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376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

7. Mai 2016 Joachim Bischoff: Die Lage in Griechenland spitzt sich erneut zu

Der IWF droht mit Ausstieg

IWF-Chefin Lagarde und der griechische Finanzminister Tsakalotos

In einem Brief an die 19 Euro-Finanzminister (siehe Financial Times vom 6.5.2016) drängt die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, zur sofortigen Aufnahme von Verhandlungen über einen griechischen Schuldenerlass. Ihrer Ansicht nach setzen die Euro-Länder auf zu hohe Erwartungen in eine Erholung der griechischen Wirtschaft.

Der IWF fordert die Finanzminister der Eurozone auf, unverzüglich mit Verhandlungen zu einem Schuldenschnitt für Griechenland zu beginnen, In dem Brief droht Lagarde mit einem Ausstieg des IWF aus dem Kreditprogramm für Griechenland, falls nicht unverzüglich über Schuldenerleichterungen für das Land gesprochen werde.

Die seit einem Monat andauernden Verhandlungen mit Griechenland über Einsparungen in Gesamthöhe von rund 3 Milliarden Euro seien aus IWF-Sicht »fruchtlos« geblieben. »Wir glauben, dass spezifische Reformmaßnahmen, eine Restrukturierung der Schulden und Fragen der Finanzierung jetzt zeitgleich diskutiert werden müssen. Für uns ist essentiell, dass die Finanzierung und die Schuldenerleichterungen, die Griechenlands europäische Partner fordern, auf Zielen beruhen, die realistisch sind«, schreibt Lagarde. Das von der EU im vergangenen Jahr für Griechenland vorgegebene Ziel eines Primärüberschusses von 3,5% im Jahr 2018 sei unrealistisch.

Der IWF rechnet damit, dass unter den gegebenen Umständen nur ein Primärüberschuss von 1,5% möglich sei. »Machen wir uns nichts vor – dieses höhere Ziel wäre nicht nur sehr schwer zu erreichen, es wäre möglicherweise auch kontraproduktiv«, so Lagarde. Um 3,5% zu erreichen, müsste Griechenland noch heftiger sparen. Der IWF will, dass Griechenland Haushaltskorrekturen »auf Vorrat« beschließt, die automatisch in Kraft treten, wenn die Haushaltsziele nicht erreicht werden. Sie sollen ein Volumen von 3,6 Milliarden Euro oder 2 Prozentpunkten des Bruttoinlandsprodukts haben.

Die griechische Regierung hält solche Vorratsbeschlüsse für nicht akzeptabel. Finanzminister Euklid Tsakalotos hat sich deutlich gegen ein solches zusätzliches Sparpaket »auf Vorrat« ausgesprochen. Er soll einen Brief an die Verhandlungspartner der Eurogruppe geschrieben haben, in dem er fragt: »Können Sie sich vorstellen, dass wir dem Parlament ein Sparpaket in Höhe von 9 Mrd. anstatt von 5,4 Mrd. Euro vorlegen?« Es gebe keine Chance, solch ein Paket durchs Parlament zu bringen.

Lagardes Forderung, jetzt gleichzeitig über »Reformen«, Schuldenerlass und Finanzierung zu verhandeln, hebelt die bisherige Verhandlungsstrategie der Euro-Finanzminister aus. Bisher pocht vor allem Berlin darauf, diese drei Ziele nacheinander abzuhandeln. Bei dem letzten Punkt der Refinanzierung der Kredite will Berlin auf keinen Fall einen Schuldenschnitt akzeptieren, sondern mit verlängerten Laufzeiten und Zinssenkungen eine Lösung erreichen.

Die erste Überprüfung des im Sommer 2015 vereinbarten dritten Hilfsprogramms, die eigentlich bereits letzten Herbst hätte abgeschlossen werden müssen, ist noch immer nicht beendet. Die Verhandlungen auf Expertenebene über die nächsten Schritte zur sind seit der letzten Sitzung der Euro-Gruppe vor zwei Wochen offenbar kaum mehr vorangekommen. Griechenland verpflichtete sich im sogenannten Memorandum of Understanding zu einer Reihe von strukturellen Reformen. Die Auszahlung der ersten Tranche in Höhe von insgesamt 26 Mrd. Euro erfolgte in mehreren Subtranchen bis 23. Dezember 2015.

Zwischen der griechischen Regierung und den Gebern besteht bislang nur über den ersten Teil des »Dreischritts« mehr oder weniger Einigkeit: ein Paket von Sparmaßnahmen, das Athen auf jeden Fall umsetzen muss und das Einsparungen und Mehreinnahmen von 3% des Bruttoinlandprodukts (BIP) ergibt. Hierzu gehören Renten- und Steuerreformen, der Umgang mit »faulen« Krediten und die Errichtung eines Privatisierungsfonds. Innenpolitisch ist allerdings bereits dieser Punkt umstritten. Aus Protest gegen die anstehenden Steuer- und Rentenreformen, über die das griechische Parlament dieser Tage abstimmen wird, begannen in ganz Griechenland massive Streiks.

Derzeit überprüfen die »Troika«-Institutionen bei Gesprächen in Athen die Umsetzung dieser Maßnahmen. Auf Grundlage ihres Überprüfungsberichts könnte das ESM-Direktorium die Auszahlung einer zweiten Tranche in Höhe von rund 5 Mrd. Euro beschließen.

Insgesamt soll in dieser ersten Maßnahme der griechische Staatshaushalt um 5,4 Mrd. Euro entlastet werden. Zwischen dem IWF, der EU und der griechischen Regierung war zunächst schon umstritten, wie groß die durch zusätzliche Maßnahmen (s.u.) zu schließende Lücke im Haushalt 2018 sein würde: Während der IWF von 4,5% und die Euro-Länder von 3% ausgingen, war nach Ansicht der griechischen Regierung eine Konsolidierung von nur 1% erforderlich. Als Kompromiss hat man sich in den Verhandlungen auf eine zu schließende Lücke von 3% verständigt. Die Verhandlungen über die hierzu zu ergreifenden Maßnahmen haben jetzt das griechische Parlament erreicht.

Während die griechische Seite weitere Steuererhöhungen (insbesondere spezielle Verbrauchsteuern) präferiert, scheint vor allem der IWF auf Einsparungen bei den staatlichen Altersrenten abzuzielen. Bei der Restrukturierung der Altersrenten plant die Regierung anstelle umfangreicherer Kürzungen Beitragserhöhungen. Im Rahmen der neuen Sparmaßnahmen sollen die Pensionen weiter gekürzt werden, damit sollen 1,8 Mrd. Euro gespart werden. Steuererhöhungen sollen weitere 1,8 Mrd. Euro bringen. Die Frage, ob die griechischen Banken ihre ausfallgefährdeten Kredite leichter verkaufen können sollten, ist weiterhin umstritten.

Wird dieses Sparpaket das Parlament passieren, bleibt die Verhandlung über die »Vorratsbeschlüsse«. Die Euro-Gruppe fordert weitere Konsolidierungsmaßnahmen im Umfang von 2% des BIP. Sie müssten nur umgesetzt werden, wenn die anderen Maßnahmen nicht ausreichen, um bis 2018 den im Programm verlangten Primärüberschuss (Saldo vor Zinszahlungen) im Staatshaushalt von 3,5% des BIP zu erreichen.

Unterstellt in diesen beiden Punkten fände die griechische Linksregierung eine Mehrheit im Parlament, könnten die Akteure die Schuldentragfähigkeit (das dritte Element des Pakets) aufrufen. Aus Sicht des IWF müssen die europäischen Gläubiger Griechenland Schuldenerleichterungen gewähren, um die Staatsverschuldung, die Ende letzten Jahres 177% des BIP betragen hat, tragbar zu machen.

Laut dem Vorsitzenden der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, haben die Minister den Experten ein Mandat erteilt, die nötigen Analysen zu erstellen und Optionen vorzubereiten. Allerdings gibt es in der Euro-Gruppe keine Unterstützung für einen nominalen Schuldenschnitt (Haircut, Verzicht auf Rückzahlung eines Teils der Schulden). Man werde innerhalb des bei der Einigung über das Programm im Sommer 2015 gesteckten Rahmens bleiben. Dieser verweist etwa auf eine mögliche Verlängerung von Laufzeiten und tilgungsfreien Phasen.

Diese Verhandlungsagenda –verknüpft mit der Evaluierung der Schritte der griechischen Linksregierung – ist jetzt in Frage gestellt. Schuldenerleichterungen müssten nun sofort auf den Tisch, forderte Lagarde, andernfalls stehe die Beteiligung des IWF am dritten Hilfsprogramm infrage. Mit dem Ausscheiden des IWF wäre das gesamte dritte Memorandum gefährdet.

Auch innenpolitisch stehen die Zeichen in Griechenland auf Bruch. Nachdem bei den parlamentarischen Beratungen der umstrittenen Reformgesetze ein Abgeordneter sein Mandat niedergelegt hatte und zwei weitere Abgeordnete wegen abweichender Voten aus ihren Fraktionen ausgeschlossen worden waren, würde die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras zuletzt nur noch über eine knappe Mehrheit von 151 der 300 Sitze im griechischen Parlament verfügen. Es ist also offen, ob die Spargesetze das Parlament passieren. Denkbar wären im Falle des Scheiterns auch Neuwahlen. Laut Meinungsumfragen bekäme die derzeitige Koalition aus SYRIZA und ANEL bei einer Neuwahl keine Mehrheit mehr.

Erst wenn das ganze Paket steht, kann Athen die Auszahlung der nächsten Kredittranche erwarten. Diplomaten erwarten in den nächsten Wochen keine Klärung der Situation. Die politische und wirtschaftliche Unsicherheit schlägt sich nach wie vor auch auf den griechischen Finanzmärkten nieder. Im Endeffekt ist das trostlose Agieren der Gläubiger absolut kontraproduktiv für den begonnenen gesellschaftlichen Rekonstruktionsprozess in Griechenland.

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