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Joachim Bischoff
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5. November 2025 Redaktion Sozialismus.de: Mamdani wird Bürgermeister von New York

»Fight Oligarchy«

Noch Anfang des Jahres war der Abgeordnete Mamdani, der den Stadtteil Queens in der New York State Assembly vertritt, ein kaum bekanntes Mitglied der Demokratischen Partei und hatte Zustimmungswerte zwischen 1 und 2%. Am 4.11. nun wählten die New Yorker*innen Zohran Mamdani mit überwältigender Mehrheit zu ihrem Bürgermeister.

Nach Auszählung von mehr als 95% der Stimmen liegt der linke Demokrat laut mehreren US-Medien uneinholbar vorn. Insgesamt gaben mehr als zwei Millionen Bürger*innen von New York ihre Stimme ab – nach Auskunft der Wahlleitung so viele wie seit 1969 nicht mehr. Das Wahlergebnis ist das Resultat einer Graswurzelbewegung, wie sie das Land noch selten gesehen hat.

Frühe Umfragedaten deuteten bereits darauf hin, dass die Wählerschaft jünger als bei den vergangenen Bürgermeisterwahlen ist, was Mamdani zugutekam. Mit seinen Vorschlägen für ein erschwinglicheres New York (Mietbegrenzungen, staatliche Supermärkte mit stabilen Preisen, Gratis-Kinderbetreuung, Gratis-Busse etc.) gelang es dem Sozialisten, sich bereits in der demokratischen Vorwahl gegen den früheren Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, durchzusetzen.

Cuomo trat seitdem als unabhängiger Kandidat an, es belasten ihn neben der Niederlage auch Anschuldigungen von mehreren Frauen wegen sexueller Belästigung. Dem Republikaner Curtis Sliwa wurden angesichts der Umfragen bereits im Vorfeld der Wahlen wenig Chancen eingeräumt.

Mamdani hatte am vergangenen Wochenende zur Kundgebung ins Forest Hills Stadium in Queens und damit nicht nur zum Finale eines der bemerkenswertesten Wahlkämpfe der jüngeren Zeit eingeladen. Sein Auftritt dort und in der Folge sein Wahlsieg könnten ein neues Kapitel linker amerikanischer Politik aufgeschlagen haben. Denn in der demokratischen Partei sieht sich das gemäßigte Establishment zunehmend vom progressiven Flügel bedrängt. Der Wahlerfolg in New York dürfte auch die Verhältnisse in der Partei in Bewegung bringen.

Für die Kundgebung in Queens bekam Mamdani Unterstützung von den Führungsfiguren des progressiven Flügels: von seiner prominentesten Genossin, der Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez und von der »grauen Eminenz« des sozialistischen Amerika, Bernie Sanders. Die drei Politstars locken weit über zehntausend Zuschauer ins Stadion.

Kein Wunder, dass US-Präsident Donald Trump den 34-Jährigen Newcomer schon seit seinem Erfolg bei den Vorwahlen massiv beschimpft. »Manche Leute haben Mamdani mit einer linken Version von Ihnen verglichen, charismatisch, die alten Regeln brechend. Was halten Sie davon?«, wurde Trump von einer Journalistin gefragt. »Nun, ich denke, ich sehe viel besser aus als er, oder?«, antwortete dieser wie gewohnt hochnäsig und drohte zugleich: »Es wird mir schwerfallen, New York viel Geld zu geben. Denn wenn ein Kommunist regiert, verschwendet man nur das Geld, das man dorthin schickt.«

Trump adelte Mamdani schon seit Monaten als einen neuen Lieblingsfeind mit abfälligen Kommentaren über ihn und dessen Vorhaben. Der bezeichnet sich als demokratischen Sozialisten und hat progressive Pläne für die teuerste und bevölkerungsreichste Stadt der Vereinigten Staaten. Er will einen Teil der Mieten einfrieren, Kitas sowie Busfahrten des öffentlichen Nahverkehrs gratis anbieten, da diese insbesondere in Vierteln einkommensschwächerer Einkommensschichten wichtig sind. Und er schlägt die Gründung städtischer Supermärkte vor, die mit günstigeren Angeboten auch Preisdruck auf private Läden ausüben würden.[1]

Bereits seit dem 25. Oktober strömten New Yorker Bürger*innen in die Wahllokale, rund mehr als 735.000 hatten schon vor dem 4. November ihre Stimme abgegeben – viermal so viele wie vor der vergangenen Bürgermeisterwahl. Insgesamt gingen mehr als zwei Millionen Menschen zur Wahl – die Wahlbeteiligung dürfte so hoch sein wie seit mehr als 50 Jahren nicht. In der Vergangenheit war die Entscheidung über das New Yorker Rathaus – wenn überhaupt – ein nationales, aber kein internationales Thema. Das ist dieses Mal anders. Mamdani wurde auch als Vertreter derjenigen gewählt, die mit Trumps Politik unzufrieden sind. Lehren aus dem Wahlkampf eines jungen, linken Politikers, der Menschen erreicht, dürften auch für die kommenden Zwischenwahlen zum Kongress oder sogar für die nächsten Präsidentschaftswahlen wichtig sein.

Trump drohte nicht nur, sondern unterstützte auch Cuomo: »Ob ihr Andrew Cuomo nun persönlich mögt oder nicht, ihr habt keine Wahl. Ihr müsst ihn wählen und hoffen, dass er einen fantastischen Job macht«, postete er auf Truth Social. »Er kann es, Mamdani nicht!« Zuvor hatte er erklärt, er werde nur ungern mehr als das absolute Minimum an Bundesmitteln New York zukommen lassen, sollte Mamdani gewählt werden. »Es wird mir als Präsident schwerfallen, New York viel Geld zu geben.«

Als Reaktion darauf sagte Mamdani, er werde »diese Bedrohung als das bezeichnen, was sie ist: eine Bedrohung. Sie ist nicht das Gesetz«. Und er wies Anschuldigungen, er sei Kommunist, zurück. In einem Fernsehinterview scherzte er, er sei »so etwas wie ein skandinavischer Politiker«, nur brauner, womit er darauf anspielte, dass seine Eltern indischer Abstammung sind.

Die Trump-Regierung hat wiederholt versucht, Bundesmittel und Zuschüsse für Projekte, die sich hauptsächlich in von Demokraten regierten Gebieten befinden, zu kürzen. New York City erhielt in diesem Haushaltsjahr 7,4 Mrd. US-Dollar an Bundesmitteln. Der im Vorwahlkampf der Demokraten unterlegene und nun als unabhängiger Kandidat antretende Cuomo, ein langjähriger Kritiker Trumps und ehemaliger demokratischer Gouverneur des Bundesstaates New York, reagierte auf die verhaltene Unterstützung des US-Präsidenten: »Er unterstützt mich nicht. Er ist gegen Mamdani.«

In einem ausführlichen Interview mit der CBS-Sendung »60 Minutes« am letzten Sonntag hatte Trump, der ebenso wie Mamdani im New Yorker Stadtteil Queens aufwuchs und dort noch immer diverse Immobilien besitzt, kundgetan, was er schon von dessen gemäßigt linksgerichteten Vorgänger von 2014 bis 2021 im Amt des New Yorker Bürgermeister, Bill de Blasio, hält: »Ich habe de Blasio erlebt, was für ein schlechter Bürgermeister er war, und dieser Mann [Mamdani] wird es bei weitem noch schlechter machen als de Blasio«.

Zohran Mamdani ist der der erste muslimische Bürgermeister der Stadt und der jüngste seit über 100 Jahren. Er ist Mitglied bei den Democratic Socialists of America, der größten linken Organisation in den USA. Daraus speist sich sein Programm: »Es geht darum, eine Alternative zu schaffen, die das widerspiegelt, was die New Yorker so dringend in ihrer eigenen Stadt sehen wollen und was sie jeden Tag in sich selbst und ihren Nachbarn finden – eine Stadt, die an die Würde jedes Einzelnen glaubt, der diesen Ort sein Zuhause nennt.«

Dabei wird er unterstützt von Alexandria Ocasio-Cortez und Bernie Sanders, die allesamt bereits seit Monaten mit der Parole »Fight Oligarchy« (Bekämpft Oligarchie) immer wieder auf Kundgebungen mit Reden gegen die Regierung, Korruption, Selbstbereicherung und die Bevorteilung von Superreichen auftreten.

Trump gefällt all das natürlich gar nicht: »Wir werden eine unserer großartigen Städte nicht ruinieren, denn wir werden sie großartig machen«, weshalb er schon vor Wochen ankündigte, bei einem Wahlsieg Mamdanis die Nationalgarde in die Stadt zu schicken: »Wir werden die Kriminalität in etwa 30 Tagen beseitigen.« Und er drohte zudem damit, die Staatsbürgerschaft des in Uganda Geborenen mit US-Pass zu überprüfen, den er unter anderem als »völlig verrückt« sowie als »hundertprozentigen kommunistischen Irren« bezeichnete und selbst eine Verhaftung nicht ausschloss, falls der sich als Bürgermeister den Abschiebungen durch die Migrationsbehörde ICE widersetzen würde.

New York ist eine »Zufluchtsstadt« (»Sanctuary City«) für Einwanderer. Mamdani kündigte bereits an, die Polizei werde nicht mit ICE kooperieren. Von etwa 8,5 Mio. Einwohner*innen sind mehr als ein Drittel Einwanderer. Zwischen 400.000 und 500.000 Migrant*'innen haben laut Schätzungen keine gültige Aufenthaltsgenehmigung. Mamdanis Konkurrent Cuomo hatte vor der Wahl behauptet, Trump würde die Stadt »übernehmen« und das US-Militär entsenden, sollte dieser gewinnen: »Er wird Panzer auf die Fifth Avenue schicken.«

Noch am Nachmittag vor der Wahl hatte Mamdani vor Wahlhelfern im Stadtteil Queens selbst auf die vor seiner Amtszeit stehenden Probleme verwiesen: Er sei der Kandidat für »New Yorker, die wissen, dass sie von einer doppelten Krise bedroht sind. […] Einerseits durch eine autoritäre Regierung und andererseits durch die Erschwinglichkeitskrise«. Trump hatte im Präsidentschaftswahlkampf versprochen, unter ihm sänken die Preise, die unter Joe Biden wegen der Corona-Pandemie und Lieferkettenproblemen in die Höhe geschnellt waren. Davon ist bislang nichts zu spüren, damit werde auch er umgehen müssen, sagte Mamdami. Trump, Musk & Co. hätten Angst davor, »dass wir alles erreichen werden, wofür sie sich eingesetzt haben, sie fürchten die Macht eines Exempels.«

Vor Mamdani stehen gewaltige Herausforderungen: Mieten, Kinderbetreuung, Lebensmittel – der Big Apple ist für einen großen Teil der New Yorker unerschwinglich geworden. Während die Mieten schon im günstigsten Stadtteil Queens im Durchschnitt bei 3.466 US-Dollar liegen, sind sie laut Marktforschungsunternehmen Rental Real Estate in Manhattan auf 4.500 US-Dollar angestiegen – viermal so hoch wie im Landesschnitt.

Auf nationaler Ebene verfolgen Mamdanis Mitstreiter*innen den Aufstieg des charismatischen Mannes mit Aufmerksamkeit – und Skepsis. Angesichts der Misere der Demokraten im komplett von Trump dominierten Politikbetrieb gilt Mamdanis Wahlkampf als Paradebeispiel, wie Wähler*innen durch intensiven Straßenwahlkampf und eine brillante Social-Media-Kampagne mobilisiert und gewonnen werden können.

Zugleich kann Mamdani jedoch auch eine Gefahr für die Demokraten sein. Der Begriff »Sozialist« verschreckt weite Teile der US-Wählerschaft. Laut Umfragen lehnt eine Mehrheit Sozialismus kategorisch ab, vor allem die ältere Generation. »Deshalb scheuen sich so viele führende Demokraten, Mamdani öffentlich zu unterstützen. Abgeordnete fürchten, dass sie bei zu großer Nähe zu ihm bei den nächsten Wahlen ihren Sitz verlieren könnten«, sagt etwa Lanae Erickson, Expertin der progressiven Denkfabrik Third Way.

Doch Mamdanis Wahlversprechen haben offenkundig eine Mehrheit überzeugt – weil sie die Lebensverhältnisse zu verbessern versprechen: Mietendeckel, höhere Löhne, kostenlose Verkehrsmittel und gute Gesundheitsvorsorge für alle. Finanzieren will er das durch höhere Steuern für Gutverdiener und Unternehmer – entsprechend groß ist der Widerstand im Wirtschaftslager und bei den Konservativen. Milliardäre wie Bill Ackmann oder Michael Bloomberg wurden im New Yorker Stadion ausgebuht, als ihr Name fiel. »Die Milliardäre interessieren sich nicht für hart arbeitende New Yorker«, sagt Mamdani.

Anmerkung

[1] Siehe hierzu auch den Beitrag von Max Lill: »›It always seems impossible – until it is done‹. Zohran Mamdanis Sieg bei den demokratischen Vorwahlen für das Bürgermeisteramt in New York«, in Sozialismus.de, Heft 9-2025, S. 38ff.

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