Christoph Nix
Gramscis Geist
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ISBN 978-3-96488-223-3

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232 Seiten | EUR 16.80
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Giuseppe Fiori
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13. Dezember 2023 Redaktion Sozialismus.de: Ampel will sparen, CO₂-Preis erhöhen und an der Schuldenbremse festhalten

Einigung über Haushaltsdesaster

Das einschneidende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltsführung und den Sonderfonds hat zu einem Haushaltsdesaster geführt. Im Mittelpunkt steht seitdem die Frage, wie ein ordnungsgemäßer Haushalt aufgestellt werden kann. Jetzt haben sich die Spitzen der Ampel-Koalition auf einen Bundeshaushalt 2024 geeinigt.

Hauptstreitpunkt war die Frage, ob neben Einsparungen die Schuldenbremse auch für das Jahr 2024 ausgesetzt werden soll. Sowohl die Grünen als auch die Sozialdemokraten hatten sich dafür ausgesprochen, und wollten mehr Kredite aufzunehmen, um das Haushaltsloch zu füllen. Das stieß wiederum der FDP übel auf, denn die Schuldenbremse gehört für die Liberalen zur Grundausstattung, wie Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner unterstrich: »Die Leitplanken für unsere Regierungsbeteiligung waren immer: Wir achten die Schuldenbremse, sprich der Schuldenstand in unserem Land muss sinken.« Außerdem sprach er sich erneut gegen Steuererhöhungen aus.

Das Ergebnis: Die Schuldenbremse für 2024 bleibt erstmal und die Republik wird im nächsten Jahr mit deutlich weniger Geld zurechtkommen müssen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte die drei zentralen Ziele der Ampel-Koalition: »Wir treiben den klimaneutralen Umbau unseres Landes kraftvoll voran. Wir stärken den sozialen Zusammenhalt. Und wir stehen eng an der Seite der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland.« Diese drei Ziele leiteten die Bundesregierung unverändert.

Die Regierung will 2024 die Schuldenbremse einhalten, hält sich aber als Notlösung offen: Im Falle einer dramatischeren Entwicklung im Ukrainekrieg müsse man zur Finanzierung der Militär- und Finanzhilfe, sowie der Versorgung der Flüchtlinge erneut eine Ausnahme von der Schuldenbremse erklären. Beim Bürgergeld und der Kindergrundsicherung soll es offenbar keine Abstriche geben. Allerdings sollen Sozialleistungsempfänger*innen, die sich weigern, eine Arbeit aufzunehmen, weniger Geld bekommen.

Der Bundeskanzler sieht in der Haushalts-Einigung einen »guten Kompromiss«. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ist in seiner Bewertung deutlich zurückhaltender. Denn die vorgestellten Maßnahmen sind kein gutes Signal für die weitere konjunkturelle Entwicklung und die Bewältigung der Strukturprobleme. Die Einigung bedeutet: keine weiteren Schulden, keine Steuererhöhungen, das sind die roten Linien. Investitionen und andere Ausgaben müssen gekürzt werden. Auf absehbare Zeit werde es »nicht mehr öffentliche Investitionen« für die Wirtschaft geben. Mit Blick auf die Folgen der Einigung für die meisten Bürger*innen erklärt Fratzscher, dass »kurzfristig eher eine stärkere Belastung, keine Entlastung« entstehe.

Noch deutlicher wird die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner: »Wir kritisieren, dass die Koalition sich nicht auf das Naheliegende einigen konnte: das Aussetzen der Schuldenbremse. Mit den jetzt geplanten Kürzungen legt sich die Bundesregierung stattdessen Fesseln an, die gerade in der derzeitigen konjunkturellen Lage schädlich sind. Der kleinteilige und schwierige Kompromiss zeigt: Wir können so nicht weitermachen. Wir brauchen mittelfristig eine Reform der Schuldenbremse, die Zukunftsinvestitionen sichert. Das ist in diesem Prozess nochmals mehr als deutlich geworden.«

Als wichtigsten Punkt der »Einigung« nannte der Bundeskanzler den Abbau klimaschädlicher Subventionen. Finanzminister Lindner zufolge soll das drei Mrd. Euro bringen. Der geplante milliardenschwere Zuschuss zu Entgelten für das Stromnetz soll ebenfalls gestrichen werden, damit dürfte Strom wohl deutlich teurer werden.

Einsparungen gibt es auch beim Klima- und Transformationsfonds, aus dem der Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft bestritten werden soll. Der Topf bleibt zwar bestehen, soll aber um 12,7 Mrd. Euro gekürzt werden.

Finanzminister Lindner versicherte, dass es keine Kürzungen bei den »sozialen Standards« geben werde. Er deutete aber an, dass man im Sozialstaat »effizienter« werden wolle. 1,5 Mrd. Euro wolle man einsparen, indem man Geflüchtete aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt integriert. Auch die angekündigte Verdopplung der Militärhilfe für die Ukraine bleibt. Diese Unterstützung werde aus dem Regelhaushalt gestemmt, »so wie wir es geplant haben und vor allem so lange wie nötig«, sagte Scholz. Dazu zählten acht Mrd. Euro für Waffen und Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt sowie voraussichtlich mehr als sechs Mrd. Euro zur Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge hierzulande.

»Sollte sich die Situation durch Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfen, etwa weil die Lage an der Front sich verschlechtert, weil andere Unterstützer ihre Ukraine-Hilfe zurückfahren oder weil die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt, werden wir darauf reagieren müssen«, sagte Scholz. Gleiches soll für das Szenario gelten, wenn andere große Geldgeber für das Land wegfallen – etwa die USA.

Weitere Kernpunkte der Vereinbarung sind:

  • Auslaufen der Umweltprämie für Elektrofahrzeuge früher als geplant;
  • Verkauf von Staatsbeteiligungen zur Finanzierung von Investitionen in den Schienenverkehr;
  • Kürzungen bei Subventionen für die Solarindustrie;
  • Kürzungen in den Ministerien für Umwelt, Verkehr und Arbeit;

Bis zum Jahr 2027 will die Ampelregierung insgesamt Klimaschutz- und Transformationsprojekte im Volumen von 45 Mrd. Euro kürzen. Trotzdem bleibe der Fonds das zentrale Instrument des Bundes für den klimaneutralen Umbau des Landes, sagte Scholz. Er habe noch immer ein Gesamtvolumen von 160 Mrd. Euro.

Auf der anderen Seite soll auch die Einnahmeseite verbessert werden, allerdings nicht durch Steuererhöhungen. Die Ampel-Parteien einigten sich auf eine stärkere Erhöhung der CO₂-Abgabe als bisher geplant. Sie soll 2024 von derzeit 30 Euro auf 45 Euro pro CO₂-Tonne steigen – fünf Euro mehr als bislang anvisiert. Damit wird Heizen und Autofahren wird teurer. Denn auch an der Zapfsäule wird sich der Ampel-Plan bemerkbar machen: Benzin verteuert sich um 4,3 Cent je Liter, Diesel um 4,8 Cent pro Liter. Zudem will die Regierung eine Abgabe für die Hersteller von Plastikprodukten einführen, die 1,4 Mrd. Euro an Einnahmen bringen soll.

Auch Betriebe der Land- und Forstwirtschaft müssen sich auf Einschnitte einstellen, denn der sogenannten Agrardiesel, staatliche Beihilfen für Nutzfahrzeuge, steht auf der Streichliste. Insgesamt 400 Mio. Euro hat der Bund dafür zuletzt ausgegeben.

Zusätzlichen finanziellen Spielraum will die Ampel durch den Wegfall von Subventionen für das Stromnetz schaffen. Hier sollen die sogenannten Übertragungsnetzentgelte gestrichen werden. Auch das bedeutet Mehrkosten für Bürger*innen und Unternehmen: Die Stromnetzgebühren für Haushalte im Jahr 2024 wären ohnehin schon um rund 11% angestiegen, erklärt Verivox-Experte Neubauer. Die hatte die Koalition bereits zuvor beschlossen.

Das gesamte Sanierungskonzept ist aus Sicht von DIW-Präsident Fratzscher »letztlich eine Mogelpackung – man hat das Problem in die Zukunft verschoben«. Es sei keine dauerhafte Lösung für die fehlenden 60 Mrd. Euro gefunden worden und auch keine Antwort darauf, wie zukünftige Investitionen ermöglicht werden könnten.

Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch sprach von einer »Einigung auf dem Rücken von Familien, Beschäftigten, Rentnern«. Er bezog dies auf die Erhöhung des CO₂-Preises: »Wer den CO₂-Preis weiter nach oben treibt, verteuert den Alltag.«

Laut der neuesten Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) dürfte die Wirtschaftsleistung in Deutschland im Jahr 2024 um bis zu einem halben Prozent im Minus liegen. Das wäre das zweite Krisenjahr in Folge, denn schon für 2023 wird ein Einbruch des Bruttoinlandprodukts um 1,5% erwartet. Daran dürfte der nun gefundene »Ausweg« aus der Haushaltskrise vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklungen und der anhaltende Konflikte nichts ändern: Das Wachstum wird weiter schwächeln.

Hinter dem Lösungsvorschlag der Ampel für die Haushaltskrise muss insgesamt ein großes Fragezeichen gesetzt werden: Unklar ist nach wie vor, wie sich künftige Haushalte verfassungskonform bilden lassen, ohne den Auftrag zur Transformation aus dem Blick zu verlieren. Die angekündigte Kürzung des Klima- und Transformationsfonds um 45 Mrd. Euro bis zum Jahr 2027 lassen Zweifel daran aufkommen, dass das Projekt gelingen kann.

Zielführend wäre ein Fonds, wie er zuletzt für die Bundeswehr beschlossen wurde, und eine Reform der nahezu heiligen Schuldenbremse. Nur so wäre die Ampel über das Jahr 2024 hinaus handlungsfähig. Allein für die aktuelle Haushaltskrise »Lösungen« zu präsentieren, reicht nicht aus.

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