Hajo Funke
AfD-Masterpläne
Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie | Eine Flugschrift
108 Seiten | EUR 10.00
ISBN 978-3-96488-210-3

Michael Brie
Linksliberal oder dezidiert sozialistisch?
Strategische Fragen linker Politik in Zeiten von Krieg und Krise
Eine Flugschrift
126 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-215-8

Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
Zum Vermächtnis einer Pazifistin | Eine Flugschrift
120 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-211-0

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160 Seiten | EUR 16.80
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Frank Deppe
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176 Seiten | EUR 14.80
ISBN 978-3-96488-197-7

Peter Wahl
Der Krieg und die Linken
Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
Eine Flugschrift
100 Seiten | Euro 10.00
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

19. Mai 2019 Redaktion Sozialismus: Die »Causa Strache« und die Allianz der Rechten

Entlarvung der rechten Saubermänner

Ein heimlich gefilmtes Video, in dem Österreichs bisheriger Vizekanzler und Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Heinz-Christian Strache, Staatsaufträge im Austausch für Wahlkampfhilfe in Aussicht stellt und über einen Umbau der Medienlandschaft im Sinne der Orbanschen illiberalen Demokratie räsoniert, hat zum Ende der schwarz-blauen Regierung in Wien geführt.

Strache hat durch seinen Rücktritt als Vizekanzler und Chef der Bundes- und der Wiener Landespartei der FPÖ noch versucht, die bisherige Regierungskonstellation zu retten. Auch der bisherige FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, Beteiligter in der Verhandlung mit einer vermeintlichen Repräsentantin eines russischen Oligarchen, trat von allen Ämtern zurück. Die FPÖ wollte das Regierungsprogramm mit der ÖVP weiter umsetzen, Strache nicht den Grund liefern, die Regierung zu sprengen. Als seinen Nachfolger nannte er schon Partei-Vize und Infrastrukturminister Norbert Hofer.

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat dann aber angesichts des »größten Skandals« in der jüngeren Geschichte der österreichischen Republik die Reißleine gezogen. »Nach dem gestrigen Video muss ich sagen: Genug ist genug.« Wirklich schwerwiegend seien die Ideen Straches zu Machtmissbrauch und dem Umgang mit Steuergeld und der Presse gewesen. Kurz löste die bisherige politische Koalition von ÖVP und FPÖ auf und kündigte für den Herbst Neuwahlen an.

Diese Neuwahlen werden Aufschluss darüber geben, welchen Rückhalt der Rechtskurs der ÖVP bei den Wähler*innen in Österreich hat. Denn die Nähe der FPÖ zu radikalen Gruppierungen und ihr rechtsextremistischen Positionen waren die eine, die rechtskonservative programmatische Ausrichtung der ÖVP etwa in der Migrationsfrage oder in der Steuer- und Sozialpolitik die andere Seite der Politik von Schwarz-Blau.

So betonte Kurz denn auch bei der Verkündigung des Endes der Koalition mit der FPÖ, dass die schwarz-blaue Regierung inhaltlich vieles von dem gehalten habe, was sie versprochen habe – von einem Ende der Neuverschuldung über eine Steuerentlastung bis hin zu »Strukturreformen«. Dieser Rechtskurs der ÖVP dürfte nach Neuwahlen erhebliche Probleme bei der Findung einer neuen Koalition bereiten.

Was hebt diesen Skandal auf eine mindestens europäische Dimension? Nach dem Eklat um den Vizekanzler Strache hat der Spitzenkandidat der FPÖ für die Europawahl, Harald Vilimsky, seine Teilnahme an einer Großveranstaltung in Mailand mit elf rechtspopulistischen Parteien am Ende des EU-Wahlkampfs abgesagt, auf der auch der Startschuss für eine neue Rechts-Fraktion im Europaparlament erfolgen sollte.

Die italienische Lega hatte zuletzt die Teilnahme von zwölf Parteien – darunter der FPÖ – angekündigt, die nach der EU-Wahl eine gemeinsame Fraktion bilden wollen. Ursprünglich war sogar von 15 die Rede gewesen. Schon vorab hatte allerdings Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán die Einladung Salvinis nach Mailand abgelehnt. Trotz des zuletzt völlig eskalierten Streits mit seiner konservativen EVP-Fraktion will Orbán dem neuen Bündnis vorerst nicht beitreten.

Marine le Pen kämpft hingegen trotz dieser Schwierigkeiten immer noch für die Bildung einer »Supergroup« im EU-Parlament. Trotz der Rückschläge wolle man den »Kampf der Kulturen« aufnehmen. Die EU könne sich »zum ersten Mal seit Jahrzehnten« verändern. »Diese Aussicht ist begeisternd.«

Mit dem nun in Auszügen veröffentlichten Video ist die rechtspopulistische Szenerie nicht nur in Österreich, sondern auch in der potenziellen »Supergroup« entlarvt worden. Strache war bereits als junger Mann tief in die rechtsextreme Szene verwickelt. Die Stilisierung als rechtspopulistische demokratische Kraft ist damit demaskiert.

Der bisherige FPÖ-Chef hatte Gespräche über öffentliche Aufträge im Gegenzug für verdeckte Parteispenden geführt. Er schlug die Übernahme des Massenblatts »Kronen Zeitung« vor, und räsonierte von einer Medienlandschaft wie in Orbans Ungarn.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Attacken der FPÖ auf den öffentlich-rechtlichen Sender ORF als Bestandteil ihres Europawahlkampfs schlüssig.[1] Straches Ausführungen im Video machen zudem deutlich, dass die Regierungsbeteiligung als Schlüssel dienen sollte, um die Republik wie einen Selbstbedienungsladen zu führen und in seinem Sinne umzugestalten. Neben der Geringschätzung für demokratische Prinzipien wird auch klar, dass ausgerechnet der selbsterklärte »Österreich zuerst«-Politiker bereit war, einer angeblich dem Kreml nahestehenden Oligarchin erheblichen Einfluss auf die politischen Entwicklungen einzuräumen.

Es geht nicht nur um die offenkundige Absicht der Zerstörung demokratischer Willensbildungsprozesse. Das Modell aus Österreich sollte, wenn es nach den Vorstellungen der Allianz der Rechten geht, auf Europa übertragen werden. Mit einer Kooperation der rechten Populisten und Nationalisten wollen sie eine Machterweiterung durchsetzen. Wenn es nicht gelingt, die Europäische Volkspartei für eine Öffnung in Richtung rechtspopulistischer Politik zu drängen, sollte diese Kooperation die Strategie nach der Europawahl bestimmen.

Die Medienenthüllungen über den bisherigen österreichischen Vizekanzler und FPÖ-Chef sind keineswegs nur ein Vorgang der österreichischen Innenpolitik. Es ist seit längerem klar, dass die moderne Rechte zwar die Korruption der etablierten Eliten, die den Staat als einen Selbstbedienungsladen betrachteten, angeprangert. Insofern sind regel- und gesetzeswidrige Parteifinanzierungen immer ein wichtiger Vorgang zur Entlarvung der doppelbödigen Argumentation.

Die Enthüllungen in Österreich werfen auch ein Licht auf die Formierung der Rechten, die nach der Europawahl als »Europäische Allianz der Völker und Nationen« ausgerufen werden soll. Hier sammeln sich Kräfte, die einen Umbau des demokratischen Europas verfolgen. Sie haben das Ziel ausgegeben, im Europaparlament stärkste Fraktion zu werden. In Umfragen liegt die neue Gruppierung derzeit bei etwa 10% der Mandate. Doch könnten sich noch weitere Parteien anschließen.

Erklärtes Ziel der Allianz ist es, die EU auch durch parlamentarische Obstruktionspolitik reif zumachen für eine Renaissance der Nationalstaaten. Auch der AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen lässt an dieser Zielsetzung keinen Zweifel: Ziel der Rechtsallianz sei es, einen »europäischen Superstaat« zu verhindern und »den Verordnungsirrsinn drastisch zurückzustutzen«.

Noch hat die angestrebte große Rechtsfraktion dafür keine Mehrheit und keine parlamentarischen Partner. »Wir müssen sehen, wo man eine ›blocking minority‹ hat, wo wir also Dinge auch verhindern können, die wir für unsinnig halten«, sagte Meuthen. Dank der »Causa Strache« besteht eine geringe Chance, dass die gesellschaftliche Resonanz für diese Allianz gestört worden ist.

[1] Der angegriffene Moderator Armin Wolf formuliert das so: »Es liegt der Gedanke nahe, dass die FPÖ sich eine Strategie für diesen für sie sehr schwierigen EU-Wahlkampf überlegt hat, indem sie den ORF als Hauptgegner definiert hat. Tatsächlich macht die FPÖ EU-Wahlkampf nicht gegen andere Politische Parteien, sondern gegen den ORF und hat sich offenbar mein Gesicht und meinen Namen ausgesucht als Symbol für den ORF.«

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