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30. Mai 2020 Joachim Bischoff/Bernhard Müller

Hamburg im Schraubstock der Corona-Krise

Die durch die Corona-Pandemie bedingte Abwärtsspirale in der Wirtschaftsleistung wird in Hamburg wohl mindestens fünf Jahre lang zu niedrigeren Steuereinnahmen führen. Zugleich sind in der Krise trotz Einnahmeausfälle höhere Ausgaben unaufschiebbar.

Wie gehen die politischen Akteure in der Hansestadt mit dieser Zwangslage um? Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) macht auf Optimismus: Das große Einnahmeloch werde mit Krediten zugeschüttet. Mit der großen Einschränkung, dass die Talfahrt bei vielen Unternehmen noch nicht zu Ende sei, wolle man den Bürger*innen und der Öffentlichkeit versichern: Hektische Sparprogramme werde es nicht geben. Denn Hamburg stehe »auf einem finanziell sehr stabilen Fundament«. Der Etat für dieses Jahr sei solide durchfinanziert. Und die nächsten Jahre werde man ähnlich verfahren.

Von einem stabilen Fundament kann bei der hochverschuldeten Metropole allerdings keine Rede sein und auch ohne besonderes Erinnerungsvermögen werden sich Viele an die endlosen Sparrunden erinnern. Klarheit war noch nie die Stärke der rot-grünen Regierungskoalition und aktuell mitten in Koalitionsverhandlungen schon gar nicht.

Die Verhandlungen für die künftig fünf Jahre Regierungszeit bleiben nebulös wie gewohnt. Finanzsenator Dressel redet wolkig von der »Herausforderung für einen neuen Senat und für die gesamte Politik der Stadt in den kommenden Jahren«, Spielraum für nicht zwingend notwendige Vorhaben gebe es wenig. Dies muss als Aufklärung reichen. Und auch die gesamte Opposition verzichtet auf Kritik.


Die gesamte Republik am Abwärtstrend

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland fiel von Januar bis März um 2,2% zum Vorquartal, der mit Abstand stärkste Rückgang seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 (siehe hierzu detaillierter Ein gigantisches Steuerloch auf Sozialismus.deAktuell vom 15.5.2020). Eine realistische Einschätzung des Absturzes der gesamtgesellschaftlichen Leistung wird es erst nach dem 2. Quartal geben können. Experten schätzen jedoch schon jetzt, dass das BIP im 2. Quartal um 14% unter dem gleichen Quartal des Vorjahres liegen könnte. Der private Konsum droht 2020 insgesamt um 10% einzubrechen.

Dies wir auch zu gewaltigen Mindereinnahmen des Staates führen. Geringere Steuereinnahmen aufgrund von Gewinn- und Umsatzeinbußen sowie der Entlastung von Unternehmen durch Steuerstundungen und Verlustrückträge auf der einen Seite und Mehrausgaben zur Abfederung von Kurzarbeit und ansteigender Arbeitslosigkeit summieren sich für Bund, Länder und Kommunen zu einem massiven Einbruch der Steuereinnahmen von knapp 100 Mrd. Euro in diesem Jahr. Auf den Bund entfallen dabei 44 Mrd. Euro Mindereinnahmen, auf die Länder 35 Mrd. Euro und die Kommunen 15,6 Mrd. Euro.

Noch dramatischer sieht die Lage für die Jahre 2020 bis 2024 aus. Hier fehlen gegenüber der Herbst-Schätzung 315,9 Mrd. Euro, davon ungefähr 171 Mrd. Euro dem Bund. Während die Staatseinnahmen erheblich sinken, wurde versucht, mit zusätzlichen Ausgaben Unternehmen und Wirtschaft zu stabilisieren. Der Schutzschirm sah allein für den Bund Maßnahmen in Höhe von insgesamt 335 Mrd. Euro vor. Der Bundestag hat bereits im März einen Nachtragshaushalt verabschiedet, der eine Neuverschuldung von 156 Mrd. Euro vorsieht.


»Ein deutlicher Einschlag ins Kontor der Steuereinnahmen« auch in Hamburg

Logischerweise muss auch Hamburg mit einem dramatischen Verlust seiner Einnahmen fertig werden. Nach der für die Stadt spezifizierten Steuerschätzung wird der Stadtstaat in diesem Jahr rund zwei Mrd. Euro weniger einnehmen als noch 2019 (10,9 zu 12,9 Mrd. Euro) und 1,7 Mrd. Euro weniger, als im Haushalt eingeplant – damit fehlen ihr rund 13,5% der erwarteten Steuereinnahmen.

»Die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Corona-Pandemie bedeuten einen deutlichen Schlag ins Kontor der Hamburger Steuereinnahmen«, sagte Finanzsenator Dressel. Dass die Größenordnung zumindest nicht weit über die interne Schätzung der Finanzbehörde vom März hinausgeht – damals hatte sie, abgeleitet von Erwartungen des Bundes, mit einem Minus von 1,65 Mrd. Euro gerechnet – war da nicht mehr als ein kleines Trostpflästerschen.

Dramatisch ist auch der mittel- und langfristige Ausblick: Bis 2024 wird sich das Einnahmeloch der Steuerschätzung zufolge sogar auf mehr als 4,7 Mrd. Euro summieren. Dabei gilt: Nach dem massiven Einbruch 2020 soll es ab 2021 (erwartete Steuereinnahmen: knapp 12,3 Mrd. Euro) zwar schon wieder kräftig aufwärts gehen. Aber die Stadt wird in jedem Jahr um etwa 700 bis 800 Mio. Euro unter den bislang erwarteten Einnahmen bleiben.

Angesichts der Corona-Krise wollen SPD und Grüne in den nächsten fünf Jahren in Hamburg nicht sparen, sondern mehr investieren – und ziehen damit auch eine Lehre aus der Wirtschaftskrise 2009/2009. Im Vergleich zur damaligen Finanzkrise sieht Dressel mehr Unterschiede als Parallelen. Während Corona alle Lebensbereiche betreffe, habe sich die Finanzkrise vor allem »sektoral« ausgewirkt, eben auf die Finanzbranche und im Anschluss auf die maritime Wirtschaft – daher sei Hamburg so stark betroffen gewesen. Zudem habe man noch das Sonderproblem HSH Nordbank gehabt.

2009 waren die bis 2013 prognostizierten Steuerausfälle mit kumuliert sechs Mrd. Euro sogar noch größer und das bezogen auf deutlich geringere Einnahmen. Dass der damalige schwarz-grüne Senat darauf unter anderem mit einem großen Sparprogramm reagiert hatte, sieht Dressel kritisch. »Wir haben ja gesehen, was dabei real herumgekommen ist. Das war vielleicht nicht so eine gute Idee.« Bekanntlich wurden viele Sparmaßnahmen nie umgesetzt, da Schwarz-Grün zerbrach, bevor der Haushalt verabschiedet werden konnte.

So hat sich der rot-grüne Senat zur Bewältigung der Krisenkonstellation eine Kreditermächtigung der Bürgerschaft über 1,5 Mrd. Euro eingeholt. Damit sollen Corona-Folgen wie z.B. durch die Soforthilfen für Unternehmen finanziell abgesichert werden. Dieses Geld muss von 2025 an über einen Zeitraum von 20 Jahren mit Jahresraten von 75 Mio. Euro zurückgezahlt werden. Auch in den kommenden Jahren soll die Lücke zu den geplanten Ausgaben zur Not kreditär gefüllt werden. Dabei mache es sich »bezahlt, dass wir in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet haben«, so Dressel.

Der Finanzsenator bezieht sich dabei auf den Umstand, dass Hamburg in seiner Haushaltsplanung eine Konjunkturkomponente vorgesehen hat. Wenn die Steuereinnahmen wie zuletzt über dem langfristigen Trend liegen, wird sie rechnerisch aufgefüllt und hat so ein aktuelles Volumen von 4,3 Mrd. Euro erreicht. »Damit steht Hamburg ein Puffer für schlechte Zeiten zur Verfügung.« Die in der »Konjunkturposition«, einem bilanziellen Sammelbecken für nicht genutzte Kreditermächtigungen, angesammelten Euros könnten nach und nach am Kreditmarkt in »echtes« Geld umgewandelt werden. Nach gegenwärtigem Stand könnten bis 2024 rund 4,9 Mrd. Euro Konjunkturkredite notwendig werden, doch das sei noch unsicher.

Dennoch steht ab 2022 weniger Geld zur Verfügung, weil die langfristige Trendlinie der Einnahmen über 14 Jahre, an der sich der Senat bei seiner Ausgabenpolitik orientiert, wegen der Steuerausfälle flacher verläuft. Allerdings drohe wohl kein Rückgang der Ausgaben, sondern schlimmstenfalls ein »weniger an Mehr«, betonte Dressel und beteuerte einmal mehr, nicht massiv sparen zu wollen. »Der laufende Etat für dieses Jahr ist solide durchfinanziert, sodass wir an keiner Stelle hektisch gegen die Krise ansparen müssen.«

Hamburg sei in der Lage, »die großen Aufgaben der kommenden Jahre zu stemmen«, sagte Dressel unter Verweis auf die geplanten massiven Investitionen in Schulen und Hochschulen, in U- und S-Bahnen, den Klimaschutz und die Digitalisierung: »Diese Investitionen sollen und werden einen deutlichen Konjunkturimpuls leisten.« Spielraum für ein »Wünsch-Dir-was« gebe es aber nicht.

In Ergänzung des geplanten milliardenschweren Konjunkturprogramms der Bundesregierung plant Rot-Grün zudem einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Stadt Hamburg mit einem Volumen bis zu einer Mrd. Euro, mit dem die Hamburger Wirtschaft durch diese Krise gebracht werden solle. Auch kleinere und mittlere Unternehmen sollen durch Kreditgarantien oder öffentliche Beteiligungen unterstützt werden. Dafür werde bis zum Herbst ein Sondervermögen aufgelegt. Die EU-Kommission habe diese Art der Hilfe allerdings auf sieben Jahre begrenzt.

Sicherlich hat der Senat unter anderem mit der Soforthilfe klug auf die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie reagiert. Auch der nun ins Auge gefasste Wirtschaftsstabilisierungsfonds geht in die richtige Richtung. Allerdings wurden bei den laufenden Verhandlungen über ein neues Regierungsprogramm alle geplanten Projekte unter Finanzierungsvorbehalt gestellt.

Die Schlüsselfrage, die dann auch das Regierungsprogramm beantworten muss, besteht darin, wie in Hamburg gelingt, die Wirtschaftskreisläufe in Gang zu bringen, also die gesellschaftliche Wertschöpfung auf eine neue Grundlage zu stellen. Denn bisher hat Rot-Grün den dringend notwendigen Umbau den Hamburger Wirtschaft eher verschlafen und der vorrangig an der Hafenwirtschaft festgehalten. Doch die Zukunftsaussichten der Hafenwirtschaft werden der düsterer und einer der wenigen Hamburger »Leuchttürme«, die Luftfahrtindustrie, steht zusätzlich durch die Corona-Pandemie vor großen Herausforderungen.


Düstere Zukunftsaussichten vor allem für die Hafenwirtschaft und für Airbus

Das Geschäftsklima in Hamburg ist aktuell auf einem Allzeit-Tief. Der Geschäftsklimaindex steht derzeit bei 38,6 – auf einer Skala von 0 bis 200. Sogar in der Wirtschaftskrise 2008 war der Wert noch fast doppelt so hoch. Laut einer repräsentativen Erhebung unter den Mitgliedern der Hamburger Handelskammer ist die Stimmung in der Wirtschaft so schlecht wie seit fast 50 Jahren nicht. Mehr als 75% der Unternehmen rechnen mit Einbußen. Weitere knapp 20% können die Auswirkungen noch gar nicht abschätzen. »Es sieht düster aus für Hamburg«, schätzt Handelskammer-Präses Norbert Aust die aktuelle und zukünftige Lage ein.

Aufgrund der Corona-Ausbreitung sind rund um den Globus diverse Produktionsstätten worden, die Reedereien haben daraufhin ihre Liniendienste zusammengestrichen. Zahlreiche Schiffe haben keine Fracht und keine Aufträge mehr. Seit Mitte März gehen die Umschlagsmengen im Hamburger Hafen deutlich zurück.

Der Hamburger Hafen hat in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres deutlich weniger Ladung umgeschlagen. Gegenüber dem ersten Quartal des vergangenen Jahres verringerte sich der Güterumschlag um 7,9% auf 31,9 Mio. t, so die Marketinggesellschaft des Hafens. Während die exportierte Frachtmenge im Vergleich zum Vorjahresquartal mit minus 1,3% nur leicht nachgab, brach der Import mit einem Minus von 17, 6% regelrecht ein.

Im Segment Containerumschlag verzeichnete der Hamburger Hafen im ersten Quartal 2,2 Mio. Teu (Twenty-foot Equivalent Unit; also Zwanzig-Fuß-Standardcontainer). Das ist ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 6,6%. Im Containerverkehr mit China, Hamburgs wichtigstem Handelspartner, wurden im ersten Quartal in Hamburg insgesamt 579.400 Teu umgeschlagen, das ist ein Minus von 14,6%. Laut Hamburg Marketing ist dies maßgeblich auf die Coronakrise zurückzuführen.

Der Vergleich mit den maßgeblichen kontinentaleuropäischen Häfen an der Nordsee ergibt ein uneinheitliches Bild. Während der Hafen Rotterdam im ersten Quartal beim Containerumschlag ein Minus von 4,7% Prozent verzeichnete, konnte Antwerpen um 9,5% zulegen, ebenso wie Zeebrügge, der ein Plus von 11% verzeichnete. Der Containerumschlag in Bremerhaven sank um 3,2%.

Maßgeblich für den Rückgang des Güterumschlags in Hamburg ist der März, in dem die ersten Auswirkungen der Corona-Pandemie festzustellen sind. Von den 551 geplanten Schiffsanläufen fielen 26 aus, das entspricht einem Anteil von 4,7%. Im Februar waren es nur 0,2%, im Januar 1,1%.

Für das Gesamtjahr gibt es keine Prognose seitens der Hafenwirtschaft, zumindest aber einen Trend. Mit Bezug auf eine Hochrechnung, bei der ein Umschlagminus von 11,4% errechnet wurde, sagte Jens Meier, Chef der Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA): »Wenn wir besser sind, ist das ein Erfolg.«

Auch bei einem der wichtigsten Industriezweige Hamburgs, der Luftfahrtindustrie, wird die Corona-Krise deutliche Spuren hinterlassen. Vor allem bei Airbus und seinen Zulieferern sind die Boom-Zeiten vorerst vorbei. Mehr als 41.000 Menschen arbeiten bei Airbus, Lufthansa Technik und am Hamburger Flughafen sowie einem dichten Netz von rund 300 Zulieferbetrieben, die sich darum gruppiert haben. Sie erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von mehr als fünf Mrd. Euro. Damit ist Hamburg der weltweit drittgrößte Standort der zivilen Luftfahrtindustrie – nach Seattle mit Boeing und Toulouse, dem anderen Airbus-Standort.

»Wir befinden uns mitten in der schwersten Krise, die die Luftfahrtbranche jemals erlebt hat«, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury in einer Telefonkonferenz. Der Franzose hatte die Beschäftigten zuvor schriftlich auf harte Zeiten eingestimmt. In Frankreich seien bereits rund 3.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit und mit Blick auf Deutschland kündigte er an, einige tausend Menschen würden auch dort in Kurzarbeit sein, ohne Einzelheiten und Standorte zu nennen.

Der Umsatz sank im ersten Vierteljahr wegen Unterbrechungen bei der Flugzeug-Auslieferung um 15% auf 10,6 Mrd. Euro. Airbus lieferte 122 Verkehrsflugzeuge aus, 40 weniger als zuvor. Die Flugzeugproduktion soll um rund ein Drittel zurückgefahren werden, den die Fluggesellschaften sind von der Corona-Krise schwerst betroffen und teilweise auf staatliche Unterstützung angewiesen. Beim Gewinn schlugen außer der Pandemie auch Sonderabschreibungen zu Buche, beispielsweise für einen Kredit für das Internet-Projekt »OneWeb«, das Ende März in den USA Gläubigerschutz angemeldet hatte.

Airbus hat sich bereits eine Kreditlinie über 15 Mrd. Euro gesichert, eine Anleihe über 2,5 Mrd. Euro ausgegeben und die Dividende gestrichen, um sich für die Krise zu rüsten. Bis Ende März habe noch keine Airline wegen der Pandemie eine Bestellung storniert, erklärte der Airbus-Chef; ob es im April Abbestellungen gab, erwähnte er nicht.

Die beschlossenen Produktionskürzungen sollen zunächst für zwei bis drei Monate gelten, weiteres würde Airbus voraussichtlich im Juni entscheiden. An der Börse verlor die Airbus-Aktie weiter an Boden. Mit einem Minus von rund 60% ist sie im Corona-Crash der bisher größte Verlierer unter den deutschen und europäischen Standardtiteln.

Der Airbus-Chef hat gegenüber den Belegschaften harte Einschnitte angekündigt. Ausgaben und Einnahmen seien in einem so gravierenden Ungleichgewicht und das Geld fließe so schnell ab, »dass es die Existenz des Unternehmens gefährden könnte«, heißt es in einem Schreiben an die Mitarbeiter*innen. Deshalb müsse Airbus die Ausgaben rasch senken. Nach Kurzarbeit und teilweisem Zwangsurlaub müsse der Konzern möglicherweise noch weiterreichende Maßnahmen treffen. Man müsse »alle Optionen« in Betracht ziehen. »Wenn wir jetzt nicht agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.«

Für die Zukunft prognostiziert der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt im Interview mit dem »Hamburger Abendblatt« eine deutliche Schrumpfung des Flugzeugmarktes und damit auch von Airbus: »Airbus wird angesichts der Tiefe und Länge der Krise in Zukunft deutlich kleiner sein als heute. Bis jetzt bereitete sich der Konzern auf einen Hochlauf der Produktion vor. Die Zeiten sind vorbei. Ich halte sogar ein Absenken der Rate auf 30 A320-Flieger pro Monat für die nächsten beiden Jahre für realistisch. Das kann konzernweit bis zu 15.000 der 135.000 Arbeitsplätze kosten. In Hamburg dürften mindestens mehrere Hundert der knapp 15.000 Jobs wegfallen.

Der Markt werde kleiner werden, weil Airlines Insolvenz anmelden müssen, denn die Nachfrage der Passagiere werde um mindestens 20% sinken, also braucht es weniger neue Flugzeuge. »Es wird fünf, sechs Jahre dauern, bis das Vorkrisenniveau halbwegs wieder erreicht ist. Eine Rate von 60 A320-Fliegern pro Monat sehe ich nicht vor Ende des Jahrzehnts.«


Was tun?

Der Senat hat die Bundesregierung aufgefordert, zur Überwindung der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise in einem Konjunkturprogramm die Länder, Städte und Kommunen massiv finanziell zu unterstützen. So fordert Rot-Grün, der Bund müsse die Kommunen bei wachsenden Sozialkosten (etwa Kosten der Unterkunft) entlasten und sich an Landesarbeitsmarktprogrammen zur Bekämpfung wachsender Arbeitslosigkeit beteiligen. Das Kurzarbeitergeld müsse vom ersten Monat an auf das Niveau des Mindestlohns steigen und eine Verlängerung rechtzeitig in Betracht gezogen werden.

Besonders relevant sei die Unterstützung des Bundes in den Bereichen Gesundheit, Digitalisierung, Mobilität, Klima und Energie. Wichtig sei auch die Stärkung und Ausweitung des Fördersystems für kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups, macht der bisherige Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) deutlich: »Hamburg hat großes Potenzial, das wollen wir mithilfe des Bundes noch stärker heben.« Die Luftfahrtbranche brauche zudem ein deutliches Engagement der öffentlichen Hand in Form eines Luftfahrtfonds.

Auch wenn der Wirtschafts- und der Finanzsenator in ihren jüngsten Stellungnahmen herausstellten, dass es wichtig sei, »Länder, Städte und Gemeinden in ihren Bedarfen beim Bundeskonjunkturprogramm von Anfang an zu berücksichtigen«, und die nun nötigen Konjunkturprogramme »auch in Zukunft investieren und nicht nur die Vergangenheit bewältigen« müssten, ist weder aus den bisherigen Verlautbarungen aus den Koalitionsverhandlungen von Rot-Grün noch aus den Forderungen an den Bund ist ein schlüssiges Perspektivprojekt für den Umbau der Hamburger Wirtschaft zu erkennen.

Ohne das wird die Stadt aber keine gute Zukunft haben. Offen ist auch, wie in Zukunft mit dem eh schon großen und jetzt noch massiv wachsenden Schuldenberg umgegangen werden soll. Ohne Eingriff in die Verteilungsverhältnisse droht in Hamburg schon spätestens ab dem Jahr 2022 ein Rückfall in die bekannte Rotstiftpolitik.

Was dabei bereits auf Hamburger Ebene möglich wäre, dazu hat das Statistische Bundesamt jetzt Auskunft gegeben. Danach ist die Zahl der Millionäre 2016 auf 22.900 Menschen gestiegen, deren Durchschnittseinkommen 2,7 Mio. Euro betrug. In Hamburg war die Millionärsdichte am höchsten. Dort hatten zwölf von zehntausend unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen (1,2 Promille) Jahreseinkünfte jenseits der Millionengrenze. 2016 zählte Hamburg rund 1.800.000 Einwohner*innen, 2.160 davon verdienten mehr als eine Million Euro pro Jahr.

Die politischen Akteure in der Hansestadt haben einen Nebel an Optimismus verbreitet. Es gibt keine Konzeption für die Gestaltung der Wertschöpfung der städtischen Ökonomie. Während der bisherigen Krisenwochen war die Verschärfung der sozialen Ungleichheit in allen Teilbereichen der Stadt besonders sichtbar. Rot-Grün startet mit schlechten Voraussetzungen in eine neue Regierungsperiode.

Sofern der politische Wille besteht, gäbe es durchaus die Möglichkeit, die Verminderung der sozialen Ungleichheit in das Zentrum eines Regierungsprojektes für die nächsten Jahre zu rücken. Es ist positiv, dass zentrale Investitionsvorhaben im Bildungssektor (Kita, Schule, Hochschule) ebenso fortgesetzt werden sollen wie in die Mobilitätswende, insbesondere den Ausbau der Schnellbahnen, oder den Klimaschutz und die Digitalisierung.

Notwendig wäre jedoch die Überprüfung dieser Investitionen auf ihre sozialen Auswirkungen. Und der Steuervollzug müsste – anders als in den zurückliegenden Jahren – deutlich neue Impulse erhalten. Geschieht das nicht, wäre dies ein bloßes »Weiter so« unter den Rahmenbedingungen der Folgen der Pandemie, das es aber mit Blick auf die Herausforderungen einer absehbaren Zunahme von Arbeitslosenzahlen eh nicht geben wird.

Kumulieren sich die Probleme der sozialen Spaltung, steht zu befürchten, dass weitergehende Kritik wie bisher mit der Binsenweisheit abgebügelt wird, es gebe weder Spielräume für Mehrausgaben noch für Steuersenkungen. Und der strikte Finanzierungsvorbehalt würde wie bisher zum Instrument, Alternativen der Stadtentwicklung zu blockieren.

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