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Ulrich Duchrow
Gerechtigkeit, Frieden, (Über)Leben
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ISBN 978-3-96488-240-0

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Der deutsche Rassenstaat
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24. April 2023 Redaktion Sozialismus.de: Der Parteitag der Liberalen

FDP: »Wir haben eigene gute Ideen – mehr Markt«

Auf ihrem Parteitag in Berlin hat die FDP ihr bürgerlich-liberales Profil unterstrichen – und sich damit auch von ihren Koalitionspartnern abgrenzt. Der wiedergewählte Vorsitzende Christian Lindner stellte klar: In der Koalition sehe sich die FDP als Garantin von Marktwirtschaft und haushaltspolitischer Vernunft.

»Wir kämpfen für den Wert der Freiheit, für wirtschaftliche Vernunft, faire Lebenschancen und ein modernes, nicht-linkes Deutschland«, sagte der Parteichef. »Der Auftrag ist eben noch nicht erfüllt. Wir stehen gemeinsam erst am Anfang.«

Der Generalsekretär der Liberalen, Bijan Djir-Sarai, betonte in seiner Rede zur Einbringung des Leitantrags: Deutschland brauche eine Agenda des Aufbruchs für Wachstum und Wohlstand auf Grundlage einer stabilen Finanzpolitik. Politik müsse viel ambitionierter, viel ideenreicher gestaltet werden und dabei die Zukunft im Blick behalten. Es funktioniere auf Dauer nicht, »Wohlstand nur als Verteilungsmasse zu sehen«.

Eine Politik, die auf Schulden setze, enge die Handlungsfähigkeit in der Gegenwart immer weiter ein, und gehe auf Kosten künftiger Generationen. »Die Menschen erwarten hier zu Recht eine verantwortungsbewusste, abwägende Regierung und einen Staat, der auch in der Lage ist, finanzpolitische Zurückhaltung zu üben.«

Bei dieser immer wieder betonte Abgrenzung von den Regierungspartnern SPD und Grünen wird die Nervosität sichtbar, als kleinster Koalitionär unter die Räder zu kommen und das politische Profil einzubüßen. Denn die Wahlergebnisse in den vergangenen Monaten waren alles anderes als glänzend: In etlichen Bundesländern musste die Partei deutliche Niederlagen verkraften, seit sie im Winter 2021 in die Ampel-Koalition eingetreten ist.

Sie scheiterte bei den Landtagswahlen im Saarland, in Niedersachsen und bei der Wiederholungswahl in Berlin jeweils an der 5%-Hürde. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen schafften die Liberalen trotz schwerer Verluste die Rückkehr ins Parlament, verloren aber den Status als Regierungspartei. In den kommenden Monaten stehen Landtagswahlen in Bremen, Hessen und Bayern. Und zumindest an der Weser ist es nicht ausgemacht, dass der Partei der Wiedereinzug gelingt.

Der Parteichef griff auf dem Parteitag dieses spürbare Unbehagen bei der Mehrzahl der Delegierten auf: Die Freidemokraten würden unter seiner Führung ihre eigenen Positionen wieder stärker »herausarbeiten und stärken« und die liberalen »Positionslichter« anschalten. Das Wirken der FDP in der »Ampel« solle sichtbarer werden.

Die im Leitantrag gestärkten liberalen Positionslichter lösten allerdings keine großen Debatten aus. Es war einer der langweiligsten FDP-Parteitage seit vielen Jahren. Ob sie den Antrag wegen Nichtbeachtung ablehnen solle, stichelte die Parteitagsleitung in einer Abstimmung, an der sich kaum jemand beteiligte. Sich bloß nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigen – das war schon im Vorfeld die Prämisse, die Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ausgegeben hatte. Dementsprechend hörte dem Wiedergewählten bei seiner Rede zur Einbringung des Leitantrags auch fast niemand zu – die Reihen des Plenums waren fast leer.

Immerhin gingen die Wahlen zu den Führungspositionen ohne Konflikte über die Bühne. Seit zehn Jahren hält sich Lindner bereits an der Parteispitze. Auf dem Parteitag in Berlin sprachen ihm die 600 Delegierten ihr Vertrauen aus, und wählten ihn mit 88% erneut an die Spitze. Als er 2013 erstmals gewählt wurde, lag die liberale Partei in Trümmern. Bei der Bundestagswahl war sie damals aus dem Parlament herausgewählt worden, finanziell war die Partei hoch verschuldet. Unter Lindners Führung folgte der Neuanfang, dessen programmatische Inhalte jetzt offenkundig ihre Strahlkraft etwas eingebüßt haben.

Die FDP kämpft mit ihrer Rolle in der Bundesregierung und vor allem mit sich selbst. Nicht zuletzt der Dauerkonflikt mit den Grünen setzt der Partei zu. Man habe sich bei den Diskussionen etwa über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, bei der Steuerpolitik oder dem geplanten Austausch von fossilen Heizungen von der Öko-Partei über den Tisch ziehen lassen, so der Tenor etlicher Diskussionsbeiträge auf dem Parteitag.

Man könnte sagen: Der »Ampel«-Lack ist ab. Die FDP will zwar weiterhin als Teil der Ampelregierung der politischen Agenda ihren Stempel aufdrücken. Zu erwarten ist allerdings ein Weg der Abgrenzung von den Regierungspartnern, der die Partei trotzdem konstruktiv aussehen lässt. Die Wähler*innen sollen durch solide politische Arbeit überzeugt werden.

Aus Sicht der Parteiführung geht es um die bekannten Themen der bürgerlich-liberalen Politik: stabile Staatsfinanzen und Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Mit »Ja zu mehr Wohlstand« ist der Leitantrag überschrieben. Das erfordert, für viele Technologien offen zu sein: ob für Kernfusion, E-Fuels oder auch Gentechnik. Die Liberalen plädieren für schnellere Genehmigungen beim Infrastrukturausbau, auch wenn es um Straßen geht. Die Partei betont, dass sie an der Schuldenbremse festhält und keine Steuern erhöhen will – das zentrale Credo auch des Finanzministers Lindner innerhalb der rot-grün-gelben Bundesregierung.

Mit dieser Finanzpolitik habe die FDP vor allem die Mittelschicht im Blick, betont Generalsekretär Djir-Sarai: »Wir müssen tatsächlich immer wieder daran erinnern, dass es in diesem Land nicht ausschließlich Bürgergeldempfänger einerseits und Superreiche andererseits gibt. Es gibt eine Mitte in diesem Land, und es ist die Aufgabe der FDP, sich für diese Mitte in diesem Land besonders stark einzusetzen.«

Die sogenannte Mitte der Gesellschaft ist – folgt man der FDP – auch nicht sonderlich beunruhigt über die Entwicklung des Klimawandels. Zwar hatte kurz vor dem Parteitag der noch von der Merkel-Regierung eingesetzte unabhängige Expertenrat für Klimafragen seine Sorge betont: Das Ziel der Treibhausgas-Reduktion bis 2030 könnte verfehlt werden. Diese in dieser Legislatur bereits zum zweiten Mal erfolgte Mahnung an die Ampel-Regierung war auf dem FDP-Parteitag kein Grund zu Beunruhigung.

Verkehrsminister Volker Wissing macht die Bremserrolle der FDP sichtbar: »Jetzt kommt es darauf an, sich gemeinsam darauf zu verständigen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums bis 2030 bestimmte Zwischenziele zu erreichen.« In einer Situation, in der Logistikketten massiv gefährdet seien, könne er als Verkehrsminister nicht einfach auf Mobilität und Lieferketten verzichten. »Diese Abwägungsprozesse lösen sich auch nicht, indem die eine Seite über die andere schimpft, sondern diese Abwägungsprozesse lösen sich durch seriöse Politik und das Finden kluger politischer Kompromisse.«

Dieses Beispiel macht einmal mehr deutlich, dass die Konflikte der Ampelkoalition einen politischen Hintergrund haben. Die auch in jüngeren Meinungsumfragen und desaströsen Landtagswahlergebnissen stark angeschlagene FDP ist verschärft um ein Profil bemüht, das sie klar absetzt von Rot-Grün. Den größer werdenden Spagat zwischen dem Liberalismus der FDP und der Ökologiepolitik der Grünen, die eigentlich nicht die einzigen sein wollen, die für Klimapolitik in der Ampel sorgen, sitzt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aus.

Die Aufforderung des Klimarats zu einer konsequenteren Einhaltung der gesetzlich fixierten Ziele zur Erreichung der Klimaneutralität beantwortet die FDP mit dem Verweis auf die Positionslichter. Die Partei vertrete das Gegenmodell zu grünen Fantasien über Null-Wachstum und Wohlstandsverzicht.

»Wir sagen Ja zu Wachstum, soliden Staatsfinanzen, Marktwirtschaft, Leistung, Freiheit, Unternehmergeist und Entlastung für die Mitte. Wir wollen eine Klimaschutzpolitik, die die Menschen mitnimmt, anstatt sie zu bevormunden«, machte der FDP-Generalsekretär deutlich, »nur Technologieoffenheit lässt technologischen Fortschritt und Innovationen zum Durchbruch kommen und lässt sie am Markt bestehen«.

Eine einseitige Fixierung auf bestimmte Technologien, Regulierungen und Verbote dagegen hemme Fortschritt und Wettbewerb. »Wenn wir den Standort Deutschland fit für die Zukunft machen wollen und den Klimawandel als globale Herausforderung annehmen, dann braucht es mehr Markt und auf keinen Fall weniger.« Na denn!

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