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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

12. April 2019 Joachim Bischoff

Ein heikler Punkt in der Konjunkturentwicklung

Christine Lagarde. Foto: International Monetary Fund/flickr.com (CC BY-NC-ND 2.0)

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, warnt deutlich vor der heraufziehenden konjunkturellen Schlechtwetterfront: Die globale Konjunktur sei an einem »heiklen Punkt« angekommen.

Die globale Wirtschaftskonstellation sei »unbeständig« – auch wegen politischer Einflüsse, etwa durch den Brexit. Vor allem die Handelskonflikte und die protektionistischen Manöver gegen die bestehende Freihandelsordnung machen dem IWF sorgen.

Die drohende Verhängung von Importzöllen für Autos könnte der IWF-Chefökonomin Gita Gopinath zufolge schlimmere Folgen für den Welthandel haben als der gegenwärtige Streit zwischen den USA und China. Der IWF sei besorgt über die Folgen derartiger Schritte für die Weltwirtschaft. Ein Übergreifen der Handelskonflikte auf die Autobranche könnte größere Teile der weltweiten Lieferketten treffen. »Das wäre daher tatsächlich deutlich schwerwiegender für die Weltwirtschaft als die jüngsten Spannungen zwischen den USA und China beim Handel«, sagte sie. US-Präsident Donald Trump hat mit der Verhängung von Zöllen auf Autoimporte gedroht.

Es hängt in hohem Maße vom Ausgang des Handelsstreits und vom Umgang mit den aktuellen Handelskonflikten ab, wie sich die globale Ökonomie in den nächsten Monaten entwickelt. Der IWF benennt die Punkte, die ab der zweiten Jahreshälfte 2018 zu einer bedeutenden Wachstumsverlangsamung beigetragen haben: Der Streit um das Ungleichgewicht in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und den USA ist eskaliert, der Versuch einer Verständigung auch auf dem Terrain des Technologie- und Wissenstransfers der beiden Weltmächte verzögert sich erheblich, die von der Trump-Administration erwartete Repatriierung von Auslandsgewinnen der US-Konzerne läuft schleppend, in China wurde die Kreditvergabe gestrafft, Argentinien und die Türkei sind in einen rezessiven Krisenstrudel verstrickt, die Autoindustrie in Deutschland kämpft mit Störungen in den Wertschöpfungsketten und die Finanzierungsbedingungen haben sich angesichts von Normalisierungsversuchen seitens der Geldpolitik verschärft. In der Politik bestimmt weiterhin Selbstzufriedenheit die Tonlage.



Das Weiße Haus nimmt die Abmahnung des Flugzeugproduzenten Airbus durch die Welthandelsorganisation (WTO) wegen unzulässiger Staatsbeihilfen zum Anlass, weitere Strafzölle zu erheben: Trump will Zölle auf europäische Produkte im Wert von elf Mrd. US-Dollar zusätzlich eintreiben. Auf seiner Liste stehen Olivenöl, Orangen und Wein. Die EU wirft als Reaktion den USA vor, Boeing zu subventionieren, und droht ihrerseits mit Maßnahmen. Es ist ein Streit, der schon seit 15 Jahren schwelt. Nun droht er zu eskalieren.

Trump hatte zuletzt immer wieder mit Zöllen auf europäische Autos gedroht – eine Maßnahme, unter der vor allem die deutsche Wirtschaft leiden würde. Das US-Handelsministerium hatte vor Kurzem einen Bericht vorgelegt, nach dem Autoimporte aus Europa eine Gefahr für die Nationale Sicherheit der USA darstellen würden. Diese Einschätzung ermöglicht es Trump, in einer Frist von 90 Tagen neue Abgaben einzuführen. Die Frist läuft Mitte Mai ab.

»Wir hoffen auf eine Lösung dieser Konflikte«, sagte Lagarde. »Verursacht keine Schäden!«, rief die IWF-Chefin den politischen Entscheidern zu. Sie bezeichnete die Zölle als »selbst zugefügte Wunden«. Und sie fürchtet, dass diese Wunden – zuerst geschlagen von Trump – das Wachstum der Weltwirtschaft bedrohen.

Schon jetzt lässt sich die Abschwächung des globalen Wachstums nicht weg reden: Die IWF-Ökonomen haben die globalen Wachstumsprognosen für 2019 von 3,5 auf 3,3% – wegen »negativer Revisionen« für die EU, die USA, Kanada, Lateinamerika und Australien – reduziert. 70% der Weltwirtschaft, so die These im neuen World Economic Outlook (WEO) des IWF, werden schon 2019 in einen Abschwung hinein gezogen.

Für die USA erwartet der IWF eine Wachstumsabschwächung von 2,9% (2018) auf 2,3% (2019) und schließlich 1,9% im US-Wahljahr 2020. Das ist weniger als die Hälfte der von Trump anvisierten 4%. Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone wird nach IWF-Schätzung von 1,8% (2018) auf 1,3% (2019) sinken und dann wieder leicht auf 1,5% (2020) steigen. In Deutschland läuft die Dreijahreskurve noch flacher: 1,5% (2018), 0,8% (2019), 1,4% (2020). Alle diese revidierten Zahlen liegen unter den ursprünglichen IWF-Prognosen vom Oktober vorigen Jahres.

Positiv hebt der Währungsfonds hervor: Die Notenbanken sind von ihren Versuchen abgerückt, die expansive Geld- und Kreditpolitik zurückzufahren. Das US-Federal-Reserve-System (Fed), die Europäische Zentralbank, die Bank of Japan und die Bank of England hätten jüngst allesamt wieder auf eine lockerere Politik umgeschaltet. China habe überdies fiskalpolitische Stimulierungsmaßnahmen ergriffen.

Der IWF, die OECD, aber auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS), blicken vor dem Hintergrund dieser Verschlechterung der Realwirtschaft mit Sorge auf die Finanzwelt. Weltweit wachsen die Sorgen bereits seit dem vergangenen Herbst, und beherrschen inzwischen große Teile der Finanzwelt. Der IWF-Manager Tobias Adrian hebt bei der Vorstellung des globalen Finanzstabilitätsberichts auch die erhöhten Risiken hervor. Die Ökonomen des IWF sind nicht nur besorgt über die Entwicklung der Staatsverschuldung in den USA, sie unterstreichen die Schwachstellen im Unternehmenssektor und bei Nichtbanken-Finanzintermediären. Nicht nur liegt die Schuldenquote der Firmen auf einem historisch hohen Niveau von rund 75% des Bruttoinlandprodukts (BIP), bei gewissen Kreditkategorien wie Leveraged Loans gibt der IWF deutliche Warnungen heraus. Der Kreditzyklus ist in den USA nach Ansicht des Währungsfonds weit fortgeschritten.

Leveraged Loans (Hochrisikokredite) werden an Unternehmen vergeben, die bereits hochverschuldet sind. Diese Kredite werden zudem in großem Umfang zu sogenannten Collateralized Loan Obligations (CLO) verbrieft und an Finanzinvestoren verkauft. Sie haben sich in den USA seit 2007 verdoppelt von 550 Mrd. US-Dollar auf über 1.100 Mrd. US-Dollar. Weltweit sind derzeit total etwa 1.300 Mrd. US-Dollar an solchen Krediten ausstehend. In den USA erreichen die Leveraged Loans inzwischen das Volumen des hochverzinslichen Anleihenmarkts, nachdem neue Akteure aufgetreten und Kreditnehmer und -geber aus dem hochverzinslichen Anleihenmarkt abgewandert sind, wo Investoren in der Regel genauer hinschauen.



Diese Hochrisikokredite für Unternehmen erhöhen den Verschuldungsgrad und die Liquiditätspuffer sind gering. Lockerere Standards, mehr Schuldner niedriger Bonität und unklare Gläubigerverhältnisse (Rangfolge) erhöhen laut dem IWF die Wahrscheinlichkeit von Notlagen im Falle einer plötzlichen Verschärfung der Finanzierungsbedingungen oder eines starken wirtschaftlichen Abschwungs. Die Verbriefungen dieser Hochrisikokredite verweisen auf die zurückliegende große Finanzkrise und die verbrieften Subprime-Hypotheken. Das Risiko eines erneuten Umschlags in eine schwere Finanzkrise ist unübersehbar.

Statt Verschärfung von Handelskonflikten geht es um Risikoverminderung

In dieser Unsicherheit und heiklen Phase müssten die politischen Institutionen um eine deutliche Verminderung der hohen Risiken bemüht sein. Kooperation sei zwingend, um sicherzustellen, dass wirtschaftspolitische Unsicherheiten nicht die Kreditketten überbelasten und die Investitionen bremsten. In der Haushaltspolitik seien Maßnahmen zur Nachfragestützung, zum Schutz der Sozialausgaben und Schuldentragfähigkeitsüberlegungen gegeneinander abzuwägen. In der Finanzsektorpolitik sei Prävention durch makroprudenzielle Maßnahmen wie antizyklische Kapitalpuffer noch wichtiger geworden, weil die Zinsen so niedrig blieben. Für die Geldpolitik schließlich müsse der Kreditzyklus im Blickfeld bleiben. Bei nüchterner Einschätzung muss allerdings davon ausgegangen werden, dass eine Einstellung auf die Schlechtwetterfront und eine kompetente Antwort auf einen Crash alles andere als sicher ist.

IWF-Manager Adrian beschreibt die weltweite Polarisierung, den Populismus und den »Aufstieg autokratischer Führer« als »potenzielle Risiken« für die globale Finanzstabilität. »Die politische Unsicherheit hat historische Ausmaße erreicht«, sagte er. Dabei müsse die Politik ausgerechnet jetzt schlau handeln, »so lange sie das noch kann«. US-Präsident Donald Trump weist eine Verantwortung für die heikle Lage zurück: »Der Wirtschaft geht es sehr, sehr gut«, so seine Gegenthese. »Wir sehen Zahlen von Konzernen, die alle Erwartungen übertreffen. Die Steuersenkungen klappen sehr, sehr gut. Wir sind sehr stolz auf die Wirtschaft.«

Gestützt wird dieser Optimismus durch die Vermögenspreise. Denn der amerikanische Aktienmarkt ist weiterhin im Höhenflug. Nach dem deutlichen Einbruch im Dezember 2018 haben sich die Kurse stark erholt. Der Dow Jones bewegt sich im Bereich des Rekordhochs vom Oktober 2018. Gleichwohl sind die Symptome für ein Ende des langen Aufschwunges der wirtschaftliche Entwicklung und des Booms an den Finanzmärkten nicht zu übersehen. Gegenwärtig hat der Wirtschaftszyklus erneut seinen Scheitelpunkt überschritten. Und die derzeitigen Risiken sind erheblich. Die ultralockere Geldpolitik hat einiges dazu beigetragen, sie zu übertünchen. Ein kleiner Anlass könnte genügen, um die unterschwelligen Probleme an die Oberfläche treten zu lassen.

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