Hajo Funke
AfD-Masterpläne
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Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
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Peter Wahl
Der Krieg und die Linken
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Heiner Dribbusch
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376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

21. Dezember 2022 Klaus Bullan: Ramaphosa weiter an der Spitze Südafrikas

Der ANC-Kongress in schwierigen Zeiten

Der Kurs des südafrikanischen Rand gegenüber dem US-Dollar und dem Euro steigt, als am Montag bekannt wird, dass Cyril Ramaphosa, der Präsident der Republik Südafrika, als Präsident des ANC wiedergewählt wurde. Stets geht mit der Präsidentschaft des ANC die Nominierung als Präsidentschaftskandidat Südafrikas einher, und der ANC hat seit den ersten demokratischen Wahlen 1994 immer die absolute Mehrheit der Wähler*innenstimmen erhalten.

Südafrika wählt 2024 und Ramaphosa kann sich auf eine zweite Amtszeit vorbereiten, sollte der ANC wieder erfolgreich sein. Dabei sah es noch wenige Tage vor dem 55. Parteitag des ANC schlecht für den amtierenden Präsidenten aus. Gegen ihn waren Ermittlungen eingeleitet worden, weil auf seiner Wildfarm Phala Phala größere Mengen Bargeld gefunden wurden. Erst als die Eröffnung eines Verfahrens in dieser Sache im Raum stand, äußerte sich Ramaphosa dazu und erklärte das Geld als Kaufpreis für Büffel durch einen sudanesischen Käufer.

Kurz bevor der Fall vor das Parlament kam, war von einem unmittelbaren Rücktritt Ramaphosas vom Amt des Präsidenten der Republik Südafrika die Rede. Es hieß, er habe seine Rücktrittsrede schon geschrieben und ein Termin zu einer öffentlichen Erklärung war bereits anberaumt.

Von seinen Unterstützer*innen im ANC wurde er angeblich in letzter Sekunde überzeugt, nicht zurückzutreten, sondern um sein Amt zu kämpfen. Das tat er dann auch. Im Parlament wurde die Anklage mit der ANC-Mehrheit der Abgeordneten zurückgewiesen. Die Sorge allerdings war groß, dass der unmittelbar bevorstehende Wahlkongress des ANC, auf dem die gesamte Führungsspitze zur Wahl stand, zu einem Debakel für Ramaphosa werden könnte. 2017 bei der letzten Wahl war seine Mehrheit außerordentlich knapp gewesen.

Die Fraktion um Jacob Zuma, der zuvor Staatspräsident und ANC-Chef gewesen war und von Ramaphosa aus diesen Ämtern gedrängt worden war, mobilisiert seitdem massiv innerhalb des ANC und die Gefahr der Spaltung steht stets im Raum. Die Hoffnung auf Ramaphosa war bei seiner ersten Wahl groß, weil damit die lange Zeit der Zuma-Regierungen mit Korruption, state capture und Misswirtschaft zu Ende gehen sollte. Jetzt war in Südafrika anscheinend der in unsaubere Geschäfte verwickelt, der angetreten war, den Kampf gegen Korruption und Vorteilsnahme in den Mittelpunkt seiner Amtszeit zu rücken.

Es ist der Ramaphosa-Regierung seit 2018 nicht gelungen, Südafrika entscheidende Schritte vorwärts zu bringen. Arbeitslosigkeit und vor allem Jugendarbeitslosigkeit erreichen historische Höhen von 37% bzw. fast 70%, staatliche Unternehmen wie die Fluggesellschaft South African Airlines, der Infrastruktur und Transportkonzern Transnet und das Energieunternehmen Eskom schlucken Milliarden öffentlicher Mittel, sind Horte der Korruption und der Misswirtschaft. SAA ist inzwischen pleite und die Stromversorgung durch Eskom ist seit Jahren so marode, dass zurzeit bis zu zehn Stunden täglich der Strom in den verschiedenen Regionen Südafrikas abgeschaltet werden muss. Kurz vor dem ANC-Kongress war der Leiter von Eskom zurückgetreten.

Der rigide Lockdown in der Corona-Pandemie hat zum Zusammenbruch zahlreicher kleiner und mittlererer Unternehmen geführt und Arbeitslosigkeit und Armut in die Höhe getrieben, so dass heute Ernährungsprobleme und Hunger für größere Teile der Bevölkerung wieder Realität sind. Hinzu kommt heute – wie in anderen Staaten – die Belastung durch die hohe Geldentwertung und den Kursverfall des südafrikanischen Rand. Gewalt und Unsicherheit im Land beeinträchtigen den Alltag für viele Südafrikaner*innen, besonders Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Die Patt-Situation innerhalb des ANC zwischen dem Ramaphosa- und dem Zuma-Lager hat sich nicht aufgelöst, auch wenn nicht alle Versäumnisse bei dem 2018 angekündigten »new deal« Ramaphosas darauf zurückgeführt werden können.

Immerhin war es gelungen, Korruption, Klientelismus und state capture einzudämmen, Anklagen gegen politische und wirtschaftliche Eliten in Gang zu bringen und erste Strafen – auch gegen ANC-Verantwortliche – zu verhängen. Ermittlungsbehörden und Gerichte konnten gestärkt werden. Vor diesem Hintergrund sind die Vorwürfe gegen Ramaphosa in der Phala-Phala-Untersuchung fatale Signale an die südafrikanischen Bürger*innen, unabhängig davon, ob es sich um eine politische Intrige seiner Gegner handelt oder nicht.

Vor dem Hintergrund dieser zugespitzten Situation fand der Parteitag des ANC vom 17. bis 20. Dezember 2022 in Johannesburg statt. Mehr als 4.000 Delegierte aus allen Landesteilen kamen zusammen, um ihren Präsidenten, die engere Führung und den 80köpfigen Vorstand des ANC turnusgemäß zu wählen. Vor dem Kongressgelände gab es Kundgebungen prominenter Ramaphosa-Gegner*innen, die teilweise ihre Mitgliedschaft oder ihre Positionen in den zurückliegenden Jahren verloren hatten. Die ANC-Mehrheit hatte durchgesetzt, dass Amtsträger, gegen die ein Ermittlungsverfahren läuft, keine Positionen im ANC bekleiden dürfen. Bei der Eröffnungsrede Ramaphosas störten Zuma- Anhänger*innen seine Rede lautstark.

Begleitet von massiven Zeitverzögerungen, die u.a. dazu führten, dass der Parteitag Anfang Januar außerplanmäßig mit der Wahl des Vorstands fortgesetzt werden muss und von Turbulenzen, Verhandlungen und Absprachen innerhalb der und zwischen den verschiedenen politischen Lagern und Provinzen Südafrikas ging Ramaphosa am Ende gestärkt aus dem Parteitag hervor. Das Zuma-Lager hatte sich auf einen Gegenkandidaten gegen Ramaphosa geeinigt, den im letzten Jahr wegen Korruptionsvorwürfen als Gesundheitsminister zurückgetretenen Zweli Mkhize. Ramaphosa setzte sich mit knapp 57% deutlicher als erwartet gegen ihn durch.

Auch die Wahl der engeren Führungsspitze, der sogenannten Big Six, war ein Erfolg für das Ramaphosa-Lager. Zuvor waren drei von ihnen im Ramaphosa-Lager und drei im Zuma-Lager einzuordnen. Nun wurden aus den Big Six durch Satzungsänderung die Big Seven und es sind nur noch zwei Vertreter*innen dabei, die nicht zum Ramaphosa -Lager gehören. Drei der sieben zukünftigen Führungsmitglieder sind jetzt weiblich und es ist eine vorsichtige Verjüngung im ANC in Gang gekommen. Ramaphosas neuer Stellvertreter, der nicht zu seinem Lager zählt, wird zugetraut, Brücken zu bauen, denn er ist auch kein Zuma-Anhänger. Ob die Situation sich für den alten und neuen Präsidenten nachhaltig verbessert, hängt auch von der noch ausstehenden Wahl des ANC-Vorstands ab, die im Januar nachgeholt wird.

Viele Abstimmungen gingen äußerst knapp aus und die Wahlen werden eine Kabinettsumbildung unumgänglich machen. Ein Kabinettsmitglied wurde zum Generalsekretär des ANC gewählt, was ein Vollzeitjob ist. Nkosazana Dlamini-Zuma, Ramaphosas Gegenkandidatin 2017, hatte als eine von vier ANC- Abgeordneten im Parlament für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Ramaphosa gestimmt und wird ihren Ministerposten sicher verlieren, ebenso wie Lindiwe Sisulu, die diesmal gegen ihn kandidieren wollte, aber keine ausreichende Delegiertenunterstützung hatte.

Eine Schwächung des Zuma-Lagers ist auch, dass aus der Provinz Kwazulu Natal, der »homebase« Zumas, die die meisten Delegierten auf den Parteitag entsendet, niemand in die engere Führung gewählt wurde.

Die deutliche Wiederwahl Ramaphosas wird den Niedergang des nach wie vor zerstrittenen ANC vermutlich nicht aufhalten können. Seit langem gehen die Mehrheiten für den ANC bei nationalen und regionalen Wahlen stetig zurück. Die Mitgliederzahl nimmt in erschreckendem Maß ab. Vor zehn Jahren hatte der ANC noch 1,2 Mio. Mitglieder, 2017 noch 989.000 und 2022 nur noch 661.000.

Bisher verhinderten die Schwäche der Oppositionsparteien und die Erinnerung an den Befreiungskampf des ANC zu Apartheidszeiten den Machtverlust des ANC. Immer größer wird allerdings die Zahl der Wähler*innen, die die Apartheidszeiten nur noch aus Erzählungen kennen. Der Übergang von einer Befreiungsbewegung zu einer Regierungspartei gelingt nur selten auf lange Sicht.

Die politischen Positionen und Interessen differenzieren sich im politischen Alltag. Im ANC gibt es ein Unternehmerlager, das die Wirtschaftsinteressen in den Mittelpunkt stellt, dann Gewerkschafter, Kommunisten, traditionelle Zulus aus ländlichen Gebieten und junge, gut gebildete Großstadtbewohner*innen. Spekulationen über den Verlust der absoluten Mehrheit wurden immer wieder enttäuscht und es könnte auch 2024 noch einmal für eine absolute Mehrheit für den ANC reichen. Wahrscheinlich ist aber, dass die Macht des ANC dreißig Jahre nach dem Ende der Apartheid dem Ende entgegen geht, weitere neue Parteien sich abspalten und Koalitionen notwendig werden.

Ramaphosa versucht, diesen Prozess aufzuhalten. Zum Parteitag trat er mit dem Motto an: »Renew and rebuild the ANC«. Die zentralen Probleme Südafrikas werden in vier Punkten adressiert:

  • Transformation Südafrikas – Wirtschaft und Gesellschaft radikal verändern, damit alle Südafrikaner*innen eine Ausbildung, einen Job, einen existenzsichernden Lohn und einen steigenden Lebensstandard haben;
  • fähige Führung des Staates – Aufbau einer sauberen, rechenschaftspflichtigen und effektiven Regierung;
  • sicheres Leben für alle – Bekämpfung von Kriminalität, Gewalt und Instabilität;
  • Erneuerung – Erneuerung, Wiederaufbau und Wiederbelebung des ANC.

In seiner ersten Amtszeit ist es Ramaphosa nicht gelungen, in dieser Richtung nachhaltige Erfolge aufzuweisen. Der Kredit, den ihm große Teile der Südafrikaner*innen bei Amtsantritt gegeben haben, ist aufgebraucht. Die desolate Lage Südafrikas wird auch darin deutlich, dass dennoch ein gewisses Aufatmen durchs Land geht, dass Ramaphosa es im ANC noch einmal geschafft hat.

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