4. Mai 2025 Redaktion Sozialismus.de: Die Einstufung der AfD durch den Inlandsgeheimdienst
»Gesichert rechtsextremistisch«
Die Einstufung der gesamten AfD als gesichert rechtsextremistisch begründet das Bundesamt für Verfassungsschutz unter anderem mit dem Volksbegriff der Partei. Das »in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis« sei nicht mit der »freiheitlichen demokratischen Grundordnung« vereinbar.
Es ziele darauf ab, »bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen«.
»Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes«, heißt es in der Pressemitteilung des Bundesamts weiter, denn das Gutachten selbst ist öffentlich nicht zugänglich. Dieses »ausgrenzende Volksverständnis« sei »Ausgangspunkt und ideologische Grundlage für eine kontinuierliche Agitation gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, mit der diese pauschal diffamiert und verächtlich gemacht sowie irrationale Ängste und Ablehnung ihnen gegenüber geschürt« würden.
Als Beleg führt der Verfassungsschutz eine »Vielzahl fortlaufend getätigter fremden-, minderheiten- sowie islam- und muslimfeindlicher Äußerungen von führenden Funktionärinnen und Funktionären der Partei« an. Dadurch werde die »Verbreitung und Vertiefung von Vorurteilen, Ressentiments und Ängsten« gefördert. So finde sich etwa eine pauschalisierende Verwendung von Begriffen wie »Messermigranten« oder eine generelle Zuschreibung »einer ethnokulturell bedingten Neigung zu Gewalt« durch führende Mitglieder der AfD.
Das Gutachten des Bundesamts umfasst laut der noch geschäftsführend amtierenden Bundesinnenministerin Nancy Faser 1.100 Seiten. Es enthält eine umfangreiche Materialsammlung, die bis zuletzt aktualisiert wurde. Bei einer als gesichert extremistisch eingestuften politischen Partei sinkt die Schwelle für den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln. Mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das BfV zwar vordergründig nichts zu tun, denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen.
Zur Feststellung, dass die AfD programmatisch wie im politischen Alltag sich an einem ethnisch-abstammungsmäßigen Volksverständnis orientiert, bedarf es gewiss nicht der Methoden eines Inlandsnachrichtendienstes. Diverse Analysen in zahlreichen Publikationen haben bereits seit vielen Jahren darauf hingewiesen, dass die AfD darauf abzielt, »bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen«.
Die Behauptung von CDU/CSU, FPD, SPD und auch Teilen der Grünen, es sei etwas fundamental völlig anderes, die Stimme gegen unkontrollierte Einwanderung und kriminell aufgefallene MigrantInnen zu erheben, hat deshalb geringen Überzeugungswert. Nicht zuletzt diese Haltung und der Vorgang, dass der designierte neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in diesem Zusammenhang im Deutschen Bundestags die Zustimmung zu einem von seiner Partei eingebrachten Antrag billigenden In Kauf nahm, unterstreicht dies.
Politiker der US-Regierung und andere Vorkämpfer des Westens protestieren gegen das Verfassungsschutz-Urteils. Außenminister Marco Rubio kommentiert auf X: »Deutschland hat seinem Geheimdienst gerade neue Befugnisse gegeben, die Opposition zu überwachen. Das ist keine Demokratie – das ist Tyrannei im Verborgenen.« Und weiter: »Was wirklich extremistisch ist, ist nicht die populäre AfD – die bei der letzten Wahl den zweiten Platz belegte –, sondern vielmehr die tödliche offene Grenzpolitik des Establishments, die die AfD ablehnt.«
Auch der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew hat die Einstufung der AfD im sozialen Netzwerk X kritisiert: »Anscheinend halten CDU/CSU, die SPD und andere deutsche Kleinparteien alles für extremistisch, was bessere Umfragewerte hat als sie«, schrieb der jetzige Vizechef des russischen Sicherheitsrates. Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán gar sagte der AfD seine Unterstützung zu.
Die Mehrheit der politischen Klasse der Berliner Republik hat sich in der Causa AfD in eine politische Sackgasse hineinmanövriert. Der designierte Fraktionsvorsitzende der zukünftigen Regierungspartei CDU/CSU, Jens Spahn, votierte kurz zuvor noch dafür, die AfD im Bundestag wie eine andere Oppositionspartei zu behandeln. Der CDU-Ministerpräsident Schleswig-Holsteins Daniel Günter forderte nun gegenüber dem Spiegel: »Der Bund muss jetzt zügig ein Verbotsverfahren einleiten, um unsere Demokratie zu schützen.«
In der Debatte über die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch sieht Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke die anderen Parteien in der Pflicht. »Die Einstufung der AfD überrascht nicht«, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. »Es bleibt aber dabei, dass die Menschen mit guten Lösungen für die Zukunft unseres Landes von der Funktionsfähigkeit unseres demokratischen Systems überzeugt werden müssen.« Dies sei die »große Herausforderung für alle, die die Ehre haben, in einer Demokratie Verantwortung tragen zu dürfen«.
Allerdings muss man dem deutschen Inlandgeheimdienst vor allem Glauben schenken, denn die Behörde will das 1.100 Seiten lange Gutachten nicht veröffentlichen. Diesem absurden Verfahren zum Trotz wird die vorgenommene Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem von großen Teilen der deutschen Öffentlichkeit als Sieg der wehrhaften Demokratie und eines funktionierenden Rechtsstaats gefeiert.
Die politische Auseinandersetzung kann aber weder an einen Geheimdienst, der in früheren Zeiten seine spezifische Sichtweise auf die »freihitlich demokratische Grundordnung« vor allem gegen Links geltend gemacht hat, und der in der jüngsten Vergangenheit etwa in der Aufklärung über die NSU-Verbrechen auch nicht gerade durch entschiedenes Auftreten gegen Rechts aufgefallen ist, um es zurückhaltend zu formulieren, noch durch die Anrufung an Gerichte delegiert werden, die zudem jahrelange Verfahren nach sich ziehen werden. Allein auf diese Institutionen zu setzen, ist ein Weg in eine politische Sackgasse. Wie die staatlichen Institutionen und die blamierten Parteien daraus herausfinden sollen, ist bislang nicht zu erkennen.