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1. April 2022 Joachim Bischoff/Bernhard Müller: Die aktuellen Prognosen des Sachverständigenrats

Deutsche Wirtschaft zwischen Pandemie und Ukraine-Krieg

Foto: Bundesregierung

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine drückt das Wirtschaftswachstum in Deutschland, befördert die Preissteigerungen und führt zu hoher Unsicherheit. Selbst ein Abrutschen in eine Rezession ist denkbar.

Das ist zusammengefasst die Prognose des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In dieses düstere Szenario der ökonomisch-gesellschaftlichen Aussichten passt die Meldung über den Anstieg der Preissteigerungsrate: Diese ist im März auf einen Höchststand gestiegen. Die Verbraucherpreise lagen um 7,3% über dem Niveau des Vorjahresmonats. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind die Preise für Erdgas und Mineralölprodukte nochmals deutlich angestiegen und beeinflussen die Preisentwicklung erheblich.

Im November 2021 waren die »Wirtschaftsweisen« noch von 4,6% Wachstum ausgegangen. Nun korrigierten sie ihre Prognose auf 1,8% für 2022. »Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dämpft das Wachstum, trägt zum weiteren Anstieg der Energie- und Verbraucherpreise bei und führt zu hoher Unsicherheit«, begründeten dies die vier Ökonom*innen. Das Niveau von vor dem Ausbruch der Coronavirus-Krise soll demnach im Sommer wieder erreicht werden. Für 2023 liegt die neue Wachstumsprognose bei 3,6%.

Für die Wirtschaft des gesamten Euroraums prognostizieren die Expert*innen für das aktuelle wie für das kommende Jahr ein Wachstum von 2,2%. Der Sachverständigenrat erwartet zudem eine deutlich höhere Inflationsrate. »Durch den Krieg werden die wegen der Corona-Pandemie bereits angespannten Lieferketten zusätzlich beeinträchtigt«, sagte der Sachverständigenratsmitglied Achim Truger. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hätten sich durch den Krieg aber »drastisch verschlechtert«. »Gleichzeitig belasten die nochmals kräftig gestiegenen Preise für Erdgas und Erdöl die Unternehmen und den privaten Konsum«, fügte Truger hinzu.

Die Prognose ist dem Gremium zufolge mit sehr großer Unsicherheit behaftet. »Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine lassen sich aktuell nur schwer abschätzen«, so die Einschätzung der Ökonom*innen. »Insbesondere eine weitere Verschärfung des Konfliktes sowie eine Ausweitung der Sanktionen können die deutsche und europäische Wirtschaft deutlich stärker belasten.« Da Deutschland stark von russischer Energie abhängig sei, berge ein Stopp dieser Lieferungen das Risiko, »dass die deutsche Volkswirtschaft in eine tiefere Rezession abrutscht und die Inflation noch stärker zunimmt«, warnte das Mitglied des Rats Monika Schnitzer.


Beschäftigungssituation noch entspannt – Arbeitslosigkeit sinkt dank Frühjahrsbelebung

Nach dem deutlichen Rückgang der Erwerbstätigkeit im 1. Halbjahr 2020 hat sich die Beschäftigung im Jahr 2021 sehr positiv entwickelt. Bedingt durch den negativen statistischen Überhang des Jahres 2020 veränderte sich die Erwerbstätigkeit im Jahresdurchschnitt 2021 jedoch kaum (+22.000). Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die bereits seit Juni 2020 stetig wächst, verzeichnete im vergangenen Jahr einen Anstieg um 321.000 Personen. Dementsprechend ist auch die Arbeitslosigkeit gefallen. Im Jahr 2021 waren durchschnittlich rund 2,6 Mio. Personen als arbeitslos registriert. Im Jahr zuvor lag der Durchschnitt noch um rund 82.000 Personen höher. Das Durchschnittsniveau des Vorkrisenjahres 2019 von knapp 2,3 Mio. Personen konnte jedoch nicht erreicht werden.

Diese Entwicklung hat sich auch in diesem Frühjahr fortgesetzt. Ungeachtet erster wirtschaftlicher Auswirkungen des russischen Überfalls auf die Ukraine ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland dank der üblichen Frühjahrsbelebung im März weiter gesunken. Nachdem die coronabedingten Einschränkungen den wirtschaftlichen Aufschwung zum Jahreswechsel ausgebremst hatten, verbessern Lockerungen nun die Lage insbesondere im Gastgewerbe und im Handel.

Die Arbeitslosigkeit ging von Februar auf März um 66.000 oder 3% auf 2.362.000 zurück. Die Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit), die Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik und kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt, ist im März saisonbereinigt um 23.000 gesunken. Damit hat sich der saisonbereinigte Rückgang von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung weiter fortgesetzt.

Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen im März um 465.000 oder 16% zurückgegangen, nach -476.000 oder ebenfalls -16% im Februar. Die Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) ist gegenüber dem Vorjahr um 479.000 oder 13% auf 3.110.000 gesunken, nach 482.000 oder ebenfalls -13% im Februar.

Im Vergleich mit dem Vorkrisenniveau liegt die Arbeitslosigkeit in saisonbereinigter Rechnung noch um 28.000 oder 1% über dem Vorkrisenmonat vom März 2020, während die Unterbeschäftigung das Vorkrisenniveau schon um 132.000 oder 4% unterschreitet. Der erhöhende Corona-Effekt in der Arbeitslosigkeit erklärt sich vor allem damit, dass im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit weniger Personen an entlastender Arbeitsmarktpolitik teilnehmen oder arbeitsunfähig erkrankt sind.

Durch die Lockerungen in der Corona-Politik und die beginnende Frühjahrsbelebung sinke die Arbeitslosigkeit und steige die Beschäftigung. »Folgen des Krieges in der Ukraine zeigen sich in den Arbeitsmarktdaten momentan nur vereinzelt«, betonte Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied bei der Bundesagentur für Arbeit. »Die Gefahren, die von einer weiteren Eskalation und beispielsweise Lieferstopps fossiler Rohstoffe ausgehen, belasten jedoch die weitere wirtschaftliche Entwicklung.«


Plus bei Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung

Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lassen in den aktuellen saisonbereinigten Daten noch immer eine deutliche Aufwärtsbewegung erkennen. So lag die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung im Januar um 346.000 oder 1,5% und die sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung um 310.000 oder 3,2% über dem Vorjahreswert.

Im Vorjahresvergleich wurden im Januar in fast allen Branchen Anstiege ausgewiesen. Die größten absoluten Zuwächse registrierten die Qualifizierten Unternehmensdienstleistungen (+87.000 oder +3,3%), der Handel (+77.000 oder +1,7%) und das Gesundheitswesen (+73.000 oder +2,8%). Auch das Gastgewerbe kann erneut einen Anstieg verbuchen (+33.000 oder +3,4%), allerdings wird das Vorkrisenniveau dort immer noch deutlich unterschritten.

Einen nennenswerten Rückgang gegenüber dem Vorjahr gab es nur noch in der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie (-10.000 oder -0,2%), in der schon vor der Corona-Krise ein Beschäftigungsabbau zu beobachten war. Dort wird die Entwicklung bereits seit einigen Monaten zudem von Lieferproblemen bei Rohstoffen und Vorprodukten beeinträchtigt.

Die sonstigen Formen der Erwerbstätigkeit haben am aktuellen Rand saisonbereinigt abgenommen. So ist die Zahl der Selbständigen (einschließlich mithelfender Familienangehöriger) im vierten Quartal 2021 saisonbereinigt noch etwas gesunken. Gegenüber dem Vorjahr nahm sie um 69.000 oder 1,7% auf 3,91 Mio. ab.

Die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten hat sich nach ersten Hochrechnungen der Statistik der Bundesagentur für Arbeit im Januar saisonbereinigt um 11.000 verringert. Im Vergleich zum Vorjahr nahm die ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung im Januar um 5.000 oder 0,1% auf 4,05 Mio. zu. Anders als die sozialversicherungspflichtige liegt die ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung weiter deutlich unter dem Vorkrisenniveau (saisonbereinigt gegenüber dem Februar 2020: -421.000).

Dagegen hat die Zahl der geringfügig entlohnt Beschäftigten im Nebenjob im Januar zugenommen. Im Vorjahresvergleich ist ebenfalls eine Zunahme zu verzeichnen. So waren im Januar 3,07 Mio. oder 9,0% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zusätzlich im Nebenjob geringfügig entlohnt beschäftigt, 230.000 oder 8,1% mehr als vor einem Jahr. Das Vorkrisenniveau wird hier deutlich übertroffen.


Minijobs: Von der Armut in die Armut

Insgesamt gibt es in Deutschland laut Bundesagentur für Arbeit rund 7,1 Mio. Minijobber*innen im Gewerbe und in Privathaushalten. Über die Hälfte von ihnen sind Frauen. Für viele ist es kein Neben-, sondern ihr einziger Job. Manche haben gleich mehrere Minijobs. Viele leben in schlechteren Bedingungen als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, laut IAB rund ein Viertel davon in Haushalten mit wenig Einkommen; jede*r sechste (17%) bezieht nebenher Grundsicherung.

Oft sind Minijobs schlecht bezahlt (siehe hierzu Minijobs: Von der Armut in die Armut, einblick-Themenschwerpunkt 29.3.2022). Minijob-Stellen sind häufiger befristet, es gibt selten schriftliche Arbeitsverträge oder vertraglich vereinbarte Arbeitszeiten. Gesetzliche Arbeitszeitregeln werden teils missachtet. Oft wird kein Urlaubsgeld gezahlt oder – obwohl es einen Anspruch darauf gibt – der Lohn im Krankheitsfall nicht weitergezahlt.

Fällt der Job weg, besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Es gibt kein Kurzarbeitergeld. In der Pandemie waren es diese Beschäftigten, die als erste gehen mussten – über 500.000 verloren ihre Jobs. Und da die meisten Minijobber*innen die freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung nicht zahlen, drohen vielen Nachteile bei Rentenleistungen.

Wer länger in einem Minijob arbeitet, verliert zudem an Qualifikation – es wird schwerer, in Arbeit zu wechseln, für die man qualifiziert ist. Das ist keine Kleinigkeit: Rund zwei Millionen Minijobber*innen sind für ihre Tätigkeit überqualifiziert. Für viele Frauen wird der Minijob zur Teilzeitfalle – einmal Minijob, immer Minijob. Die Folgen langjähriger Minijob-Arbeit können dramatisch sein: Menschen, die schon im Erwerbsleben häufig arm waren, rutschen mit dem Rentenalter in die Altersarmut.

Ab 1. Oktober 2022 soll die Minijobgrenze von bisher 450 Euro auf 520 Euro im Monat steigen und künftig mit jeder Mindestlohnerhöhung angepasst werden. Sie orientiert sich an zehn Stunden Wochenarbeitszeit zum Mindestlohn. Zusätzlich sollen im Übergang zu den Midijobs die Sozialversicherungsbeiträge, die Midijobber*innen zahlen müssen, für die Beschäftigten gesenkt werden; die Arbeitgeber sollen dagegen mehr zahlen. Damit soll der bisherige harte Sprung – erst keine Sozialversicherung, dann die volle Summe – zwischen Mini- und Midijob verhindert werden. Die Midijob-Grenze wird von 1.300 auf 1.600 Euro angehoben.


Noch keine Entwarnung – Langzeitarbeitslose als Verlierer

Eine der wesentlichen Stabilisatoren für die Beschäftigung während der Corona-Krise war und ist das Kurzarbeitergeld. Die Kurzarbeit in Deutschland ist in den letzten Monaten weitgehend stabil geblieben. Zwischen dem 1. und dem 27. März haben Betriebe für 113.000 Menschen konjunkturelle Kurzarbeit beantragt. Für den Februar hatte die Bundesagentur über Anzeigen für rund 200.000 Menschen berichtet. Daten zur tatsächlich in Anspruch genommenen Kurzarbeit liegen bis Januar vor. Damals wurde für 654.000 Arbeitnehmer konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt. Für den Dezember 2021 ging die Bundesagentur bisher von Zahlungen für 614.000 Menschen aus.

Entwarnung bedeuten die Zahlen allerdings nicht für den deutschen Arbeitsmarkt. So handelt es sich bei der Arbeitslosigkeit um einen »nachlaufenden Konjunkturindikator«. Mit anderen Worten: Es dauert eine Weile, bis sich wirtschaftliche Schocks auf die Beschäftigtenzahl auswirken, weil viele Firmen nicht sofort Personal abbauen wollen oder können.

Ausschließlich geringfügig Beschäftigte und Langzeitarbeitslose sind die Verlierer bei der Beschäftigungsentwicklung in der Zeit der Corona-Krise. Es ist zu einer deutlichen Verfestigung der Arbeitslosigkeit gekommen. Im Vergleich mit dem Monat vor Einsetzen der Corona-Krise, dem März 2020, hat die Zahl der Langzeitarbeitslosen, also der Personen, die länger als 12 Monate arbeitslos waren, um 246.000 oder 35% auf 955.000 zugenommen. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist in diesem Zeitraum von 30,3 auf 40,4% gestiegen.

Die coronabedingt höhere Langzeitarbeitslosigkeit seit April 2020 erklärte sich zum einen mit mehr Übertritten in Langzeitarbeitslosigkeit, weil Beschäftigungsaufnahmen und Förderungen vor Eintritt der Langzeitarbeitslosigkeit deutlich weniger geworden sind als im Vor-Corona-Zeitraum. Zum anderen beendeten seit April 2020 merklich weniger Langzeitarbeitslose ihre Arbeitslosigkeit, etwa durch eine Beschäftigungsaufnahme oder eine Fördermaßnahme.

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich im Vergleich zum Vorkrisenniveau vom März 2020 im Rechtskreis SGB III um 40% und im Rechtskreis SGB II um 34% erhöht. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen stieg im Rechtskreis SGB III von 8,9 auf 13,8% und im Rechtskreis SGB II von 44,4 auf 55,0%.

Der Bestand an gemeldeten Arbeitsstellen ist im März saisonbereinigt weiter gestiegen. Nicht saisonbereinigt belief sich der Bestand in diesem Monat auf 839.000 Arbeitsstellen. Das waren 229.000 oder 38% mehr Stellen als vor einem Jahr. Fasst man die Monate seit Beginn des zweiten Jahres der Corona-Krise zusammen, so wurden von April 2021 bis März 2022 rund 2,02 Mio. Stellen neu gemeldet, 22.000 oder 1,1% mehr als im Vor-Corona-Zeitraum April 2019 bis März 2020. Der coronabedingte Einbruch des Stellenbestandes ist damit mehr als ausgeglichen. Er erreicht – saisonbereinigt und in den Ursprungswerten – sogar einen Höchstwert.

Allerdings haben die Stellenzugänge in saison- und kalenderbereinigter Rechnung im März um 12.000 abgenommen, nach -3.000 im Februar und +1.000 im Januar. Der Rückgang bei den neu gemeldeten Stellen könnte die wirtschaftlichen Unsicherheiten in Folge des Ukrainekrieges widerspiegeln.


Unsichere Prognosen vor einer schwierigen Tarifrunde

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und seiner Folgen unterliegt die Vorausschau auf die weitere Beschäftigungs- und der Lohnentwicklung großer Unsicherheit. Ein Anhalten oder eine Verschärfung des russischen Angriffskrieges und der Sanktionen gegen Russland dürfte nicht nur darauf Einfluss haben, wie dynamisch Unternehmen Beschäftigung aufbauen. Im Fall einer Rezession könnten auch die Lohnforderungen moderater ausfallen.

Hingegen könnte die Fluchtmigration aus der Ukraine nach Deutschland positiv auf das Arbeitsangebot wirken und dazu beitragen, die bestehende Arbeitskräftenachfrage zu bedienen. Noch ist jedoch unklar, wie groß der Effekt sein wird und wie schnell die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hält längerfristige Perspektiven für Ukrainer*innen auf dem deutschen Arbeitsmarkt für unbedingt notwendig. »Das ist eine Frage der Humanität, aber das ist auch eine Frage der Vernunft.« Die Zerstörungen und die Länge des Krieges seien nicht absehbar, daher würden viele Menschen längere Zeit in Deutschland bleiben.

Rechtlich habe die Bundesregierung dafür gesorgt, dass die Menschen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten. In Absprachen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften will Heil die praktischen Fragen der Arbeitsmarktintegration lösen. Dabei geht es auch um die Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen: »Es kommen sehr, sehr viele Menschen zu uns, die auch eine gute Ausbildung haben. Die Ausbildungssysteme sind nicht eins zu eins vergleichbar – da müssen wir schneller werden.« Ziel sei es, dass die Menschen nicht in Hilfstätigkeiten gedrängt würden, gleichzeitig müsse die Kinderbetreuung und der Zugang zu Sprachkursen gesichert sein.

Obwohl sich die ökonomischen Rahmenbedingungen im zweiten Jahr der Corona-Krise (2021) bereits wieder deutlich verbessert haben, sind die Tarifzuwächse mit durchschnittlich 1,7% gegenüber dem Vorjahr mit 2,0% noch einmal etwas zurückgegangen (siehe hierzu Thorsten Schulten und WSI-Tarifarchiv, Tarifpolitischer Jahresbericht 2021, Februar 2022). Gegenüber den Boomjahren 2018 und 2019, in denen die Tariflöhne relativ kräftig um 3,0 bzw. 2,9 % anstiegen, fällt der nominale Tarifzuwachs unter den Bedingungen der Corona-Krise jedoch insgesamt deutlich geringer aus.

Deshalb dürften die derzeitige Inflation sowie die höheren Inflationserwartungen die Lohnforderungen der Beschäftigten prägen und zu einem höheren Lohnwachstum führen. Aufgrund der zeitlichen Verzögerung von Tarifverhandlungen dürfte die Dynamik aber vor allem im späteren Verlauf des Prognosezeitraums zunehmen. Für das Jahr 2022 erwartet der Sachverständigenrat ein Wachstum der Effektivlöhne von 2,5%, im Folgejahr könnte es 4,4 % betragen. Die nominalen Lohnstückkosten dürften in den Jahren 2022 und 2023 um 3,0% beziehungsweise 2,1% steigen, real dürften sie in beiden Jahren jedoch fallen. Im Klartext heißt dies, dass angesichts der hohen Steigerungsraten für die Lebenshaltungskosten die Lohnabhängigen ihren bisherigen Lebensstandard nicht werden halten können. Die Hoffnung auf eventuelle Kompensationen durch die staatlichen Institutionen ist illusionär.


Öffentliche Finanzen auf Talfahrt?

Das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit im Jahr 2021 ist mit rund 132,5 Mrd. Euro (3,7% in Relation zum BIP) geringer als erwartet ausgefallen. Hierzu haben insbesondere Mehreinnahmen im Bereich der direkten sowie indirekten Steuern beigetragen. Auf der Ausgabenseite haben sich bedeutende Mehrausgaben u.a. im Bereich der Vorleistungen ergeben, die auf gesteigerte Ausgabenbedarfe im Kontext der Impfkampagne zurückzuführen sind. Ungenutzte Ausgabenberechtigungen wurden hingegen im Rahmen des zweiten Nachtragshaushalts des Jahres 2021 in den neu geschaffenen Klima- und Transformationsfonds verschoben und sollten sich somit erst in der Zukunft bei Verwendung in dem Finanzierungssaldo widerspiegeln.

Für das Jahr 2022 rechnet der Sachverständigenrat mit einem gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizit in Höhe von 97,3 Mrd. Euro (2,6% in Relation zum BIP). Die Schuldenstandsquote dürfte zum Ende des Jahres auf 68,6% zurückgehen. Dieser Entwicklung liegen verschiedene Einflussfaktoren zugrunde. Vom Entfallen einiger fiskalpolitischer Maßnahmen, die im Konjunkturpaket sowie mit Bezug zur Corona-Pandemie ergriffen wurden, sollte ein restriktiver Teilimpuls ausgehen.

Von den Maßnahmen der neuen Bundesregierung angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, steigender Energiepreise sowie dem 2. Regierungsentwurf für den Haushalt des Jahres 2022 sollten hingegen bedeutende expansive Teilimpulse resultieren. Hierbei sind beispielsweis das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz, das Steuerentlastungsgesetz 2022 sowie Mehrausgaben im Bereich der Verteidigung zu nennen.

Für das Jahr 2023 erwartet der Sachverständigenrat ein gesamtstaatliches Finanzierungsdefizit in Höhe von 89,8 Mrd. Euro (2,2% in Relation zum BIP) und eine Schuldenstandsquote zum Ende des Jahres in Höhe von 66,2%. Während weiterhin Entlastungen durch den Rückgang von Ausgaben mit Bezug zur Corona-Pandemie zu erwarten sind, dürften Mehrausgaben insbesondere aus der Ausweitung der Verteidigungsausgaben sowie dem Alterseinkünftegesetz resultieren.

Unter dem Strich kann man festhalten, dass von einer massiven Verschlechterung der öffentlichen Finanzen keine Rede sein kann. Das Gegensteuern der öffentlichen Institutionen in diesen Krisenzeiten muss positiv bewertet werden.

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