14. Juni 2025 Redaktion Sozialismus.de: Die Lage im Nahen Osten spitzt sich zu
Die israelische Rechtsregierung überfällt den Iran
Israel hat mit einem Großangriff auf iranische Städte und Atomanlagen begonnen. Der israelische Kriegsminister Israel Katz sprach von einem »Präventivschlag«, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von einem »erfolgreichem Eröffnungsschlag«. Inzwischen berichteten iranische und israelische Medien von neuen Angriffen. Die Operation trägt den Namen »Rising Lion«.
Das iranische Atomprogramm stelle eine existenzielle Bedrohung für Israel dar, begründete ein israelischer Militärvertreter den Angriff. Teheran betreibe ein geheimes Programm zum Bau von Atomwaffen und verfüge über genügend Material zur Herstellung von 15 Atombomben. Seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 ist die Lage in Nahost immer weiter eskaliert. In der Nacht zum 17. Mai gab Israel den Beginn einer neuen Großoffensive im Gazastreifen bekannt. Die humanitäre Lage dort ist völkerrechtswidrig, monatelang verweigerte Israel die Einfuhr von Hilfsgütern. Der jetzt geführte Schlag gegen den Iran lässt sich als Versuch begreifen, eine Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens im Sinne Israels zu vollenden oder wenigstens weiter voranzubringen.
Bei dem völkerrechtswidrigen israelischen Großangriff im Iran sind alleine in der Provinz Teheran nach Medienberichten mindestens 78 Menschen getötet, 329 seien verletzt worden, berichteten iranische Medien. Offizielle Angaben über Opfer gab es zunächst nicht. Ziel der israelischen Angriffe in Teheran waren neben Militäreinrichtungen vor allem hochrangige Offiziere.
US-Präsident Donald Trump hat sich laut Medien positiv über den israelischen Angriff geäußert. »Ich denke, es war ausgezeichnet«, sagte Trump. »Wir haben ihnen eine Chance gegeben und sie haben sie nicht genutzt.« Iran sei so hart getroffen worden, wie man nur getroffen werden könne. »Und es wird noch mehr kommen. Sehr viel mehr.« Auf der Plattform Truth Social betonte Trump in einem neuen Post zudem, dass er dem Iran vor zwei Monaten ein Ultimatum von 60 Tagen gestellt habe, um einen »Deal« zu machen. »Sie hätten es tun sollen! Heute ist Tag 61«, schrieb er. Das Land hätte einfach nicht getan, was er ihnen gesagt habe. »Jetzt haben sie vielleicht eine zweite Chance.«
Irans Präsident Massud Peseschkian sieht sich im Krieg und hat Israel mit Vergeltung gedroht. »Die iranische Nation und die Verantwortlichen des Landes werden angesichts dieses Verbrechens nicht schweigen«, sagte er in einer Videobotschaft, die vom iranischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde. Die »legitime und starke Reaktion« der Islamischen Republik werde »den Feind seine dumme Tat bereuen lassen«, fügte er hinzu. Irans Außenminister Abbas Araghchi wertet die israelischen Angriffe als Kriegserklärung. Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Chamenei drohte mit »einer harten Bestrafung«.
Zur Vergeltung schickte Iran mehr als 100 Drohnen in Richtung Israel. Diese wurden nach israelischen Angaben bereits außerhalb des Landes abgefangen. Es wird zudem mit iranischen Raketenangriffen gerechnet.
Der Großteil der politischen Klasse der Berliner Republik steht hinter dem Überfall Israels. In der internationalen Ordnung wird seit längerem diskutiert, ob ein solcher Präventivschlag zur Vernichtung der Kapazität zum Atomwaffenbau legitim ist. Doch der entscheidende Punkt ist: Die Mehrzahl der Mitglieder der Staatengemeinschaft sieht diese Frage nicht mehr als relevant, weil man sich nicht mehr an Verträge gebunden fühlt. Man verweist auf Groß- und Vetomächte im UN-Sicherheitsrat, die selbst außerhalb des Völkerrechts agieren. Die Frage, ob Israel nur einer Bedrohung zuvorkommt, wird aber zumindest aus Europa zunehmend adressiert werden.
Der sächsische Ministerpräsident und Vize-Vorsitzende der CDU, Michael Kretschmer, warnte Israel davor, seinen Ruf als Demokratie und Rechtsstaat zu gefährden. »Es ist eine große Spirale der Gewalt. Und ich finde es richtig, dass wir auch als Deutschland jetzt [...] deutlich machen, dass alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit ist«, sagte er. Angesichts dessen, was im Gaza-Streifen passiere und nun im Iran, spüre und beschäftige das die deutsche Bevölkerung. Auch Israel könne »sich ins Unrecht setzen«. »Es liegt sehr an Israel, diesen großen Ruf, den dieses Land hat – einzige Demokratie, einziger Rechtsstaat im Nahen Osten – nicht zu verspielen.«
Der oberste UN-Atomwächter, Rafael Grossi, hat den israelischen Präsidenten Izchak Herzog über »schwere Schäden« an der Anlage informiert. Die iranische Atomenergiebehörde bestätigte Schäden, die »größtenteils« über dem Erdboden entstanden seien, wie Behördensprecher Behruz Kamalvandi sagte. Es habe an der Anlage »keine Verletzten« gegeben.
Laut Israel kam fast die gesamte Führung der iranischen Revolutionsgarden-Luftwaffe bei dem Schlag ums Leben. »Der Verteidigungsminister wurde darüber informiert, dass der Großteil der Führung der Luftwaffe der Revolutionsgarden während einer Sitzung in ihrem unterirdischen Hauptquartier neutralisiert wurde«, erklärte das israelische Verteidigungsministerium. Die Luftwaffe der Revolutionsgarden ist u.a. an der Überwachung des iranischen Luftraums und der Kontrolle des ballistischen Raketenarsenals des Landes beteiligt.
Israel hat mit 200 eingesetzten Kampfjets gegen 100 Ziele defensive und offensive Fähigkeiten des Iran zerstört und zusätzlich noch Standorte des Nuklearprogramms angegriffen und zudem zahlreiche Atomwissenschaftler getötet. Hier wurden wesentliche Fähigkeiten des Iran vernichtet. Israel schafft es immer wieder, auch in Zeiten diverser kriegerischer Aktivitäten in Gaza, im Westjordanland und im Libanon, die jeweiligen Akteure substanziell zu schwächen.
Aufgrund vieler Sabotageakte und auch Anschlägen durch die israelischen Geheimdienste und gezielten Tötungen bereits in der Vergangenheit ist das Militärpotenzial des Iran sehr resilient geworden. Gerade mit Blick auf das Töten von Schlüsselpersonen, sollte deren Verlust einen weitreichenden Effekt haben. Über die Jahre ist es dem Iran jedoch gelungen, Personen sehr schnell zu ersetzen.
Das gern auch von der israelischen Rechtsregierung bemühte Argument, dass im Iran ein autoritäres System an der Macht sei, ist vor dem Hintergrund des fortschreitenden Demokratieabbaus im eigenen Land und vor allem gegenüber arabischen Bürger*innen Israels mehr als zynisch. Änderungen des politischen Systems im Iran wird jedoch nur über einen gesellschaftlichen Wandel erreicht werden können. Und nur durch inneren Druck auf das dortige Regime wird auch dessen Ziel, Israel zu vernichten, abwenden, um einen dauerhaften Frieden in Nahost zu erreichen.
Israels Überfall auf den Iran hat unmittelbare Folgen auf den Ölpreis. Nach dem Angriff auf Atomanlagen und militärische Ziele schossen die Kurse für Öl heftig nach oben. Im asiatischen Handel sprang der Ölpreis für ein Barrel der US-Sorte WTI um rund 12% auf 76,22 US-Dollar, das Barrel der Nordseesorte Brent verteuerte sich um knapp 12% auf 77,46 US-Dollar. Später entspannte sich die Lage zwar leicht, der Anstieg blieb aber weiterhin signifikant: WTI kostete zwischenzeitlich 72,48 Dollar (Anstieg um 6,5% zu vor dem Angriff), Brent wurde mit 73,80 Dollar gehandelt (Anstieg um 6,4%).