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ISBN 978-3-96488-121-2

9. September 2021 Otto König/Richard Detje: »Global Rights Index 2020« des Internationalen Gewerkschafsbunds

Gewerkschafter:innen werden ermordet

Kolumbien gehört zu den Ländern, in denen die brutalsten Menschenrechtsverletzungen und Angriffe auf Gewerkschafter:innen begangen werden. Zwischen Januar 2019 und März 2020 wurden 14 führende Gewerkschafter:innen ermordet. Darüber hinaus wurden vier Mordversuche, ein Fall von Zwangsverschleppung und 198 Morddrohungen dokumentiert.

Die am stärksten betroffenen Gewerkschaftssektoren waren das Bildungs- und das Transportwesen, der Bergbau und die Energiewirtschaft. Verantwortlich dafür sind paramilitärische Gruppen bzw. die »bacrim« (bandas criminales). Es ist ein offenes Geheimnis, dass Unternehmer und transnationale Konzerne diese Gruppierungen zur Niederschlagung von Streiks und zur Exekution oppositioneller Kräfte einsetzen.

In Brasilen wurde der Vorsitzende der Landarbeitergewerkschaft von Rio Maria und einer der Amtsträger des Gewerkschaftsbundes Central de Trabalhadores do Brasil, Carlos Cabral Pereira, von zwei Unbekannten auf einem Motorrad in der Nähe seiner Wohnung angeschossen. Der in der Region hoch angesehene Gewerkschafter, der sich für den Zugang zum Land für Landarbeiter:innen eingesetzt hatte, starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Auch dieser Fall ist dokumentiert vom Internationalen Gewerkschaftsbund (ITUC)[1] in seinem aktuellen Global Rights Index 2020.[2]

Sechs der neun im Globalen Rechtsindex aufgelisteten Länder, in denen Gewerkschaftsmitglieder ermordet wurden, befinden sich in Lateinamerika: Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Ecuador und Honduras. Von den Gewerkschaften aktiv unterstützte Massendemonstrationen in Bolivien, Chile und Ecuador wurden mit extremer Polizeigewalt niedergeknüppelt. Die brutalen Polizeieinsätze kosteten vielen Protestierenden das Leben.

In Chile wurden mindestens 23 Menschen bei Protesten gegen die Regierung getötet und 2.300 verletzt, wobei Dutzende Beteiligte durch nicht tödliche Geschosse geblendet wurden. In Bolivien wurden bei Demonstrationen gegen die rechte Putschregierung mindestens 31 Menschen getötet. In Ecuador hat die Regierung auf Massenproteste gegen weitreichende Sparmaßnahmen mit der Verhängung des Ausnahmezustandes und harten Polizeieinsätzen reagiert. Hunderte Menschen wurden festgenommen, mindestens eine Person wurde getötet, 73 wurden schwer verletzt.

Aus der Untersuchung geht hervor, dass die Verletzung der Arbeiter:innenrechte weltweit neue Höchststände erreicht hat. In der vom ITUC erstellten Ranking-Liste gehören zu den zehn gefährlichsten Ländern für abhängig Beschäftigte Bangladesch, Brasilien, Honduras, Kolumbien, Myanmar, die Philippinen, Simbabwe, die Türkei und Weißrussland. Etwa drei Viertel der Länder weltweit verletzen das Streikrecht, kollektive Tarifverhandlungen, verhindern die Gründung bzw. den Beitritt zu einer Gewerkschaft.

Zu den gewerkschaftsfeindlichsten Ländern der Welt zählt die Türkei. Seit dem gescheiterten Militär-Putschversuch 2016 hat die türkische Regierung demokratische Rechte und bürgerliche Freiheiten massiv eingeschränkt. Sie geht nicht nur gegen linke Oppositionskräfte, sondern auch gegen unabhängige Gewerkschaften mit aller Härte vor. Gewerkschaftsgründungen werden erschwert, indem die Arbeitgeber gezielt »gewerkschaftsfeindliche Taktiken« anwenden, um Aktivist:innen entlassen zu können. Führende Gewerkschafter:innen werden systematisch ins Visier der Sicherheitsbehörden genommen.

Der ITUC weist darauf hin, dass die Corona-Pandemie die Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Arbeiter:innen zusätzlich verschlechtert hat. Die Überwachung der Beschäftigten sei intensiviert, das Recht auf Privatsphäre untergraben, die Rede- und Versammlungsfreiheit weiter eingeschränkt worden. Regierungen und Arbeitgeber würden die Pandemie nutzen, um Beschäftigte, die wichtige Informationen über die Verbreitung des Virus am Arbeitsplatz offengelegt hatten, zu entlassen. Dies alles geschah, während »die Arbeiter*innen und ihre Gewerkschaften an vorderster Front standen und wesentliche Arbeit geleistet haben, um die Wirtschaft am Funktionieren zu halten«, sagt ITUC-Generalsekretärin Sharan Burrow.

Der Bericht listet gravierende Verletzungen von Arbeitnehmer-Rechten auf:

  • 87% der Länder (123 von 144) haben das Streikrecht verletzt: Streiks und Demonstrationen wurden in Weißrussland, Guinea, Senegal und Togo verboten und in Bolivien, Chile und Ecuador brutal geahndet. Im Iran und Irak wurden bei Protesten Massenverhaftungen vorgenommen.
  • 79% der Länder (115 von 144) haben das Tarifverhandlungsrecht verletzt: in Ägypten und Honduras beispielsweise durch Hindernisse bei der Zulassung von Gewerkschaften und die Entlassung von Arbeitnehmervertreter:innen.
  • 74% der Länder (106 von 144) haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen: Im Sudan wurden sämtliche Gewerkschaften und Vereinigungen aufgelöst, und in Bangladesch wurden von den 1.104 Anträgen auf die Zulassung von Gewerkschaften, die zwischen 2010 und 2019 geprüft wurden, 46% vom Arbeitsministerium abgelehnt.
  • Die Zahl der Länder, in denen die Zulassung von Gewerkschaften behindert wurde, hat sich von 89 im Jahr 2020 auf 109 im Jahr 2021 erhöht.
  • In 72% der Länder (103 von 144) hatten Beschäftigte keinen oder eingeschränkten Zugang zur Justiz.
  • Die Zahl der Länder, in denen die Redefreiheit verweigert oder eingeschränkt wurde, hat sich von 56 im Jahr 2020 auf 64 im Jahr 2021 erhöht.
  • In 51 Ländern waren abhängig Beschäftigte Gewalt ausgesetzt.
  • In 68 Ländern wurden Arbeiter:innen willkürlich verhaftet und inhaftiert, darunter hochrangige Gewerkschafter:innen in Indonesien, Korea und der Türkei.

Ein weiterer im Jahr 2020 festgestellter skandalöser Trend besteht darin, führende Gewerkschaftsvertreter:innen durch staatliche Stellen überwachen zu lassen, mit dem Ziel, Angst zu schüren und unabhängige Gewerkschaften und deren Mitglieder unter Druck zu setzen. In Chile wurde das Computersystem der Militärpolizei Carabineros de Chile im Oktober 2019 gehackt und damit offengelegt, dass die Sicherheitsbehörden Gewerkschaften systematisch beobachtet und überwacht haben. Unter den Dokumenten befanden sich detaillierte Berichte über Aktivitäten der Gewerkschaftsbewegung wie rechtmäßige Streiks in Unternehmen und Tarifverhandlungen sowie Profile führender Gewerkschafter:innen wie beispielsweise die von Bárbara Figueroa, Präsidentin des Gewerkschaftsbundes Central Unitaria de Trabajadores (CUT).

Der Bericht zitiert weiterhin »Verletzungen des Rechts auf Privatsphäre« bei Amazon, Facebook und Google sowie »Union-Busting« bei den Fahrdienst-Vermittlern Uber und Lyft sowie dem Lieferdienst Doordash in den USA. Die Überwachung der Lager von Amazon und damit der Beschäftigten auch in Europa entwickelte sich zu einem globalen Skandal.

In Sachen Gewerkschaftsrechte für arbeitende Menschen ist Nahost/Nordafrika zum siebten Mal in Folge die rückschrittlichste Region der Welt. Sie wird erschüttert von Konflikten und einem Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit, mit der Folge, dass in Ländern wie Palästina, Syrien, Jemen und Libyen grundlegende Arbeitnehmer:innenrechte nicht mehr garantiert werden. Viele Länder im Nahen Osten sind in großem Umfang vom »Kafala-System«, einem System moderner Sklaverei, abhängig und schließen Wanderarbeitskräfte, die große Mehrheit der Erwerbsbevölkerung, weiterhin vom Recht auf Vereinigungsfreiheit und auf Tarifverhandlungen aus.

Wenn es um Arbeiterrechte geht, ist die asiatisch-pazifische Region die zweitschlechteste der Welt. Arbeiter:innen und Gewerkschaftsmitglieder sind extremer Gewalt, Einschüchterungen und gewerkschaftsfeindlicher Diskriminierung sowohl von Seiten der Regierungen als auch der Arbeitgeber ausgesetzt. 87% der Länder haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von oder den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen. 91% der Länder haben das Tarifverhandlungsrecht verletzt und 20 von 23 Ländern haben das Streikrecht verletzt. In mehreren Ländern wurden aus fadenscheinigen Gründen führende Gewerkschafter:innen verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt.

In den Ländern Afrikas, unter anderem in Burundi, der Zentralafrikanischen Republik, Somalia, Südsudan und Sudan, stehen Millionen Menschen aufgrund der internen Konflikte nach wie vor ohne ein Mindestmaß an Schutz da. Es kam zu einer Eskalation der Gewalt gegenüber Gewerkschafter:innen, Streikenden und Protestierenden. In Senegal wurden Streiks und Proteste verboten. In Südafrika wurden 2019 zwei Gewerkschaftsführer ermordet: Roland Mani, stellvertretender Provinzsekretär der Gewerkschaft SAMWU (South Africa Municipal Workers’ Union) in Limpopo, und Tshililo Tshimangadzo Mositho, der frühere SAMWU-Provinzvorsitzende von Limpopo. 95% der afrikanischen Länder haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von oder den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen. 97% haben das Tarifverhandlungsrecht und 38 von 39 Ländern haben das Streikrecht verletzt.

Die europäischen Staaten schneiden im »Global Rights Index« am besten ab, obwohl der aktuelle Bericht eine zunehmende Verschlechterung der Rechtslage auch in einem Teil dieser Länder konstatiert. In Frankreich wurden die Massenproteste gegen die Rentenreform Ende 2019 und 2020 gewaltsam von der Polizei niedergeknüppelt. Viele Teilnehmer: innen wurden willkürlich verhaftet und in Gewahrsam genommen. Mehrere Büros der Gewerkschaft CFDT in Paris und Dijon wurden im Dezember 2019 und im Januar 2020 von maskierten Männern durchsucht und verwüstet.

In den Niederlanden gab ein Gericht dem Antrag der Fluggesellschaft EasyJet im Zusammenhang mit einem Tarifkonflikt mit der Betriebsgewerkschaft statt und ließ eine längere Ankündigungsfrist für einen Streik zu. Diese Verzögerung nutzte EasyJet, um 14 Piloten aus Belgien zu holen, die die 15 streikenden niederländischen Piloten ersetzen und ihre Flüge übernehmen sollten. Der Kassationshof in Belgien bestätigte die Verurteilung von Bruno Verlaeckt, des Vorsitzenden des ABVV/FGTB-Industrieverbandes Algemene Centrale in Antwerpen, wegen »böswilliger Verkehrsbehinderung« während eines Generalstreiks. Obwohl ihm keine individuellen Handlungen nachgewiesen werden konnten, machte das Gericht Verlaeckt allein wegen seiner Rolle als Organisator des Streiks verantwortlich. Der Entscheid ebnete den Weg für weitere Verurteilungen.

In Teilen der osteuropäischen Länder werden unabhängige Gewerkschaften nach wie vor unterdrückt. In Albanien, Bulgarien, Ungarn und Polen wurden »regelmäßige Verletzungen von Rechten« festgestellt. Die Ukraine erhielt die schlechteste Punktzahl in der Subregion. Auch Kroatien, Tschechien, Montenegro, Estland, Lettland und Litauen gehören zu den Ländern, denen »wiederholte Rechtsverletzungen« vorgeworfen werden. Gewerkschafter:innen wurden in ihrer Freizügigkeit massiv eingeschränkt, nachdem sie aufgrund erfundener Anklagepunkte vor Gericht gebracht und zu hohen Strafen verurteilt worden waren.

Der »Globale Rechtsindex des IGB 2020« macht den »Zerfall des Gesellschafts- oder Sozial-vertrages« sowie Arbeitnehmerrechtsverletzungen auf einem neuen Siebenjahreshöchststand deutlich. Der Internationale Gewerkschaftsbund fordert deshalb die Regierungen auf, die Rechtsnormen einzuhalten, die sie selbst bei der »Internationalen Arbeitsorganisation« (ILO) beschlossen haben. »Wenn es uns nicht gelingt, das Vertrauen in die Demokratie wiederherzustellen, angefangen mit Demokratie am Arbeitsplatz, dann gefährden wir die Grundlage unserer Gesellschaften«, betonte Sharan Burrow.

Anmerkungen

[1] Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) vertritt 200 Millionen Mitglieder von 332 Mitgliedsorganisationen in 163 Ländern und Territorien. Gemeinsam mit seinen Mitgliedsorganisationen organisiert der IGB Kampagnen für die universelle Achtung der Gewerkschaftsrechte, wie sie in den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) verankert sind. Dazu gehört auch die Erstellung des »Globalen Rechtsindex«, in dem Verletzungen international anerkannter Arbeitnehmerrechte durch Regierungen und Arbeitgeber dokumentiert werden.
[2] Siehe auch: ituc_globalrightsindex_2020.de

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