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7. Februar 2025 Redaktion Sozialismus.de: Trumps Missachtung des Völkerrechts

Eine »Riviera des Nahen Ostens«?

US-Präsident Donald Trump und Israels Premier Benjamin Netanjahu haben bei einem Besuch in Washington u.a. über die Zukunft des Gazastreifens und die Waffenruhe mit der palästinensischen Terrororganisation Hamas gesprochen. In der Pressekonferenz danach erklärte Trump, die USA würden die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen.

Die USA würden das Gebiet wirtschaftlich entwickeln und u.a. »für die Entfernung aller gefährlichen nicht explodierten Bomben und anderer Waffen in diesem Gebiet verantwortlich sein«. Er sehe die USA in einer »langfristigen Eigentümerposition«. Unter ihrer Führung könne das Gebiet zu einer »Riviera des Nahen Ostens« werden – mit Blick auf die vom israelischen Militär angerichtete Zerstörung von zwischen 60% und 70% aller Gebäude ein nur zynisch zu bezeichnender Vorschlag.

Dabei unterstellt der Deal-Maker und Immobilienmogul, dass die Palästinenser*innen den Gazastreifen »liebend gerne verlassen« würden, ihnen fehle bisher nur eine Alternative zur Rückkehr. »Warum sollten sie zurückkehren wollen? Der Ort ist die Hölle«. Außerdem sieht er in seiner Vision »Menschen aus aller Welt« in dem Küstenstreifen leben.

»Wenn wir das richtige Stück Land oder mehrere Stücke Land finden und ein paar wirklich schöne Orte bauen könnten, (...) dann wäre das meiner Meinung nach viel besser, als nach Gaza zurückzukehren, wo es jahrzehntelang Tod gegeben hat«, erläuterte der US-Präsident seine Pläne. Auf die Frage eines erstaunten Reporters, wie viele Palästinenser*innen Trump denn zwingen wolle, den Gazastreifen zu verlassen, sagte dieser: »Alle! Ich denke, wir reden über wahrscheinlich 1,7 Millionen, vielleicht 1,8 Millionen Menschen. Ich denke, sie werden in Gebiete umgesiedelt, wo sie ein schönes Leben führen können und sich nicht jeden Tag Sorgen machen müssen, getötet zu werden.« Die Bevölkerung des Gazastreifens wird allerdings auf mehr als zwei Millionen Menschen geschätzt.

Auf die Frage, wo solche Orte sein könnten, nannte Trump Jordanien, Ägypten oder »andere Orte«, es könnten auch mehr als zwei sein. Der US-Präsident machte keine konkreten Angaben dazu, wie ein Umsiedlungsprozess umgesetzt werden könnte. Sein Vorschlag entspricht den Ideen der extremen Rechten in Israel, das folgerichtig höchst erfreut reagierte: »Donald, das sieht nach dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft aus«, schrieb etwa der frühere Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, auf SocialMedia. Er forderte Netanjahu dazu auf, den Plan schnellstmöglich anzunehmen und mit seiner Umsetzung zu beginnen.

Nach dem vereinbarten vorläufigen Waffenstillstand sind nach UN-Angaben Hunderttausende Palästinenser*innen bereits in den Norden des Gazastreifens zurückgekehrt, den am stärksten vom Krieg verwüsteten Teil des abgeriegelten Küstenstreifens, und versuchen dort, ein neues Leben aufzubauen.

Bei ihren Vertretern stieß der Vorstoß des US-Präsidenten auf klare Ablehnung. »Wir werden nicht zulassen, dass die Rechte unseres Volkes verletzt werden, für die wir jahrzehntelang gekämpft und einen hohen Preis gezahlt haben«, zitiert die israelische Zeitung »Haaretz« den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. »Es wird keinen Frieden und keine Stabilität in der Region geben, wenn nicht ein palästinensischer Staat mit Jerusalem als Hauptstadt innerhalb der Grenzen vom 4. Juni 1967 auf der Grundlage der Zweistaatenlösung gegründet wird.«


Verstöße gegen Völker- und Selbststimmungsrecht der Nationen

Ob es um Grönland geht, um Kanada als 51. US-Bundesstaat, um den Panamakanal oder nun um den Gazastreifen: Seit seinem erneuten Amtsantritt sorgt Trump fast täglich mit Aussagen über vermeintliche Gebietsansprüche der USA für Entsetzen in der internationalen Gemeinschaft. »Der Internationale Gerichtshof hat gerade erst im Juli letzten Jahres in seinem Gutachten ausdrücklich noch mal klargestellt, dass der Gazastreifen integraler Bestandteil der palästinensischen Gebiete ist«, sagte Andreas von Arnauld, Professor für Völkerrecht an der Universität Kiel. Das gelte unabhängig davon, ob ein Staat Palästina bereits existiere oder nicht. »Eine Umsiedlung wäre im Prinzip ein schwerer Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes, dem eben hier das Territorium gehört.«

Das Statut von Rom, die Grundlage für die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs, definiert in Artikel 7 »Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung« als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Konkret darunter zu verstehen sei die »erzwungene, völkerrechtlich unzulässige Verbringung der betroffenen Personen durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen aus dem Gebiet, in dem sie sich rechtmäßig aufhalten«.

Trumps Plan »wäre also ein flagranter Völkerrechtsverstoß, ein Kriegsverbrechen«, so Rechtsprofessor von Arnauld. »Es sei denn, Palästina als Staat würde sozusagen das Gebiet an die USA abtreten. Aber davon ist nun nicht auszugehen.« Zumal die USA selbst ja auch Palästina gar nicht als Staat akzeptierten.

Inwieweit die geopolitischen Absichten der USA dieser klaren rechtlichen Ausgangslage Rechnung tragen, muss sich zeigen, allerdings erkennen die USA den internationalen Strafgerichtshof ebenso wenig an wie das Statut von Rom. Und als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben sie zudem dort ein Vetorecht und könnten entsprechende UN-Resolutionen blockieren, die ihre Vorhaben oder Vorgehen verurteilen.


Strikte Ablehnung im arabischen Raum

In den arabischen Ländern, die laut Trumps Vorschlag Palästinenser*innen aufnehmen sollen, stößt sein Vorschlag auf strikte Ablehnung. Jordanien und Ägypten als Nachbarstaaten Israels würden der Umsiedlung von Hunderttausenden Palästinenser*innen niemals zustimmen. Die propalästinensische Bevölkerung der beiden arabischen Staaten würde voraussichtlich rebellieren. Zudem fürchten Ägypten wie Jordanien um ihre nationale Sicherheit.

Beide Staaten wollen weder die Hamas noch den Palästinensischen Islamischen Jihad auf ihrem Territorium, da die militanten Organisationen auch aus dem Exil heraus ihren Krieg gegen Israel fortsetzen dürften. Selbst israelische Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass der Widerstand gegen die Aufnahme der Palästinenser*innen in Jordanien und Ägypten so stark sei, dass sie dafür sogar ein Ende der amerikanischen Unterstützung in Kauf nehmen würden.

Und schließlich hat niemand die Palästinenser*innen selbst gefragt. Denn die meisten Menschen im Gazastreifen wollen nicht gehen. Die Mehrheit von ihnen sind Nachfahren der Menschen, die 1948 die Nakba (»Katastrophe«) erlebt haben. Das kollektive Trauma der Vertreibung nach der Staatsgründung Israels wirkt bis heute nach. Die wenigsten werden freiwillig palästinensisches Land verlassen.


Was bedeutet der Vorschlag für die Waffenruhe?

Die Geschichte, Sicherheitsinteressen und innenpolitischen Erwägungen der gesamten arabischen Welt sowie das Völkerrecht stehen Trumps Vorstoß entgegen. Weshalb bringt der amerikanische Präsident dennoch diesen unrealistischen Vorschlag ins Spiel?

Auch ohne Mithilfe der arabischen Staaten könnte die Supermacht USA den Plan wahrscheinlich durchsetzen. Doch dann müssten Tausende amerikanische Soldaten im Gazastreifen eine ethnische Säuberung mit Waffengewalt erzwingen und könnten so einen regionalen Konflikt heraufbeschwören. Der selbsterklärte Friedensbringer und Deal-Maker wird das vermeiden wollen.

Parallel zu Trumps Initiative zur Vertreibung von rund zwei Mio. Palästinenser*innen und einer anschließenden amerikanischen Besetzung beginnen in Doha die Verhandlungen über die zweite Phase Abkommens zwischen Israel und der Hamas zur endgültigen Befreiung der Geiseln – und damit auch die Gespräche über den »Tag danach« im Gazastreifen. Die arabischen Staaten könnten dieses Szenario gegenüber der Hamas als Drohung nutzen, um die Islamisten dazu zu zwingen, die Macht abzugeben.

In Israel stößt der Vorschlag Trumps auf ein geteiltes Echo. Rechtsextreme Politiker wie Finanzminister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir propagieren eine »freiwillige Emigration« von Palästinenser*innen aus Gaza bereits seit Kriegsbeginn. Der ehemalige Sicherheitsminister Ben-Gvir sagte am Mittwoch, er werde möglicherweise in die Regierung zurückkehren, sollte Netanyahu Trumps Vorschlag umsetzen.

Moderatere rechte Politiker*innen würdigen den amerikanischen Vorschlag als innovative Lösungsmöglichkeit für das »gescheiterte Experiment Gaza«, wie Israels Außenminister Gideon Saar in der Knesset sagte. Netanyahu selbst hielt sich zunächst bedeckt. Offenbar ist sich der israelische Ministerpräsident der Sprengkraft des Vorschlags bewusst. In Washington wiederholte Netanyahu nur die drei bekannten Kriegsziele Israels, die er bereits in der Vergangenheit formuliert hatte.

Laut dem israelischen Sicherheitsexperten Eldad Shavit ist mit Trumps Vorstoß die zweite Phase des Waffenstillstands und Geiselabkommens gefährdet, deren erste Phase in dreieinhalb Wochen endet. Einerseits könnte sich die Hamas nun in eine Ecke gedrängt fühlen und die restlichen Geiseln als Versicherung behalten wollen, andererseits könnte Netanyahu der Versuchung erliegen, die Rechtsextremen in seiner Regierung zu stärken – die ein Ende des Kriegs vehement ablehnen.

Trump hat in einem Beitrag auf TruthSocial auch nach der weltweit kritischen Bewertung seiner Pläne die Idee einer Übernahme des Gazastreifens bekräftigt. »Der Gazastreifen würde von Israel nach dem Ende der Kämpfe an die USA übergeben werden. Die Palästinenser [...] wären bereits in viel sicherere und schönere Gemeinden mit neuen und modernen Häusern in der Region umgesiedelt worden […] Es würden keine Soldaten der USA benötigt!«

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hat nach Meldung israelischer Medien die Armee nun angewiesen, einen Plan auszuarbeiten, der die Ausreise der Bewohner*innen des Gazastreifens ermöglicht. »Der Plan wird Ausreisemöglichkeiten auf dem Landweg sowie Sonderregelungen für die Ausreise auf dem See- und Luftweg vorsehen«, sagte er laut »Jerusalem Post«. Die Hamas benutze die Bewohner*innen des Gazastreifens als menschliche Schutzschilde und hindere sie an der Ausreise: »Die Bewohner des Gazastreifens sollten die Freiheit haben, den Ort zu verlassen und auszuwandern, wie es überall auf der Welt üblich ist.«

Länder wie Spanien, Irland oder Norwegen, die falsche Anschuldigungen und Verleumdungen gegen Israel wegen dessen Vorgehen im Gazastreifen erhoben hätten, seien nun rechtlich verpflichtet, Menschen aus dem Gazastreifen einreisen zu lassen. »Ihre Heuchelei wird entlarvt, wenn sie sich weigern, dies zu tun. Es gibt Länder wie Kanada, das über ein strukturiertes Einwanderungsprogramm verfügt und sich bereits bereit erklärt hat, Einwohner aus dem Gazastreifen aufzunehmen«, fügte Katz hinzu.

Unbenommen von der internationalen Kritik an den völkerrechtswidrigen Vorschlägen findet auch Israels Ministerpräsident Netanyahu Trumps Ideen letztlich positiv: »Was ist falsch daran?«, die Bewohner*innen Gazas könnten wegziehen und dann wiederkommen.

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