20. August 2017 Joachim Bischoff: Stephen Bannon verlässt das Weiße Haus
Der US-Präsident ohne rechtspopulistische Strategen?
Stephen Bannon, der seinen Job als Chefstratege des US-Präsidenten aufgegeben hat, gilt gemeinsam mit Stephen Miller als Architekt der »America-First«-Strategie. Der Mitgründer der rechtskonservativen Internet-Plattform Breitbart war vor Beginn der Endphase des Wahlkampfs 2016 zum Team-Trump gestoßen. Ihm wird ein maßgeblicher Anteil am Wahlsieg des neuen US-Präsidenten zugeschrieben.
Donald Trump hatte sich nach heftigen Richtungsauseinandersetzung in der Republikanischen Partei und nach einem schmutzigen Wahlkampf gegen die demokratische Kandidatin Hillary Clinton – getragen von einer Welle rechtspopulistischen Ressentiments – als 45. Präsident der USA durchgesetzt.[1] Er proklamierte den Bruch mit der bisherigen Politik des politischen Establishments: Die wirtschaftliche und politische Elite habe nur ihre eigenen Interessen verfolgt, das Land und die BürgerInnen darüber vernachlässigt. Trump sieht das Ende der westlichen globalen Ordnung als Ausgangspunkt des von ihm verfolgten Aufbruchs Amerikas an.
Das erklärte Ziel der Präsidentschaft ist daher die Transformation des US-Systems, getragen von der Überzeugung: »Wir sind eine Nation mit einer Wirtschaft – nicht nur einer Wirtschaft in einem globalen Markt mit offenen Grenzen, sondern eine Nation mit einer Kultur und einem deutlichen Selbstbewusstsein.« »Ökonomischer Nationalismus« (Economic Nationalism) und die »Dekonstruktion des Verwaltungsstaates« (Deconstruction of the administrative State) sind die Achsen dieser Strategie,« für deren Ausformulierung und Konkretisierung sich Stephen Bannon als Berater in Regierungsfunktion zuständig sah.
Diese beiden Achsen sind Bestandteil einer rechtsextremen Weltanschauung. In seiner Rede auf einem rechtskonservativen Kongress hat Bannon diese Zielsetzung skizziert: Erstens ziele »ökonomischer Nationalismus« darauf, alle Wechselbeziehungen mit »Fremden« zu begrenzen, sobald sie keinen direkten Nutzen für einen selbst liefern. Und zweitens orientiere die »Dekonstruktion des Staatsapparats« auf einen Minimalstaat. Die obersten Aufgaben des Präsidenten seien die Kontrolle über die Grenzen (Begrenzung der Einwanderung und Bevölkerungspolitik) und der Ausbau des Repressionsapparates sowie des Militärs. Dafür muss es eine Umschichtung der Ressourcen geben, d.h. Kürzung der Ausgaben für soziale Sicherheit, Klimaschutz und Kultur.
Die Trennung von dem Chef-Strategen Bannon hatte sich angekündigt. Dieser war seit einiger Zeit in den Verdacht geraten, vertrauliche Details aus dem Weißen Haus über die Richtungsauseinandersetzungen an Medien weitergegeben zu haben. Zu den internen Widersachern der Rechtspopulisten gehören die wirtschaftsliberalen Kräfte im Team um Trump, wie dessen Schwiegersohn Jared Kushner, Wirtschaftsberater Gary Cohn, Finanzminister Steven Mnuchin und Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster. Angeblich hatte Trump Bannon schon vor etlichen Tagen aufgefordert, er solle das Weiße Haus verlassen.
Einiges spricht dafür, dass der Mann, der vor einem Jahr als Chef des Internetportals Breitbart News aufhörte, um Trumps Wahlkampf zu retten, tatsächlich gehen wollte. Er provozierte offenbar seine Entlassung. Bannon hat dem Magazin »American Prospect« – einer liberalen Publikation – ein Interview gegeben, indem er seine strategische Konzeption in Absetzung zur offiziellen US-Politik deutlich machte. Der Journalist Robert Kuttner hatte zuvor noch nie mit Bannon gesprochen und nicht um ein Gespräch ersucht. Aber er hatte einen Text über Nordkorea geschrieben, der Bannon gefiel.
In dem Interview unterstreicht Bannon seine unnachgiebige Haltung gegenüber China. Es werde sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entscheiden, wer die Hegemonie erringe, die USA oder China. China werde gewinnen, sollte Amerika seine Politik nicht »manisch« auf diese Rivalität ausrichten. Ein Wirtschaftskrieg gegen China sei für ihn das Ein und Alles. Er befürchte, die USA würden gegenüber China zu konziliant sein, um dieses zu mehr Druck auf Nordkorea zu veranlassen.
Daher plädierte Bannon für einen Ausstieg aus der Konfrontationslogik gegenüber Nordkorea. Die USA sollten sich auf den Kernkonflikt konzentrieren. Ausgerechnet gegenüber einem Herausgeber des Magazins »American Prospect«, der kürzlich Ähnlichkeiten zwischen Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un ausgemacht hatte, erläuterte Bannon die weiteren Schritte, in dem von den USA eröffneten »Wirtschaftskrieg« mit China. Die Drohungen des US- Oberbefehlshabers an Nordkorea fegte er vom Tisch: »Es gibt keine militärische Lösung, vergiss es.«
Bannon beschreibt sich selbst als radikalen Denker mit einer nationalistischen Agenda:
Erstens gehe es um eine Politik der ökonomischen Abschottung. Den Rückzug der Vereinigten Staaten aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP bezeichnete er als einen der »entscheidendsten Momente« in der modernen amerikanischen Geschichte. Dazu gehört auch die strikte Regulierung der Migration. Trump stellt seit Sommer 2015 mexikanische Einwanderer und Muslime unter eine Art Generalverdacht und spielt mit der verfassungswidrigen Idee, Moscheen bis auf weiteres zu schließen. Die Fortsetzung sind die wichtigsten Dekrete der neuen US-Regierung – der Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, der versuchte Einreisestopp für Muslime und die Kehrtwende in der Handelspolitik.
Die US-Regierung wird einer Behördenanweisung zufolge den Schutz für illegal eingereiste Kinder beibehalten. Allen anderen illegal eingewanderten Personen droht demnach die Abschiebung, wie aus einer Anweisung des Ministeriums für Heimatschutz hervorgeht. Damit wird das von Präsident Trump am 25. Januar unterzeichnete Dekret über die Einwanderung und den Schutz der Grenzen umgesetzt. Ein präsidialer Erlass, der ein befristetes Einreiseverbot für Menschen aus sieben muslimisch geprägten Ländern vorsah, war vor Gericht zunächst gescheitert, inzwischen ist das teilweise Realität.
Zweitens trommelt Bannon gegen die politische Elite und bemüht einen merkwürdigen Vergleich: Er sei ein Leninist, sagte er dem Online-Magazin »The Daily Beast«: »Lenin wollte den Staat zerstören, und das ist auch mein Ziel. Ich möchte alles zum Einsturz bringen und das Establishment zerstören.« Die Wut auf die Elite ist der zentrale Zug der Administration und zugleich ein charakteristischer Widerspruch. Trump, Bannon und der Großteil der Regierungsmannschaft haben selbst eine typische Establishment-Karriere hinter sich. Bannon übernahm 2012 nach einer Kariere als Investmentbanker die Breitbart News, die als Plattform der Alt-Right-Bewegung gilt.
Drittens vertritt Bannon eine Geschichtskonzeption, in der er behauptet, dass die amerikanische Geschichte in Abständen von 80 Jahren große Krisen durchmacht, die in einem Krieg oder ähnlichen Umbruch enden. Nach dem Bürgerkrieg in den 1860er Jahren und dem Zweiten Weltkrieg würde demzufolge im kommenden Jahrzehnt wieder so ein Umbruch anstehen. Einen Kriegsschauplatz und Kriegsgegner hat Bannon auch schon ausgemacht: Im März 2016 sagte er auf Breitbart News, die USA würden in den nächsten zehn Jahren einen Krieg gegen China führen. »Daran besteht kein Zweifel.« Diese Sicht der Dinge hatte mit ihm nun auch in das wichtigste Sicherheitsgremium der Weltmacht USA Einzug gehalten.
In der Administration selbst – so Bannon – wurde tagtäglich der Kampf gegen das neoliberale Establishment ausgetragen. »That’s a fight. I fight every day here«, sagte er. »We’re still fighting. There’s Treasury and [National Economic Council chair] Gary Cohn and Goldman Sachs lobbying.« »We gotta do this. The president’s default position is to do it, but the apparatus is going crazy. Don’t get me wrong. It’s like, every day.«
Ist mit dem Ausscheiden von Bannon die Auseinandersetzung innerhalb der Trump-Administration beendet? Mag sein, dass das Regierungsschiff jetzt in ruhigeres Fahrwasser gleitet. Die Grundauseinandersetzung bleibt bestehen: Kann die erodierte ökonomische Hegemonialstellung der USA gegenüber der aufsteigenden Weltmacht China konsolidiert werden? Die rechtspopulistische Bewegung wird künftig kritischer das alltägliche Regierungshandeln begleiten.
Stephen Bannon ist keineswegs ein Rechts-Rechts-Außen als Bauernopfer, um zumindest den Mainstream in der republikanischen Partei und die wirtschaftliche Elite zu befriedigen. Bannon steht als Stratege für die rechtspopulistische Bewegung in den USA. Er hat als »executive chairman« von Breitbart die Möglichkeit, die Kampagne »america first« weiter zu entwickeln. Trumps Administration könnte also künftig von zwei Seiten unter Beschuss geraten: Von links das liberale Amerika, von rechts Bannon, der den Mythos des Kampf für den ökonomischen Nationalismus ausbaut.
Es war die tiefe Vertrauenskrise gegenüber der Politik, die den Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus beförderte. Auf der Welle dieser Krise reitet der US-Präsident, wenn er bestimmte Medien zu Gegnern erklärt. Er tut alles dafür, dass man die Redeweise vom unaufhörlichen Kampf für die »Dekonstruktion« des Staates und der Demokratie ernst nehmen muss, wenn er »die Medien« nicht nur als seine Feinde und die seiner Regierung, sondern als »Feinde des Volkes« ausgibt.
[1] Siehe ausführlicher Joachim Bischoff, Donald Trump – ein Präsident mit Risiko. Die USA zwischen Niedergang der Demokratie und dem Umsturz der Weltordnung. Eine Flugschrift, Hamburg 2017.