Schuldenbremse oder
»goldene Regel«?

Mittwoch, 15.  Januar 2025
Bremen | 17:30 Uhr
Kultursaal der Arbeitnehmerkammer, Bürgerstr. 1
Rudolf Hickel stellt seine gleichnamige Flugschrift vor. Kommentieren wird Kevin Rösch(Referent für Finanz- und Wirtschaftspolitik der Kammer) moderieren wird Elke Heyduck (Geschäftsführung der Kammer).

Gemeinsame Sicherheit
– trotz alledem!

Mittwoch, 15. Januar 2025
Berlin | 19:00 Uhr
(auch Online) | Rosa-Luxemburg-Stiftung, Straße der Pariser Kommune 8A
Dieter Klein stellt sein gleichnamiges Buch vor und zur Diskussion. Begrüßung durch Heinz Bierbaum (RLS-Vorstandsvorsitzender), die Diskussion moderieren wird Gesine Lötzsch (MdB Die Linke).

Ingar Solty
Trumps Triumph?
Gespaltene Staaten von Amerika, mehr Nationalismus, weitere und neue Handelskriege, aggressive Geopolitik
Eine Flugschrift
120 Seiten | Anfang Februar| im Warenkorb vorbestellen | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-238-7

Christoph Scherrer/
Ismail D. Karatepe (Hrsg.)
Arbeit in der Lieferkette
Miserable Arbeitsbedingungen auf See und in den Häfen
192 Seiten | € 18.80
ISBN 978-3-96488-220-2

Peter Renneberg
Handbuch Tarifpolitik und Arbeitskampf
5., aktualisierte Ausgabe
232 Seiten | € 19.80
ISBN 978-3-96488-224-0

Hans-Jürgen Urban (Hrsg.)
Gute Arbeit gegen Rechts
Arbeitspolitik: Theorie, Praxis, Strategie – Ausgabe 2024
136 Seiten | EUR 10.00
ISBN 978-3-96488-225-7

Torsten Teichert
Die Entzauberung
eines Kanzlers

Über das Scheitern der Berliner Politik | Eine Flugschrift
108 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-216-5

11. Oktober 2024 Phil Burton-Cartledge: Neues Führungspersonal der Tories

Festigung des Rechtspopulismus der britischen Konservativen

Die 121 Abgeordneten der Konservativen Partei, die die letzte Wahl zum britischen Unterhaus überstanden haben, haben gemäß den Parteistatuten die beiden Kandidaten bestimmt, aus denen nun die 170.000 Parteimitglieder in einer Urwahl die Führungsperson der Tory-Partei und der parlamentarischen Opposition wählen.

Die Fraktionsmitglieder entschieden sich für Kemi Badenoch und Robert Jenrick, trotz ihres teilweise katastrophalen Auftritts auf dem Parteitag der Konservativen Ende September. Der Elan, den James Cleverly als Vertreter des Zentrums in den letzten Wochen an den Tag gelegt hatte, nutzte nichts: In der letzten Abstimmungsrunde unterstützten ihn nur noch 37 Abgeordnete. Badenoch und Jenrick schafften es mit 42 bzw. 41 Stimmen über die Ziellinie.

Der eigentliche Wahlkampf hat nun begonnen, die Wahlurnen schließen – passenderweise – an Halloween und der oder die neue Parteivorsitzende wird am 2. November bekannt gegeben. Es wird eine Fernsehdebatte geben, die am 17. Oktober auf dem Sender GB News ausgestrahlt wird, der dem äußerst rechten Medienspektrum zugerechnet wird. Das allein sagt schon viel darüber aus, in welche Richtung sich die Konservative Partei entwickelt.

Das Ergebnis der letzten Abstimmungsrunde in der Tory-Fraktion ist interessant und hat bei den »professionellen« politischen Kommentatoren für viel Verwirrung gesorgt. Oberflächlich betrachtet, haben die drei zuletzt verbliebenen Kandidaten die Unterstützung von jeweils nur einem Drittel der Fraktion erhalten. Besteht also noch eine Chance, dass die verschiedenen Gruppierungen der Fraktion gemeinsam die Kurve kriegen? Auf jeden Fall, denn auch bei den Konservativen steht die Politik an erster Stelle und erst an zweiter Stelle kommen die Personen – so einfach ist das.

Die eigentliche Spaltung der Tories ist anders gewichtet. Auf der einen Seite steht das eine Drittel, das Cleverley und seine »zentristische« Kampagne, die auf »seriöse« staatstragende Lösungen ausgerichtet war, die sinnbildlich in roten Aktenkoffern der Kabinettsmitglieder transportiert werden. Auf der anderen Seite die zwei Drittel, die glauben, dass ein Kulturkampf, der sich aus den Tiefen des Ressentiments speist, der Partei den Weg zurück an die Spitze ebnen wird.

Mit anderen Worten: Die von Boris Johnson eingeleitete populistische Wende hat bei der Mehrheit der Tory-Abgeordneten nichts von ihrer Kraft verloren. Die billigen Tricks und Sündenbocktaktiken der jüngsten Vergangenheit sind für sie wie Crack-Kokain. Das Problem ist, dass sie einen Clown brauchen, der ihnen den Rücken freihält, damit der Trick funktioniert, und obwohl das Auftreten und die politischen Vorschläge sowohl von Badenoch als auch von Jenrick stark an die BBC-Fernsehserie Big Top erinnern, in der ein Wanderzirkus im Mittelpunkt steht, haben beide weder die Persönlichkeit noch den Charme, um überzeugend zu sein.

Diese Ein-Drittel/Zwei-Drittel-Aufteilung bedeutet also keine Bewegung in Richtung Mitte, und ein direkter Kampf um die vielen Sitze, die an Labour und die Liberaldemokraten verloren gegangen sind, wird viel schwieriger. Diejenigen Wähler*innen, die Interessen an den Tories zeigten, aber keine Stammwähler*innen waren, haben sich längst von der Partei abgewandt, weil sie sich zu wenig um die von den Tory-Regierungen verursachten Probleme gekümmert und stattdessen endlose Sündenbock- und Ablenkungsmanöver veranstaltet hat.

Doch die Tories sind nicht »verrückt«, wenn sie einen weiteren Rechtsruck vollziehen – wie ich in meinem Blog oft argumentiert habe. Nach einer vernichtenden Niederlage, bei der die Kampagne der rechtspopulistischen Partei Reform UK entscheidend für den Verlust von Dutzenden ihrer Mandate war, ist die Rechnung einfach: Zählt man die Wähler*innen von Reform UK zur konservativen Wählerschaft hinzu, hat man mehr Stimmen als die Labour Party.

Ein Schwenk nach rechts scheint auch die Krise der Tory-Basis zu lösen. In ihrer Wahrnehmung verlor die Konservative Partei Stimmen an Nigel Farage’s Partei Reform UK, weil sie nicht konservativ genug war. Der Zustrom der Migrant*innen in den kleinen Booten riss nicht ab, die legale Migration nahm weiter zu und Maßnahmen zur Eindämmung der Migration wurden von »ausländischen Gerichten« blockiert. Durch das Versprechen von Härte und Durchgreifen könnte es gelingen, die Wähler*innen von Reform UK zurückgewinnen. Aber die Wähler*innen, die sich für die Unterstützung der Rechtspopulisten entschieden hatten, zeigen überhaupt keinen Rückkehrwillen.

Die Zwei-Drittel-Mehrheit der Tories vergisst, dass die Konservative Partei mit all diesen Versprechungen in die Parlamentswahlen gezogen war und Reform UK ihr trotzdem fünf Sitze abgenommen hat. Sie könnten, wie Jenrick, sagen, dass sie es diesmal ernst meinen. Aber hier haben sie ein Problem.

Johnson konnte eine Wählerkoalition aus Konservativen und Rechtspopulisten bilden, die die Wahl 2019 gewann, weil er überzeugend darstellte, dass er es mit dem Brexit ernst meinte. Die Herausforderungen, denen er sich stellen musste – sich den Rebellen in seiner eigenen Partei, den Gerichten und der EU zu widersetzen – waren größtenteils inszeniert, aber sie wurden als Tatkraft wahrgenommen. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn Johnson zu diesem Zeitpunkt nicht Premierminister gewesen wäre oder wenn er nicht die Brexit-Kampagne angeführt hätte.

Auch Farage, der damals noch kein Mandat im britischen Parlament hatte, konnte zeigen, dass man ihm in Sachen Brexit und Einwanderung vertrauen kann. Seine 25-jährige politische Karriere ist so erfolgreich, weil er sich ausschließlich auf diese Themen konzentriert.

Wie können Badenoch oder Jenrick Seriosität demonstrieren, nachdem sie beide vormals im Kabinett des Ex-Premiers Richi Sunak saßen und ihre Ziele nicht erreicht haben? Das ist ihnen nicht möglich, was sie zu noch mehr Extremismus treibt, wie Jenricks Forderung, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention auszutreten, oder die Anbiederung an rechtsextreme Schlägertrupps oder so gewagte Stunts wie das Tragen von Kapuzenpullovern mit der Aufschrift »Hamas sind Terroristen« oder die Anspielung auf außergerichtliche Tötungen durch den Special Air Service (SAS) der britischen Armee, um den Papierkrieg um die Menschenrechte zu umgehen.

Was passiert mit dem »vernünftigen« Drittel der Fraktion? Sie werden im Schattenkabinett des Siegers dienen. Sie könnten sogar hoffen, einen mäßigenden Einfluss auszuüben, während sie sich in Positionen der Unentbehrlichkeit manövrieren – so wie sie es taten, als Premierministerin Liz Truss unter die Räder kam. Einige könnten ihr politisches Leben als Hinterbänkler fristen und Kinderhilfsorganisationen unterstützen oder sich Cleverly anschließen und Miniaturmodelle des dystopischen Spiels Warhammer 40.000 bemalen. Was auch immer sie tun, die Niederlage ihrer Bannerträger ist eine politische Niederlage für sie und bedeutet das Ende aller Hoffnungen auf einen Sieg der Tories bei den nächsten Wahlen.

Auch wenn sich die Tories auf fünf Jahre der Bedeutungslosigkeit vorbereiten, wird dies keine Zeit der ruhigen Beobachtung sein. Ja, es ist schon komisch, dass die Tories, anders als nach ihrem Machtverlust 1997, jetzt eine »zentristische« Erholungsphase überspringen. Sie überspringen die William-Hague-Phase und gehen direkt zu einer Neuauflage der Iain-Duncan-Smith-Ära über. Aber ihr Rechtsruck könnte die britische Politik weiter vergiften, den Extremismus von Reform UK stärken und Rassisten, Fanatiker und die bekennende extreme Rechte ermutigen, ihre Angriffe zu verstärken. Um sich einen vermeintlichen politischen Vorteil zu verschaffen, setzen die konservativen Abgeordneten mit ihrer moralischen Leere die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl von Millionen Menschen in Britannien aufs Spiel.

Phil Burton-Cartledge ist Dozent für Soziologie an der Universität von Derby und Autor der Studie »The Party’s Over. The Rise and Fall of the Conservatives from Thatcher to Sunak« (Verso Books 2023). In Sozialismus.de 11-2023 schrieb er über »Die Reproduktionskrise der Konservativen Partei. Zur schwindenden politischen Macht der Tories«. Sein hier dokumentierter Beitrag (Übersetzung: Hinrich Kuhls) erschien zuerst am 9.10.2024 auf seinem Blog »All That Is Solid…« unter dem Titel »The Tories Have Lost the Next Election«.

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