10. Oktober 2024 Redaktion Sozialismus.de: Hurrikan-Wahlkampf wie aus einem Comicbuch
Entscheiden Milton und Helene die US-Wahl?
Der Hurrikan Milton ist als Sturm der Kategorie 3 ist über den US-Bundesstaat Florida hinweggezogen und verwüstete Städte mit Windgeschwindigkeiten von über 160 km/h. Mehr als zwei Mio. Haushalte und Unternehmen waren ohne Strom. Etwa 90 Minuten nach dem Eintreffen an Land wurde Milton zu einem Sturm der Kategorie 2 herabgestuft.
Der Sturm trifft auf eine Region, die bereits zwei Wochen zuvor den Hurrikan Helene erlebt hat, der im Westen Floridas Straßen und Häuser überschwemmte und mindestens 230 Menschenleben forderte. Helene brachte eine massive Sturmflut mit sich.
Milton gilt jetzt schon als einer der schlimmsten je registrierten Hurrikans.[1] Seit Mittwochmorgen wurden Teile des südlichen Floridas von heftigen Regenfällen und Tornados heimgesucht, und die Bedingungen verschlechterten sich im Laufe des Tages. Es wurden 15 bis 31 Zentimeter Regen pro Quadratmeter erwartet, mancherorts sogar bis zu 46 Zentimeter, was die Gefahr katastrophaler Überschwemmungen mit sich brachte. Die Behörden ordneten die Evakuierung von 15 Bezirken in Florida mit einer Gesamtbevölkerung von etwa 7,2 Mio. Menschen an.
Hurrikan Milton hatte sich zuerst zu einem tropischen Wirbelsturm der Kategorie 5 aufgebaut und hielt direkt auf Florida zu. US-Präsident Joe Biden warnte bereits vor dem »Sturm des Jahrhunderts«. Mehr als eine Million US-Bürger*innen wurden aufgerufen, ihr Zuhause zu verlassen. Nicht alle folgten der Aufforderung, obwohl das US-Hurrikanzentrum (NHC) von einem der gefährlichsten Stürme in der Geschichte Floridas sprach.
Der Wirbelsturm benötigte weniger als zwölf Stunden, um von einem Kategorie-1-Hurrikan zu einem Monster der Kategorie 5 heranzuwachsen. Es ist die höchste Stufe der fünfteiligen Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala. So schnell ging das bisher bei keinem Hurrikan. Außerdem gilt Milton bereits jetzt mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 285 km/h als fünftstärkster Hurrikan der Geschichte. Rekordhalter in dieser Hinsicht ist Hurrikan Allen, der 1980 für Windgeschwindigkeiten von 305 km/h gesorgt hat.
Verdunstet eine große Menge an Wasser und kondensiert wieder zu Wolken, werden enorme Mengen Energie frei – es entsteht eine Unterdruckzone, und Luft mit einem hohen Wasserdampfanteil strömt aus der Umgebung nach, was zu einem Bereich sehr hohen Luftdrucks oberhalb der Hurrikanwolken führt. Der großflächige Wirbel ist die Folge der Luftmassen, die in der Nähe der Meeresoberfläche zuströmen und durch die Corioliskraft in Rotation versetzt werden. Zieht ein Hurrikan über Land, reduziert sich seine Energiezufuhr und der Wassernachschub – und er verliert an Kraft.
Tatsächlich gibt es eine Art Geschwindigkeitsbegrenzung für Hurrikans. Doch die sogenannte maximale potenzielle Intensität bei den durchschnittlichen anhaltenden Windgeschwindigkeiten ist alles andere als absolut: Der Wert wird von mehreren Faktoren bestimmt, die Meerestemperaturen spielen dabei eine besonders große Rolle. Aktuell kennt die Saffir-Simpson-Skala fünf Hurrikan-Kategorien: Kategorie 1 beginnt bei Windgeschwindigkeiten von 119 km/h. Ab 252 km/h spricht man von Kategorie 5.
Doch das könnte sich in den kommenden Jahrzehnten ändern. Durch die Erwärmung der Ozeane steigt das Potenzial für starke Stürme. Das zeigt schon die Rückschau auf die letzten Jahre. Bereits zwischen 1979 und 2017 nahm der Anteil schwerer Hurrikans um acht Prozent pro Jahrzehnt zu. Mittlerweile hat sich dieser Trend noch verstärkt. Allein die US-Küste wurde in den letzten acht Jahren von acht schweren Hurrikans (inklusive Milton) der Stufe 4 und höher getroffen, so viele wie in den beinahe 60 zurückliegenden Jahren.
Historische Daten belegen eine Zunahme tropischer Wirbelstürme, die mit der steigenden Meeresoberflächentemperatur korreliert. Überlagert wird dieser Trend einerseits von starken Schwankungen von Jahr zu Jahr, andererseits von deutlichen Dekadenschwankungen. Über den gesamten Zeitraum 1878 bis 2006 wurde ein Trend von plus 3,84 Stürmen pro 100 Jahre geschätzt. Beginnt man die Zählung bei 1900, ergibt sich sogar ein Trend von plus sechs Stürmen pro 100 Jahre.
Seit den 1990er-Jahren folgt ein steilerer Anstieg der Zahl der Hurrikans. Die letzten 25 Jahre im tropischen Nordatlantik waren sowohl bei den tropischen Stürmen insgesamt wie auch bei den schwachen und starken Hurrikans die aktivste Periode seit Mitte des 20. Jahrhunderts.
Der Klimawandel bewirkt nicht nur eine Zunahme bei Anzahl und Intensität der Hurrikans, auch ihre Entstehungsregionen können sich verändern. Viele Bedingungen, die als Voraussetzung für die Bildung eines tropischen Hurrikans gelten, findet man immer näher an Europa herangerückt. Die Wirbelstürme rücken damit durchaus auch in unsere Nähe, wie Georg Pistotnik von der Geosphere Austria bestätigt: »Ehemalige Hurrikans wie Kirk treffen tatsächlich in unterschiedlicher Ausprägung mehrmals pro Jahr auf europäische Küsten.« Es sei damit zu rechnen, dass sich das aufgrund des Klimawandels noch verstärken wird, so der Klimaforscher.
Donald Trump attackierte die Regierung von Joe Biden und Kamala Harris wegen ihrer Reaktion auf Hurrikan Milton. Auf einer Wahlkampfveranstaltung behauptete er, Opfer des Hurrikans würden nur 750 US-Dollar von der Bundesregierung bekommen, während Migrant*innen von der Regierung Biden-Harris »Milliarden Dollar erhalten«.
Die Behauptungen des Ex-Präsidenten und seiner Follower wollte sein Nachfolger so nicht stehen lassen. In einer landesweit ausgestrahlten Ansprache zu Milton richtete Joe Biden seine Worte direkt an Trump und die republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Marjorie Taylor Greene: »Eine Kongressabgeordnete behauptete, dass ich das Wetter kontrolliere und deutete an, dass ich [den Hurrikan] in rote Staaten schicke. Ich meine, das ist doch völlig verrückt. Das ist wie aus einem Comicbuch.«
[1] Siehe hierzu das Interview mit Georg Pistotnik von der österreichischen Bundesanstalt für Geologie, Geophysik, Klimatologie und Meteorologie »Geosphere Austria« im »Der Standard« vom 9.10.2024 und »ap« vom 10.10.2024.