30. Dezember 2013 Mario Keßler
Helmut Bock (1928-2013)
Der marxistische Historiker Helmut Bock, der am 20. Dezember 2013 in Berlin starb, war einer der produktivsten und vielseitigsten Vertreter seiner Zunft. 1928 in Köln geboren, gehörte er der so genannten Flakhelfer-Generation an, deren Wege und Irrwege seine lebenslange wissenschaftliche Beschäftigung mit den Fragen von Krieg, Frieden und Pazifismus prägten.
Daneben trat er mit Forschungen zur deutsch-französischen Geschichte des 19. Jahrhunderts, zum deutschen Exil in Paris, zur Literaturgeschichte wie zur preußischen Militärgeschichte, vor allem aber zur Revolutionsgeschichte zwischen 1789 und 1989 hervor. Neben zahlreichen Büchern zur Sozial- und Kulturgeschichte sind biografische Arbeiten zu Heinrich Heine, Ludwig Börne, zu den preußischen Militärs Schill, Yorck und Gneisenau und zuletzt eine Studie über Napoleon und Preußen hervorzuheben.
Gemeinsam mit seiner Frau, der Germanistin Sigrid Bock, verfasste und edierte er Arbeiten von und über Bertha von Suttner. Seine Frau lernte er über die Leichtathletik kennen: Beide wurden 1949 die Studentenmeister über 800 Meter der Sowjetischen Besatzungszone.
Nach kurzem Kriegsdienst und englischer Gefangenschaft war Helmut Bock als Bau- und Landarbeiter tätig, ging dann aus politischer Überzeugung in den Osten Deutschlands und meldete sich zur Volkspolizei. Ab 1948 studierte er Geschichte, Germanistik und Pädagogik in Berlin. Seit 1952 arbeitete er an der neu gegründeten Deutschen Hochschule für Sport und Körperkultur (DHfK) in Leipzig.
1956 legte er extern das Staatsexamen als Historiker an der Universität Leipzig ab, wo er auch 1960 mit einer Biografie Ludwig Börnes promoviert wurde. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten Ernst Engelberg und Hans Mayer, die beiden Gutachter der Dissertationsschrift, sowie Ernst Bloch und Walter Markov. An der Akademie der Wissenschaften der DDR habilitierte sich Bock 1970 mit einer Biografie Ferdinand von Schills und war von 1971 bis zur »Abwicklung« der Akademie am dortigen Zentralinstitut für Geschichte als Professor tätig, wo er zeitweilig den Bereich Kulturgeschichte leitete.
Seine Arbeit für die »Urania« machte ihn in breiten Bevölkerungskreisen der DDR bekannt. Ein Einzelvertrag in Wissenschaftler-Integrationsprogramm ermöglichte ihm von 1992 bis zur Rente 1994 die Lehrtätigkeit an der Humboldt-Universität; damit war er eine seltene Ausnahmen unter den DDR-Historikern.
Diese Anstellung erkaufte er sich jedoch nicht mit politischem Gesinnungswechsel: Schon vor 1989 in seinen öffentlichen Wortmeldungen bis an die Grenze des gerade noch Tolerierten – und auch darüber hinaus – gehend, blieb Helmut Bock als Mitglied der Historischen Kommission der PDS, dann der Partei DIE LINKE politisch aktiv. Seine zahlreichen Beiträge im »Neuen Deutschland« bezeugen seine demokratisch-sozialistische Gesinnung ebenso wie eine außergewöhnliche, an der klassischen deutschen und französischen Essayistik geschulte Sprachkultur.
Helmut Bock erlebte noch die Veröffentlichung seines von ihm mit Recht als Hauptwerk angesehenen Buches »Freiheit – ohne Gleichheit? Soziale Revolution 1789 bis 1989. Tragödien und Legenden«, das 2013 im Karl Dietz Verlag erschien. Ebenfalls in seinem Todesjahr erschienen eine aktualisierte Fassung der Schill-Biografie, sein Buch »Napoleon und die Preußen. Sieger ohne Sieg« und eine weiteres Werk über Krieg und Globalisierung in Vergangenheit und Gegenwart.
Der so ungemein produktive wie intellektuell anregende Historiker, der charaktervolle und ebenso besonnene wie standhafte Mensch Helmut Bock – er wird der politischen Kultur in Deutschland künftig sehr fehlen, und dies nicht nur auf Seiten der Linken.
Prof. Dr. Mario Keßler ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Zentrums für zeithistosche Forschung Potsdam und war von August 2013 bis Januar 2014 Gastprofessor an der Yeshiva University, New York. Ein ausführlicher Nachruf auf Helmut Bock erscheint in der März-Ausgabe 2014 der Zeitschrift Sozialismus.