Trumps Triumph?
Dienstag, 21. Januar 2025 | Berlin | 19:00 Uhr | RLS, Straße der Pariser Kommune 8A (auch Online)
Ingar Solty wird im Gespräch mit der Professorin für Politikwissenschaft Margit Mayer die Thesen seiner Anfang Februar erscheinenden Flugschrift zu den Folgen der US-Präsidentschaftswahlen vorstellen.

Rudolf Hickel
Schuldenbremse
oder »goldene Regel«?

Verantwortungsvolle Finanzpolitik für die sozial-ökologische Zeitenwende | Eine Flugschrift
96 Seiten | € 12.00
ISBN 978-3-96488-226-4

Christoph Scherrer/
Ismail D. Karatepe (Hrsg.)
Arbeit in der Lieferkette
Miserable Arbeitsbedingungen auf See und in den Häfen
192 Seiten | € 18.80
ISBN 978-3-96488-220-2

Peter Renneberg
Handbuch Tarifpolitik und Arbeitskampf
5., aktualisierte Ausgabe
232 Seiten | € 19.80
ISBN 978-3-96488-224-0

Hans-Jürgen Urban (Hrsg.)
Gute Arbeit gegen Rechts
Arbeitspolitik: Theorie, Praxis, Strategie – Ausgabe 2024
136 Seiten | EUR 10.00
ISBN 978-3-96488-225-7

Torsten Teichert
Die Entzauberung
eines Kanzlers

Über das Scheitern der Berliner Politik | Eine Flugschrift
108 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-216-5

9. Januar 2025 John McDonnell: Riffe rechts und links voraus

Die Labour Party in flachen Gewässern

14 Jahre lang kämpfte die Labour Party, um die Tories aus der Regierung zu verdrängen. Dann, im Juli letzten Jahres, gewann sie die Parlamentswahlen mit der größten Mehrheit an Sitzen in der jüngeren Geschichte. Nur ein halbes Jahr später sind viele, die mit Labour sympathisieren, verunsichert. Was beunruhigt sie?

Die Parteiführung will den Eindruck vermitteln, alles unter Kontrolle zu haben. Aber viele Labour-Abgeordnete sind nur mit einer knappen Mehrheit gewählt worden, die bei den nächsten Wahlen von konkurrierenden Kandidat*innen leicht übertroffen werden könnte. Die anhaltend deprimierenden Umfragewerte und die Tatsache, dass der Stimmenanteil der Labour Party bei vielen Nachwahlen zu Kommunalparlamenten in den letzten sechs Monaten eingebrochen ist, verstärken den Eindruck der Instabilität.

Die harte Realität ist, dass Labour nicht auf einer Welle der Popularität gewählt wurde. Das Mehrheitswahlrecht verschleierte den geringen Stimmenanteil von nur 34%. Die ersten sechs Monate im Amt waren zudem von einer Reihe von Maßnahmen überschattet, die Teile der Labour-Anhängerschaft unnötig verärgerten: die Kürzung des Heizkostenzuschusses im Winter für Rentner*innen, die Weigerung, die Begrenzung des Kindergeldes auf zwei Kinder aufzuheben, die Erhöhung der Studiengebühren und die Verweigerung von Gerechtigkeit für die WASPI-Frauen (Women Against State Pension Inequality), die Anfang der 2000er-Jahre von den Behörden nicht über die Anhebung des Renteneintrittsalters für Frauen informiert wurden und denen bis heute eine Entschädigung für die verlorenen Rentenansprüche verweigert wird.

Gleichzeitig hat sich die Partei in der Gaza-Frage weitgehend in Schweigen gehüllt und den Eindruck erweckt, als müsse sie gezwungen werden, etwas Vernünftiges zu sagen oder zu tun, um den Völkermord zu stoppen.

Die Standardantwort  der Labour-Regierung lautet: »Keine Panik«. Bis zu den nächsten Wahlen sind es noch vier Jahre, und bis dahin wird die Regierung die Wirtschaft wieder in Schwung gebracht und für das Wachstum gesorgt haben, das notwendig ist, um die Steuern zu generieren, mit denen die dramatischen Verbesserungen unserer öffentlichen Dienstleistungen finanziert werden. Keine Sorge: Wahlkampfgenie Morgan McSweeney arbeitet bereits am Plan für 2029.

Es stimmt, dass vier Jahre in der Politik wie eine Ewigkeit erscheinen können. Aber spätestens zur Halbzeit einer Legislaturperiode bilden sich die Menschen in der Regel ein Urteil über eine Regierung. Die Zukunft darauf aufzubauen, innerhalb von 18 Monaten das ambitiöse Ziel eines außergewöhnlichen Wirtschaftswachstums zu erreichen, würde Sir Humphrey in der TV-Satire Yes Minister als »mutig« bezeichnen.

Die politische Taktik bis zu den nächsten Parlamentswahlen scheint auch darauf abzuzielen, die Bedrohung für die Labour Party im rechten Parteienspektrum zu verorten. In einer Erklärung nach der anderen machen die Regierungsmitglieder die Migrationsfrage zum Thema, wobei sie sich manchmal gefährlich nahe an dem von den Konservativen so geliebten Slogan »Stoppt die Boote« bewegen.

Was aber, wenn die Bedrohung für Labours Zukunft nicht nur von rechts, sondern auch von links kommt? Über Generationen hinweg basierte die Organisation der Partei vor allem auf einem Prinzip, das sie sorgsam pflegte: dem Prinzip der »broad church«, einer Organisation, die in der Lage ist, eine Vielzahl progressiver Ideen und Ziele zu vereinen und das Engagement und die Talente eines breiten Spektrums von Menschen von links, rechts und aus der Mitte zu nutzen.

Die derzeitige Parteiführung hat diese Tradition verworfen und sich stattdessen darauf konzentriert, die »broad church« zu spalten, indem sie die Personen und die Politik der traditionellen Labour-Linken eliminiert. Viele überzeugte Labour-Mitglieder und -Sympathisant*innen haben das Gefühl, nicht mehr erwünscht zu sein.

Wenn diese strategische Ausrichtung überhaupt eine Grundlage hat, dann vielleicht das alte Argument von Peter Mandelson, dass in einem Mehrheitswahlsystem progressive und linke Wähler*innen realistischerweise keine andere Wahl haben als Labour zu wählen. Im Moment stimmt das weitgehend. Aber es gibt Warnsignale für kommende Probleme. Seit den Wahlen 2017, bei denen Labour 3,5 Mio. Stimmen hinzugewann, seinen Stimmenanteil auf 40% erhöhte und zuvor von den Konservativen gehaltene Sitze in »blauen Hochburgen« wie Canterbury und Kensington eroberte, sind viele progressive und linke Wähler*innen zu den Grünen und den Liberaldemokraten gewechselt. Viele, die über Gaza besorgt sind, haben für unabhängige Kandidat*innen gestimmt, von denen einige ihr Wahlkreismandat gewinnen konnten.

Bislang ist dies jedoch nicht in nennenswertem Umfang geschehen. Die Niederlagen bei den Nachwahlen zu den Kommunalparlamenten scheinen eher auf die Enttäuschung von Labour-Wähler*innen zurückzuführen zu sein, die zu Hause geblieben sind, als auf Wähler*innen, die aktiv zu anderen Parteien übergelaufen sind. In vielen der 2024 von Labour gewonnenen Wahlkreisen war der Vorsprung jedoch sehr knapp. Die größte Gefahr für künftige Wahlen besteht darin, dass desillusionierte Labour-Anhänger*innen zu Hause bleiben, aber es besteht auch ein breiteres, sekundäres Risiko, dass das Mehrheitswahlrecht den großen Parteien nicht mehr den Schutz bietet, den es in der Vergangenheit geboten hat.

Ein-Themen-Parteien wie die rechtspopulistische Partei Reform UK stellen die etablierten Parteien bei Wahlen bereits vor große Herausforderungen. Es stimmt, dass neue linke Parteien unter dem Mehrheitswahlrecht oft gescheitert sind. In der Vergangenheit fehlte es ihnen an Glaubwürdigkeit oder sie degenerierten zu Sekten mit internen Streitigkeiten. Dennoch müssen die Strategen der Labour-Parteiführung vorsichtig sein. Selbst wenn eine Partei, die Labour von links herausfordert, nur eine begrenzte Anzahl von Stimmen erhält, könnte dies Labour in vielen Wahlkreisen, in denen ihre Abgeordneten über eine hauchdünne Mehrheit verfügen, teuer zu stehen kommen.

Die politischen Verantwortlichen und angestellten Berater*innen der Labour Party sollten sorgfältig überlegen, bevor sie die breite Basis ihrer Partei weiter aufbrechen. Andernfalls könnten sie die Chancen von Labour nicht nur im Jahr 2029, sondern auch in der ferneren Zukunft gefährden. Da Reform UK mit ihrem Vorsitzenden Nigel Farage und die Konservative Partei mit ihrer neuen Vorsitzenden Kemi Badenoch noch weiter nach rechts rücken, ermutigt durch Interventionen von Persönlichkeiten wie Elon Musk, ist die Notwendigkeit einer starken und geeinten progressiven Linken größer denn je.

John McDonnell ist seit 1997 Abgeordneter für den Wahlkreis Hayes & Harlington im Westen Londons und war von 2015 bis 2020 finanzpolitischer Sprecher (Shadow Chancellor) der Labour-Fraktion. Am 23. Juli 2024 schloss ihn die Labour-Führung zusammen mit sechs weiteren Abgeordneten für zunächst sechs Monate aus der Fraktion aus, weil die Gruppe gegen die Beibehaltung der Begrenzung des Kindergeldes und anderer Leistungen auf maximal zwei Kinder pro Familie gestimmt hatte. Seine hier dokumentierte Intervention (Übersetzung: Hinrich Kuhls) erschien zuerst am 6.1.2025 in The Guardian unter dem Titel There’s a threat lurking right underneath Labour’s nose – and it’s from the left.

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