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376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
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13. Februar 2022 Joachim Bischoff

Eingetrübte Aussichten für Wirtschaftswachstum

Foto: dpa

Die aktuelle Omikron-Welle in der seit zwei Jahren wütenden Pandemie läuft langsam aus. Etliche Staaten nehmen die erlassenen Mobilitätseinschränkungen zurück. Im Jahr 2022 könnte der Übergang in ein epidemisches Stadium der Virus-Erkrankungen erreicht werden.

Weniger positiv stellt sich die angestrebte Rückkehr zum gängigen Akkumulationsmodus dar. Die erhoffte zügige Rückkehr zur Wirtschaftsdynamik ist nicht zu sehen. Die Wachstumsraten fallen geringer aus und die Preissteigerungen bleiben auf hohem Niveau. Angesichts eines schwächeren erwarteten Wachstums in China und den USA hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose zur Entwicklung der Weltwirtschaft etwas nach unten korrigiert. Die globale Wirtschaft soll 2022 um 4,4% wachsen – 0,5 Prozentpunkte weniger, als noch bei der letzten Prognose im Oktober angenommen.

Die Inflationsrate hingegen wird deutlich höher ausfallen als noch vor drei Monaten erwartet. Für die Industriestaaten rechnet der IWF für dieses Jahr mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3,9%, eine Erhöhung um 1,6 Prozentpunkte. Mit der angestrebten Absenkung der Teuerungsrate sei erst 2023 zu rechnen. Höhere Preise und damit eine Geldentwertung wird von den Endverbraucher*innen durchaus kritisch gesehen, zumal die Treiber dieser Entwicklung vor allem die Preise für Energie sind.

Die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland in diesem Jahr senkte der IWF auf 3,8%, das sind 0,8 Prozentpunkte weniger als noch im Oktober angenommen. Als Grund für diese korrigierten Prognosen nannte der IWF vor allem die anhaltenden Unterbrechungen globaler Lieferketten, die die deutsche Wirtschaft besonders treffen. Für die Eurozone senkte der IWF seine Wachstumsprognose für dieses Jahr um 0,4 Prozentpunkte auf 3,9%.

Der IWF räumte erneut ein, dass diese neuen Prognosen von hoher Unsicherheit geprägt seien. Mit Blick auf die Coronavirus-Pandemie erklärte Chefvolkswirtin Gita Gopinath, »die Entwicklung tödlicherer Varianten könnte die Krise verlängern«. Zudem könnte die Strategie Chinas, strikte örtliche Lockdowns einzusetzen, um eine Verbreitung des Virus zu vermeiden, die Probleme globaler Lieferketten verschärfen.

Wirtschaftswachstum

Ganz im Gleichklang mit der Akkumulationsbewegung in der Globalökonomie verzeichnet auch der US-amerikanische Reproduktionsprozess eine signifikante Erhöhung des Wirtschaftswachstums. Die amerikanische Wirtschaft ist im vergangenen Quartal so stark gewachsen wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und hat im vergangenen Quartal mit 6,9% auf Jahresbasis den höchsten Stand seit knapp 40 Jahren erreicht.

Allerdings sieht es nicht nach einem anhaltenden Boom wie in den »Roaring Twenties« des 20. Jahrhunderts aus. Nach kurzer Erholung fallen die Akkumulationsraten der kapitalistischen Länder wieder in einen tendenziellen Abwärtstrend zurück. Ein Teil der Ökonomen Wirtschaftswissenschafter spricht von einem Trend zur säkularen (Larry Summers und Robert Gordon) Stagnation: Sie verweisen auf die geringen Steigerungen der durchschnittlichen Produktivitätsrate. Die »tiefhängenden Früchte« des technologischen Fortschritts, wie es im Amerikanischen heißt, seien allesamt geerntet.

Die Epoche von 1870 bis 1970 mit ihrer Vervielfachung des Wohlstands wird als historische Ausnahme gesehen. Das kapitalistische System hat mit neuen Innovationsschüben und Produktivitätsfortschritten den gesellschaftlichen Wohlstand vorangetrieben, aber die Wachstumsraten flachen gleichwohl ab, weil der Aufwand und Einsatz für diese Produktivitätsgewinne immer höher werden.

Schon 1938 argumentierte der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Alvin Hansen: Wenn die Bevölkerung langsamer wächst und die Produktion weniger Kapital erfordert, sinkt die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern. Vollbeschäftigung werde deshalb nicht mehr erreicht. Hansen irrte sich gewaltig, weil er in der Endphase der großen Depression die wirtschaftliche Dynamik nach dem Zweiten Weltkrieg nicht voraussah.

Larry Summers beharrt darauf, dass Hansens Argumente zu früh ad acta gelegt wurden. Er sieht Japan, wahrscheinlich Europa und womöglich auch die Vereinigten Staaten in einer Situation, in der zu wenig investiert wird, um das Angebot an Sparkapital zu nutzen.

Üblicherweise können solche Ungleichgewichte am Markt nur zeitweise existieren. Der Preis regelt Angebot und Nachfrage. Der Preis fürs Sparen und für Investitionen aber ist der Zins, genauer: der reale, um die Inflation bereinigte Zins. Er müsste fallen, um Sparangebot und Investitionen ins theoretische Gleichgewicht zu bringen – und damit die Wirtschaft zur Vollbeschäftigung.

Die staatliche Kredit- und Geldpolitik verliert in dieser Argumentationskette an Überzeugungskraft. Nicht unerwartet fordert Summers ausgedehnte schuldenfinanzierte Investitionsprogramme des Staates, um die Wirtschaft aus dem dauerhaft langsamen Wachstum herauszuführen. Allerdings stellen die hohen Preissteigerungsraten, wie wir sie auch in den USA sehen, diese Strategie der Bekämpfung des abflachenden Akkumulations- und Wachstumstrend vor weitere Herausforderungen.

Die aktuelle Entwicklung in den USA ist eine Illustration für diese Akkumulationsdynamik der kapitalistischen Metropolen. Mit enormen Ressourceneinsatz der staatlichen Fiskalpolitik, unterstützt durch eine offensive Kreditpolitik der US-Notenbank, ist in den USA das Abrutschen der Wirtschaft in einen Krisenmodus verhindert worden. Mit historisch hohen Interventionen ist der Akkumulationsprozess am Ende der Corona-Pandemie wieder beschleunigt worden – trotz der Verzögerungs- und Blockadepolitik der republikanischen Minderheit im Kongress. Die US- Akkumulationsdynamik glänzt mit hohen Zuwachsraten, aber die hohe Geldentwertung und der Kaufkraftverlust sind unangenehme Begleiterscheinungen und zugleich deutet sich der Rückfall in geringe Zuwachsraten an.

Summers betonte stets, dass es sich in seiner Argumentation nicht um irgendeine Art von Fatalismus handelt, sondern um politische Strategien zur Förderung der gesamtgesellschaftlichen Nachfrage durch fiskalische Expansion. Um Vollbeschäftigung sicherzustellen, dürften wir uns nicht auf zinspolitische Maßnahmen verlassen. Wir müssten über Fiskalpolitik und strukturelle Maßnahmen nachdenken, um eine nachhaltige und angemessene gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu unterstützen. Wie sich jetzt zeigt, wird die Tendenz zu geringen Zuwachsraten am Ende der Pandemie zurückkehren.


Preissteigerungen in Europa und Deutschland und schwächelnde Akkumulationsdynamik

Der EU-Kommission macht die Teuerung im Euroraum zu schaffen. In diesem Jahr wird die Preissteigerungsrate schätzungsweise einen Höchststand von 3,5% im Jahresdurchschnitt erreichen, wie aus der Winterprognose der Kommission hervorgeht. In der Herbstprognose war die Kommission von 2,2% ausgegangen.

Die Ursachen für den in allen Ländern auffälligen Inflationsschub liegen auf der Hand: Die Preise für Öl und Gas oder Pandemieeffekte wie Lieferengpässe sind die wichtigsten Treiber. Etwas schwieriger wird es vorherzusagen, als wie hartnäckig sich solche starken Preisavancen erweisen werden, und ob sie nicht doch in eine Lohn-Preis-Spirale ausarten. Lange Phasen mit hoher Inflation wären die Folge.

Gegenläufig zu den Preissteigerungen wurde in der EU-Konjunkturprognose für 2022 das Wirtschaftswachstum gesenkt. Darüber hinaus soll 2023 das Wachstum in der EU von 4% auf 2,8% absinken. Die Eurozonen-Wirtschaft wird den Schätzungen zufolge um 4% in diesem und 2,7% im kommenden Jahr wachsen. Die Prognose für das Wachstum der deutschen Wirtschaft wurde im Zuge der Omikron-Welle ebenfalls deutlich nach unten korrigiert.

»Der signifikante Anstieg der Inflation und der Energiepreise, zusammen mit Engpässen bei Lieferketten und Arbeitsmärkten, halten das Wachstum zurück«, unterstreicht der für Wirtschaft zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis. Später im Jahr werde die Wirtschaft jedoch wieder einen Gang hochschalten, wenn einige der Engpässe sich lösten. Gleichwohl zeichnet sich auch bei den europäischen Wirtschaften nach diesem »Zwischenhoch« wieder die Rückkehr zu niedrigen Wachstumsraten ab.

In der gesamten EU soll die Preissteigerungsrate in diesem Jahr 3,9% erreichen und 2023 auf 1,9% sinken. Die Teuerung hält sich vor allem wegen der Energiepreise seit Monaten auf vergleichsweise hohem Niveau. Die EZB hat ihre Geldpolitik trotz der gestiegenen Inflationsrate nicht verändert.


3,6% Wachstum für Deutschland

Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung der Kommission dieses Jahr um 3,6% wachsen, während bisher 4,6% erwartet wurde. Die Corona-Infektionen stiegen, Krankheitsfälle belasteten den Arbeitsmarkt, und Exporte litten unter Lieferketten-Engpässen, hieß es in der Prognose. Rekordbestellungen und die gute Geschäftsstimmung zeigten jedoch, dass es später im Jahr einen Aufschwung geben könne, sobald sich die Engpässe lösten, so Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Für das kommende Jahr 2023 erwartet die Kommission, dass Europas größte Volkswirtschaft nur noch um 2,6% wächst.

Die Kommission warnte, dass sich die Pandemie immer noch stark auf die europäische Wirtschaft auswirke, wobei sich die jetzige Infektionswelle voraussichtlich nur kurz auswirken werde. Wenn sich die Preissteigerungen ausweiteten, könne die Inflation noch höher ausfallen als erwartet, warnte Gentiloni. Die Kommission nannte auch »geopolitische Spannungen in Osteuropa« als Risiken für Wirtschaftswachstum und Inflation. »Frieden, Stabilität und Wirtschaftswachstum sind natürlich eng verbunden«, sagte Gentiloni mit Blick auf den russischen Truppenaufmarsch nahe der ukrainischen Grenze.

Auch der IWF senkte für Deutschland seine Prognose für 2022 auf ein Plus von 3,8%. Als Grund benannte der IWF gleichfalls vor allem die anhaltenden Unterbrechungen globaler Lieferketten, die die deutsche Wirtschaft besonders treffen. Diese besondere Konstellation führte dazu, dass das letzte Quartal 2021 in Deutschlang signifikant schlechter ausfiel: Das Bruttoinlandsprodukt ist im vierten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,7% gesunken. Die Coronavirus-Varianten Delta und Omikron und die Lieferkettenprobleme haben die Konjunktur in Deutschland zum Jahresende deutlich gebremst.

Das Sorgenkind der Entwicklung ist der private Konsum. Schon im Krisenjahr 2020 trug er mit einem negativen Wachstumsbeitrag von minus 3,0 Prozentpunkten erheblich zum Rückgang der Wirtschaftsleistung bei. 2021 stagnierte er auf diesem niedrigen Niveau und trug dementsprechend nichts zum Wachstum bei. Unsicherheit über die weitere Entwicklung und fehlende Konsummöglichkeiten (vor allem bei Reisen, Gastronomie und Kultur) haben zu einer Kaufzurückhaltung geführt. Betrug die Sparquote (Anteil der Ersparnis am verfügbaren Einkommen) vor der Krise im Jahr 2019 noch 10,8%, stieg sie 2020 auf einen Rekordstand von 16,1%. 2021 hat sie sich mit 15,0% kaum verringert.


VR China

Die chinesische Wirtschaft hat im zurückliegenden Jahr so kräftig zugelegt wie seit Jahren nicht mehr. Das starke Plus auf Jahressicht erklärt sich vor allem mit der niedrigen Vergleichsbasis durch die Pandemie im Vorjahr. Mit einer Null-Covid-Strategie, Massentests, Quarantänen und Einreisebeschränkungen hatte das bevölkerungsreichste Land das Virus schneller in den Griff bekommen als die meisten anderen Staaten. Ökonomen sagen nun jedoch ein Jahr mit deutlich weniger Schwung vorher.  Im vierten Quartal 2021 schwächte sich das Wachstum ab. Im Jahr 2022 wird für die VR China ein Plus von 4,8 statt 5,6% erwartet. Hierfür werden Probleme des Immobiliensektors, die Auflagen bei örtlichen Corona-Lockdowns und eine geringere Kauflust der Verbraucher als Ursache angeführt.

In diesem Jahr liegt das Wachstumsziel Chinas noch bei »mehr als sechs Prozent«. Bei einem Treffen mit Chefs der großen Wirtschaftsorganisationen gab sich Regierungschef Li Keqiang noch zuversichtlich, dass dieses Ziel erreicht werden kann. »Die chinesische Wirtschaft ist widerstandsfähig und hat Potenzial«, sagte Li bei dem Treffen. »China ist in der Lage, mit kurzfristigen wirtschaftlichen Fluktuationen umzugehen.«

China hat die wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 gut gemeistert, was zur positiven Entwicklung der Vermögenspreise im Jahr 2020 führte. Das Jahr 2021 war jedoch ein äußerst schwieriges für die Märkte, da die People's Bank of China die Geldpolitik straffte und der Bildungs- und Internetsektor stärker reguliert wurden. Das Wachstum wurde im Laufe des Jahres weiter gedämpft, da die Null-Covid-Strategie den Konsum bremste, überschuldete Immobilienunternehmen Schwierigkeiten hatten, ihre Schulden zu begleichen, und das Land mit Engpässen in der Energieversorgung zu kämpfen hatte. Darüber hinaus kündigte die chinesische Regierung eine Verlagerung der politischen Prioritäten an – weg vom Wachstum um jeden Preis hin zu einem weiter verbreiteten Wohlstand.

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