Michael Brie
Projekt »Schönes China«
Die ökologische Modernisierung der Volksrepublik
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ISBN 978-3-96488-232-5

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Gine Elsner
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144 Seiten | Hardcover| € 16.80
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25. März 2020 Redaktion Sozialismus

Die USA in der Corona-Krise

Foto: The National Guard/flickr.com (CC BY 2.0)

Nach mehrtägigen Verhandlungen konnten sich die US-Regierung sowie die Republikaner und Demokraten im Kongress auf die Details eines großen Stützungsprogramms verständigen. Das zwei Bio. US-Dollar schwere Konjunkturpaket soll die Folgen der Corona-Krise abfedern.

Zum Vergleich: Während der Finanzkrise 2008/09 wurden ein Konjunkturprogramm von etwa 800 Mrd. US-Dollar und ein Bankenrekapitalisierungsprogramm (Tarp) von 700 Mrd. US-Dollar aufgelegt.

Die Hauptbausteine des neuen Programms: Einmalzahlungen an den Großteil der US-Bürger*innen – sie können auf einen 1.200-US-Dollar-Check hoffen, pro Kind soll die Unterstützung 500 US-Dollar betragen. Außerdem soll es eine Ausweitung des Arbeitslosengelds und ein 367 Mrd. US-Dollar schweres Programm zur Unterstützung von Kleinunternehmen geben. Es handelt sich dabei um Kredite der Small Business Administration (SBA), die über das Bankensystem abgewickelt werden. Firmen mit bis zu 500 Angestellten sollen ausreichend Gelder anzapfen können, um etwa zwei Monate die Löhne und gewisse Unkosten decken zu können. US-Finanzminister Steven Mnuchin verspricht unbürokratische Hilfe: Jedes Unternehmen könne in der Regel den SBA-Kredit bei seiner Hausbank beantragen und rasch abrufen.

500 Mrd. US-Dollar sollen zur Unterstützung von großen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. 75 Mrd. US-Dollar davon sind für direkt vom Finanzministerium vergebene Kredite und Garantien bestimmt und 425 Mrd. US-Dollar als Sicherheit für den Ausbau der Sonder-Kreditfazilitäten der Zentralbank. Laut Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow will man so die Feuerkraft des 2-Bio.-US-Dollar-Hilfspakets um vier auf insgesamt sechs Bio. US-Dollar hochhebeln.

Über die Modalitäten wurde kontrovers verhandelt. Ursprünglich waren kaum Kontrollen vorgesehen. Nun sollen immerhin ein Inspektor und ein parlamentarisches Aufsichtsgremium zur Überwachung der Kreditvergabe eingesetzt werden, ähnlich wie beim früheren Bankenkapitalisierungsprogramm Tarp.

Auch die Krankenhäuser sollen Zuschüsse erhalten: 150 Mrd. US-Dollar an Direkthilfe für Spitäler und das Gesundheitswesen. Gerungen wurde darüber hinaus über eine Aufstockung der Leistungen des Ernährungssicherheitsprogramms SNAP sowie über Budgethilfen für Gliedstaaten und lokale Behörden.

Die New York Times sprach von dem Paket als dem größten der modernen Geschichte der USA. Und als »historisch einzigartig« bezeichnete es Bloomberg. Zum Vergleich: Im Zuge der Finanzkrise 2008 habe der damalige Präsident Barack Obama 800 Mrd. US-Dollar zur Verfügung gestellt. Diesmal seien es um 1.000 Mrd. mehr.

Begleitet werden diese Unterstützungsmaßnahmen durch eine offensive Kreditpolitik der US-Zentralbank (Fed). Das Fed geht auch weiter als 2008: es machte deutlich, dass es mindestens vorübergehend das gesamte US-Finanzsystem absichern und die amerikanische Wirtschaft flächendeckend mit Krediten versorgen wird.

Die Zentralbank will so viele US-Staatsanleihen und staatlich garantierte hypothekenbesicherte Wertpapiere kaufen wie für ein reibungsloses Funktionieren der Finanzmärkte und die Umsetzung der Geldpolitik nötig sind. Allein diese Woche wird das Fed täglich Staatsanleihen im Wert von ungefähr 75 Mrd. US-Dollar und Hypothekenpapiere im Wert von ungefähr 50 Mrd. US-Dollar kaufen. Darüber hinaus sollen ab dieser Woche auch verbriefte gewerbliche Hypothekendarlehen (CMBS) erworben werden.

Das Fed wird also weit über 600 Mrd. US-Dollar an Wertpapieren erwerben. Das stellt alle bisherigen Krisenmaßnahmen, auch die während und nach der Finanzkrise 2008/09 ergriffenen, in den Schatten, was sich auch in der Bilanz niederschlägt (siehe Abbildung).


 
Sämtliche stimmberechtigten Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses stimmten für die faktisch unlimitierten Käufe von Wertpapieren. Mit einer Reihe von neuen Maßnahmen solle u.a. der Kreditfluss an Haushalte und kleine Firmen unterstützt werden. Die Virus-Pandemie führe zu erheblichen Härten. Der Schritt sei deshalb notwendig. »Es ist klargeworden, dass unsere Wirtschaft mit erheblichen Unterbrechungen konfrontiert sein wird.«

Die Zentralbank führt neue Kreditprogramme ein, die zusammen bis zu 300 Mrd. US-Dollar an zusätzlichen Mitteln bereitstellen werden. Diese Fazilitäten werden mit 30 Mrd. US-Dollar aus einem speziellen Krisenfonds des US-Finanzministeriums garantiert. Darüber hinaus kündigt die Notenbank ein weiteres Programm an, das Kredite an kleine und mittlere Unternehmen vergeben kann.

Folgen der Corona-Krise

Das genaue Ausmaß der wirtschaftlichen Verwerfungen der Corona-Virus-Pandemie in den USA ist nicht absehbar. Viele Analysten befürchten inzwischen aber einen dramatischen Einbruch im zweiten Quartal und eine Rezession aufs ganze Jahr betrachtet. Viele Geschäfte sind derzeit geschlossen, Restaurants und Kinos bleiben leer, zahlreiche Reisen wurden ersatzlos gestrichen. Erste Daten lassen auch angesichts der Ausgangsbeschränkungen in vielen Bundesstaaten einen rapiden Anstieg der Arbeitslosenzahlen befürchten.

Wie in vielen anderen Staaten wurden in den USA regional Ausgangsbeschränkungen verhängt, ebenso nationale Einreiseverbote. Das öffentliche Leben ist teils zum Erliegen gekommen. Viele Geschäfte, Schulen und Betriebe wurden vorübergehend geschlossen, Veranstaltungen reihenweise abgesagt und größere Menschenansammlungen verboten.

Mit diesem »größten und mutigsten« Paket der US-Geschichte könnten die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie abgefedert werden, kommentierte US-Präsident Donald Trump die politische Einigung auf das Konjunkturpakt. Sobald die Krise ausgestanden sei, werde die US-Wirtschaft rasch wieder wachsen, versprach er. Er hoffe, dass die USA bis Ostern – also Mitte April – wieder im Normalbetrieb laufen könnten.

Aus Angst vor einer Rezession will Trump die USA nicht über lange Zeit stilllegen. Die von der Regierung zunächst für zwei Wochen angeordneten Einschränkungen enden demnächst. Danach werde die Lage geprüft und es könne eventuell noch »ein bisschen mehr Zeit« geben, sagte Trump. »Unser Land will wieder an die Arbeit«, so der US-Präsident: »Diese Heilung ist schlimmer als das Problem. Mehr Menschen werden sterben, wenn wir zulassen, dass es so weitergeht.« Die Menschen könnten Abstandsregeln und »Social Distancing« auch noch einhalten, wenn sie arbeiteten: »Sie sollen sich einfach nicht die Hand geben.« Die USA seien nicht dafür gemacht, den Betrieb herunterzufahren. »Man kann ein Land zerstören, indem man es dichtmacht«, sagte er.

Die USA waren auf eine Pandemie denkbar schlecht vorbereitet. Das Gesundheitssystem zeigte einen deutlichen Reformbedarf, sodass die Schwachpunkte infolge der Corona-Pandemie rasch sichtbar wurden. Trump hat, nachdem er die Gefahr zunächst verharmlost hatte, einen Kurswechsel vollzogen und sich als »wartime president« präsentiert. Das zwang auch seine »informellen Pressesprecher« auf Fox News dazu, die Wende rasch nachzuvollziehen. Sie warnen nun mit sorgenvollen Mienen vor einer Bedrohung, über die sie vor wenigen Tagen noch gespottet hatten, und loben die beispiellose Führung, die Trump an den Tag lege.

Trump hatte schließlich eingesehen, dass sich die Gefahr nicht wegreden lässt. Bei den täglichen Pressekonferenzen stellt er sich gern neben den Vizepräsidenten Mike Pence, der das Amt des Corona-Krisenmanagers nüchtern und effizient ausübt und damit zum ersten Mal in der Regierung Trumps Konturen gewonnen hat. Allerdings kann auch Pence nicht verdecken, dass die USA für eine solche Pandemie denkbar schlecht gerüstet waren. Fast überall mangelt es an der Möglichkeit, breit und schnell auf Infektionen zu testen – außer man ist Mitglied eines berühmten Basketballteams oder sonst privilegiert. Zudem zeichnet sich ab, dass den Institutionen zur Krankenpflege das Material zwischen den Fingern zerrinnt. Vor allem Artikel zum persönlichen Schutz drohen in wenigen Wochen auszugehen, daneben aber auch einfache medizinische Güter wie die Stäbchen, mit denen Abstriche für die Tests gemacht werden.

Bis jetzt ist der Handlungsdruck vor allem in Gliedstaaten an den Küsten – New York, Washington und Kalifornien – sprunghaft angestiegen, doch dabei dürfte es nicht lange bleiben. Mehrere Gouverneure haben in ihren Gliedstaaten informelle Ausgangssperren verhängt, in vierzig Gliedstaaten schlossen sie die Schulen. Umfassende Quarantäne-Anordnungen, die lokale Behörden oder jene der Gliedstaaten verhängen könnten, wurden bisher erst theoretisch erörtert – für den Fall, dass die steile Kurve der Neuansteckungen sich nicht unter Kontrolle bringen lässt. Die Regierung in Washington könnte Quarantäne-Maßnahmen an den Außengrenzen des Landes und an den Grenzen zwischen den Gliedstaaten durchführen.

Weil sich Trump als »Präsident in Kriegszeiten« versteht, ist sein Blick als Erstes aufs Militär gefallen. Er ließ zwei Spitalschiffe der Navy in Kalifornien und New York anlegen, um notfalls bei der Pflege von Zivilpersonen mitzuhelfen. Über weitere unterstützende Maßnahmen, etwa mit Feldlazaretten oder dem Einsatz von Angehörigen der Streitkräfte, wird diskutiert. Doch die Anlagen und Prozeduren des Militärs sind laut Verteidigungsminister Mark Esper für die Kriegsmedizin geschaffen und damit für die Bewältigung ansteckender Krankheiten nur bedingt geeignet.

Das Militär kann jedoch ab sofort dringend benötigtes Material aus seinen Beständen zur Verfügung zu stellen, in erster Linie Atemschutzmasken und Schutzkleidung für medizinisches Personal. Trump aktivierte auch ein Gesetz aus dem Jahr 1950, das der Regierung die Befugnis gibt, die Industrieproduktion auf die militärischen Bedürfnisse zu trimmen. Das Gesetz war im Korea-Krieg zum ersten Mal angewendet worden, vor allem im Bereich der Schwerindustrie. Später diente es im Kalten Krieg als Basis für die gezielte Unterstützung bestimmter Technologien, u.a. auch der Elektronik.

Trumps Idee ist unter anderem, Industrieanlagen, die wegen der Krise brachliegen, für die Herstellung von medizinischen Gütern wie etwa Beatmungsgeräten zu mobilisieren. Allerdings ist das einfacher gesagt als getan. Die Anforderungen an Präzision und eine keimfreie Umgebung sind bei der Medizintechnik doch etwas anders als beispielsweise in der Automobilindustrie.

Trotz dramatisch wachsender Fallzahlen in den USA will der US- Präsident die Einschränkungen für die Wirtschaft bis Ostern lockern. Trump argumentierte: Das Land habe ja auch keine ähnliche Maßnahmen gegen Verkehrsunfälle oder Grippewellen unternommen, in denen jedes Jahr Tausende sterben würden. Auf Nachfragen von Journalist*innen sagte er später, er werde seine Entscheidung in Übereinstimmung mit seinen medizinischen Berater*innen treffen. Nach Daten der Johns-Hopkins-Universität sind in den USA inzwischen mehr als 53.700 Infektionen mit dem Corona-Virus bestätigt – damit liegen die Vereinigten Staaten nur noch hinter China und Italien.

Laut Expert*innen steht den USA das Schlimmste noch bevor. Die Weltgesundheitsorganisation schließt nicht aus, dass die USA das neue Epizentrum der Pandemie werden könnten. Donald Trump hat die Entsendung von Notlazaretten nach New York, Washington und Kalifornien angeordnet, deren Auslieferung binnen 48 Stunden beginnen soll. Damit sollen in New York zunächst rund 1.000 zusätzliche Spitalbetten verfügbar sein, 2.000 in Kalifornien und noch einmal 1.000 in Washington. Das Lazarettschiff »Mercy« des US-Militärs mit weiteren 1.000 Betten soll etwa in einer Woche in Los Angeles in Dienst genommen werden, um die örtlichen Spitäler zu entlasten. Im ganzen Land sind bereits rund 10.000 Soldat*innen der Nationalgarde im Einsatz gegen das Virus, die Streitkräfte bereiten sich bereits auf weitere Missionen vor.


Trump sorgt sich vor allem um seine Wiederwahl

Die Politik des Weißen Hauses ist extrem widersprüchlich. Die Corona-Krise bringt das politische System in den USA an die Belastungsgrenze. Eine tiefe Spaltung der Gesellschaft, tiefe Gräben zwischen den Parteien und der bevorstehende Wahlkampf um eine zweite Amtsperiode für Trump schieben das politische System trotz der Verständigung auf ein historisch einmaliges Unterstützungspaket an den Rand der Handlungsunfähigkeit. Zwar sieht und bezeichnet sich der amtierende Präsident als »Präsident in Kriegszeiten«, allerdings verhält er sich nicht dementsprechend. Vielmehr wehrt er sich gegen Kritik und gibt anderen die Schuld, versucht sein eigenes Handeln im Nachhinein schönzureden und blendet die Öffentlichkeit mit übertriebenem Optimismus: Er verspricht Masken und Schutzkleidung, die dann doch nicht in den Krankenhäusern ankommen. Er schwärmt von Impfstoffen und Medikamenten, die schon bald eingesetzt werden könnten, nur um von seinen Expert*innen Minuten später korrigiert zu werden.

Trumps größte Sorge ist seine Wiederwahl im November. Seine Wahlstrategie basiert auf der passablen Wirtschaftslage, vor allem der geringen Arbeitslosigkeit. Bis vor wenigen Wochen hat er diese guten Wirtschaftsdaten als das herausragende Ergebnis einer Politik gefeiert. Mit der Corona-Pandemie hat sich diese Konstellation, die Wiederherstellung des amerikanischen Traums, als illusionär herausgestellt. Darum versuchte er die »Corona- Pandemie « lange kleinzureden. Aber nicht nur Trump steht im November zur Wahl – es geht auch um wichtige Mehrheiten im Kongress.

Die USA bezahlen einen hohen Preis für die Reform-Defizite bei der Krankenversicherung und im Gesundheitssystem. Krankenhäuser sind überfordert, weil dringend benötigte Hilfe auf sich warten lässt. Die Börsen brechen ein, weil sie der Politik nicht vertrauen. Ein versierter und mutiger Präsident im Weißen Haus könnte einen gesellschaftlichen Aufbruch organisieren und den Amerikaner*innen die Ermutigung für eine umfassende Gesellschaftsreform vermitteln. Bemerkenswert ist sicherlich die Verständigung auf ein historisch einmaliges Konjunkturpaket. Aber die Umsetzung in eine große Reformanstrengung ist damit noch nicht gewährleistet.

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