen der Verteilung absolut und relativ zu den Werten für das Jahr 2014 stark angestiegen sind, in denen Eigentümerhaushalte besonders häufig zu finden sind, das heißt unter den 40% der vermögendsten Haushalte. Auch die Haushalte mit Aktien- und Fondbesitz konnte sich über einen schönen Vermögenszuwachs freuen. Im Durchschnitt stieg der Wert des Aktienbesitzes für die Haushalte mit direkter Aktienhaltung um etwa 5.000 Euro bzw. 13% an.

Dass der Median so deutlich unter den Durchschnittswerten liegt, macht deutlich, dass vergleichsweise wenige Haushalte über ein großes Vermögen verfügen, die Vermögen in Deutschland also sehr ungleich verteilt sind. Denn wenn bei der Berechnung des Mittelwertes alle Vermögen addiert werden, werden höhere Summen stärker gewichtet. Der Median bzw. mittlere Wert hingegen besagt, dass die Hälfte der Haushalte weniger als 70.800 Euro hat. Das heißt: Selbst im besten Fall erreicht nur knapp ein Drittel der Haushalte den Mittelwert von 233.000 Euro.

Interessant ist der Vergleich mit anderen Ländern. In Italien zum Beispiel lag der Mittelwert 2016 bei 206.000 Euro, der Median aber deutlich höher bei 126.000 Euro. Hier ist die Verteilung also ausgeglichener. In den USA dagegen hatten die Haushalte 2016 im Schnitt umgerechnet etwa 625.000 Euro, aber der Median lag im Verhältnis dazu recht niedrig bei 88.000 Euro.

Die Unterschiede zwischen den drei Ländern zeigt auch der Gini-Koeffizient. Er ist eine statistische Maßzahl für Ungleichheit. Sie liegt in Deutschland bei den Vermögen seit Jahren bei rund 75%, und weist damit die größte soziale Schieflage in Europa aus. In Europa lag der Gini-Index 2014 bei 46,5%. In Italien schwankt er etwa um 63%, in den USA ist er in den letzten Jahren auf 86% gestiegen. Die extreme Ungleichheit bei der Verteilung der Vermögen in Deutschland hat zum einen mit der wachsenden Ungleichheit bei den Primäreinkommen (drastisch sinkende Lohnquote) in den letzten 20 Jahren zu tun, zum anderen aber auch mit der die Vermögenden enorm begünstigenden Steuerpolitik (Abschaffung der Vermögenssteuer, Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögensbesitzer).

Wie ungleich die Verteilung ist, lässt sich auch am Anteil des Vermögens ablesen, das den oberen 10% der Nettovermögensverteilung gehört. Diese Gruppe besaß in Deutschland im Jahr 2017 etwa 55% des gesamten Nettovermögens. Nur für die USA, Italien und Österreich liegen derzeit Werte für einen vergleichbaren Zeitraum vor. In Italien erreichte dieser Anteil im Jahr 2016 etwa 44%, in den USA im Jahr 2016 77% und in Österreich im Jahr 2017 56%. Für den Euroraum insgesamt ergab sich im Jahr 2014 ein Wert von 51%.

Diese Ergebnisse unterzeichnen das Ausmaß der Vermögenskonzentration in Deutschland noch – darauf weist selbst die Bundesbank selbst hin: »Für die Erhebungswelle 2017 scheint es insbesondere zu einer Untererfassung von Betriebsvermögen am oberen Rand der Verteilung gekommen zu sein. Zudem beteiligten sich im Vergleich zu den Erhebungswellen der Jahre 2010 und 2014 weniger Haushalte mit sehr hohen Vermögen an der Befragung. Beides kann ursächlich für den leichten Rückgang einiger Verteilungsmaße sein.«

Bei bevölkerungsrepräsentativen Stichproben wie denen der Europäischen Zentralbank (EZB) bzw. der Deutschen Bundesbank oder des SOEP wird der Bereich der sehr hohen Vermögen tendenziell untererfasst, weil sich sehr einkommens- und vermögensstarke Personen an diesen Haushaltsbefragungen nicht beteiligen. Deshalb werten etwa Piketty und seine Mitstreiter für eine Vielzahl von Ländern systematisch die amtlichen Einkommens- und Vermögenssteuerstatistiken aus, um den Anteil der hohen Einkommen an den gesamten Haushaltseinkommen abzuschätzen. Dabei treffen sie in Deutschland auf einige Umstände, die dieses Unterfangen erschweren.

Erstens werden die Daten der Steuerstatistik nur alle drei Jahre erhoben und erscheinen mit großer zeitlicher Verzögerung. So wurden die Daten für 2014 erst Ende 2017 zugänglich.

Zweitens fehlt durch die Außerkraftsetzung der Vermögenssteuer seit 1996 eine verlässliche objektive Grundlage zu Messung der Vermögensungleichheit. Die Einführung einer Vermögenssteuer mit einem beliebig niedrigen Steuersatz würde daher erhebliche Fortschritte hinsichtlich der Datenlage mit sich bringen.

Drittens ist in Deutschland der Anteil der Kapitaleinkommen am Volkseinkommen seit der Jahrtausendwende stark gestiegen. Spiegelbildlich ist die Lohnquote, also der Anteil der Arbeitseinkommen, gefallen. Die kräftig gestiegenen Unternehmensgewinne wurden jedoch nicht in entsprechendem Maße an die privaten Haushalte weitergegeben, sondern in hohem Umfang einbehalten. Deswegen sind die Tophaushaltseinkommen (und ihr Anteil an den gesamten Haushaltseinkommen) weniger stark gestiegen, als es der Fall gewesen wäre, wenn die zunehmenden Gewinne nicht einbehalten, sondern – wie etwa in den USA – verstärkt an Topmanager und Aktionäre (die überwiegend zu den oberen Einkommensgruppen gehören) weitergegeben worden waren.

Viertens ergibt sich für die Jahre ab 2009 das Problem, dass mit Einführung der sogenannten Abgeltungssteuer Informationen über versteuerte Kapitalerträge nicht mehr personenbezogen erfasst werden. Die Abgeltungssteuer wird direkt von den Finanzinstituten anonym an die Finanzämter abgeführt, so dass keine direkten Informationen über die Verteilung der Kapitaleinkommen vorliegen. Diese sind aber wegen der hohen Vermögenskonzentration ungleicher verteilt als die Arbeitseinkommen und tragen damit erheblich zu den Topeinkommensanteilen bei.

Auf diese Schwierigkeiten bei der Datenlage bei der Erfassung der Vermögen weisen auch die Wissenschaftler des letzten Armuts- und Reichtumsberichts hin. Die »für empirische Analysen zur Verfügung stehenden Daten über Haushalte mit den höchsten Einkommen und Vermögen … (ist) lückenhaft«. Sie fordern deshalb die »Etablierung eines Finanzkataster, Widereinführung der Vermögenssteuer oder auch Abschaffung der Abgeltungsteuer (bzw. deren Integration in die Einkommensteuerstatistik)« – nachzulesen in der ersten Fassung des Armuts- und Reichtumsberichts. In der zweiten Fassung wurde daraus: »Zusätzlich werden von den Autoren auch kontroverse Möglichkeiten genannt wie beispielsweise die Etablierung eines Finanzkatasters oder die Integration der Abgeltungsteuer in die Einkommensteuerstatistik. Bei einigen der genannten Möglichkeiten würde es sich um sowohl politisch als auch juristisch und datenschutzrechtlich sehr aufwändige und umstrittene Schritte handeln.« (Bundesregierung, Armuts- und Reichtumsbericht 2017, S. 120)

Aus den genannten vier Gründen kann mehr als vermutet werden, »dass es in den vergangenen zehn Jahren (in Deutschland) zu einem Anstieg der Vermögensungleichheit gekommen ist, da nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen im Vergleich zu den Arbeitnehmerentgelten überdurchschnittlich gestiegen sind. Diese Einkunftsarten konzentrieren sich vor allem auf das oberste Dezil der Einkommensbezieher. Noch stärker sind die Vermögen auf die obersten Perzentile der Verteilung konzentriert.«[2]

Eine Untersuchung der EZB[3] sucht diesem Umstand dadurch Rechnung zu tragen, dass sie ihre Umfragedaten mit den Schätzungen der Milliardäre-Liste des Magazins »Forbes« kombiniert, um ein realistischeres Bild zu zeichnen. Das Ergebnis lautet: Die bisher oft gehörte Zahl, dass die reichsten 1% der Amerikaner etwa ein Drittel des Vermögens in ihren Händen konzentrieren, ist etwas zu niedrig. Auch die Angaben für Deutschland, die nach einer EZB-Haushaltsumfrage dem obersten Prozent einen Anteil von 26% zusprechen, ist untertrieben.

Darauf wird auch im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hingewiesen: »Diese Vorgehensweise wurde vom DIW aufgegriffen, das als Datengrundlage das SOEP verwendet. Der Anteil des vermögendsten einen Prozents der Bevölkerung erhöhte sich diesen Schätzungen zufolge je nach Szenario auf zwischen 31 und 34 Prozent und könnte damit im Extremfall fast doppelt so hoch liegen wie sich aus den Daten des SOEP für das Jahr 2012 ergibt. Der Vermögensanteil der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung erreichte demnach – je nach Szenario – zwischen 63 und 74 Prozent am gesamten Nettovermögen. In den SOEP-Daten ohne Hinzuschätzungen beläuft sich der Anteil wie bereits erwähnt auf 58 Prozent (…). Die Autoren betonen, dass diese Schätzungen mit hoher Unsicherheit behaftet ist.« (Armuts- und Reichtumsbericht 2017, S. 122f.)

Demnach gehören dem obersten Prozent der ganz reichen Haushalte in Deutschland zwischen 31% und 34% des Vermögens – immerhin 5-8 Prozentpunkte mehr als bislang angenommen. In den Vereinigten Staaten liegt der Anteil bei 35%. Den größten Sprung machen Staaten wie die Niederlande (12 bis 17% Vermögensanteil der Superreichen statt wie bislang geglaubt nur 7%) und Italien (20 bis 21 statt 15%).

[1] Die Bundesbank befragt im Abstand von drei Jahren unter dem Titel »Private Haushalte und ihre Finanzen (PHF)« Haushalte in Deutschland zu ihrem Vermögen und ihren Schulden. An der Befragung im Jahr 2017 beteiligten sich fast 5.000 Haushalte. Die Ergebnisse basieren auf der Selbsteinschätzung der Befragten.
[2] Markus M. Grabka/Christian Westermeier, Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland, in: DIW Wochenbericht 9/2014.
[3] Philip Vermeulen, Estimating the top tail of the wealth distribution, Working Paper Series, No 1907/May 2016.

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