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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

4. November 2016 Joachim Bischoff / Norbert Weber

HSH Nordbank: Die endlose Geschichte einer gigantischen Verschwendung

Anfang Oktober konnte man die Einzelheiten eines sensationellen Deals betrachten: Die Nordländer Hamburg und Schleswig-Holstein haben der HSH Nordbank für ein notleidenes Portfolio knapp fünf Mrd. Euro bezahlt. Damit wurde nicht nur der gutachterlich festgestellte Marktpreis bezahlt (2,4 Mrd. Euro), sondern darüber hinaus auch noch die Differenz zwischen dem Buchwert der Bank und dem geringeren Marktpreis erstattet.

Damit sind zusätzlich 2,6 Mrd. Euro an die Bank zulasten des Garantiefonds FinFo transferiert worden. Der sogenannte Verkauf von faulen Schiffskrediten soll einen Totalverkauf der »Zombie«-Bank bis zum Frühjahr 2018 ermöglichen.

Die Krone dieser Operation: Einer einzigen Reederei hat die marode Landesbank von Hamburg-Schleswig-Holstein – mit Wissen der beiden Landesregierungen – 547 Mio. Euro erlassen. Der Schuldenerlass der Bank erstreckt sich auf insgesamt 800 Mio. Euro an verschiedene Reeder. Die beiden Mehrheitseigner der HSH Nordbank bekamen also für einen Kaufpreis von 2,4 Mrd. Euro (und knapp 2,6 Mrd. Euro Garantieerstattung) nicht Schiffskredite im Buchwert von knapp fünf, sondern nur von rund 4,1 Mrd. Euro. 800 Mio. Euro gingen als Schuldenstreichung an verschiedene Reedereien – darunter die Kredite der Norddeutschen Vermögen Holding (NVH).

Allein 547 Mio. Euro Schuldenerlass gingen an die NVH von Bernd Kortüm, zu der unter anderem die Norddeutsche Reederei H. Schuldt gehört. Der Reeder Bernd Kortüm aus Hamburg gilt trotz fauler Kredite als einer der reichsten Männer der Stadt. »Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir nicht nur Schifffahrt betreiben«, sagt er. Das Geld der NVH steckt unter anderem in Immobilien und Firmenbeteiligungen. Zu den Hintergründen des Deals mit der HSH und den öffentlichen Geldgebern schweigt er sich aus. Was aber dürfen wir in den nächsten Tagen erwarten? Vermutlich die abgestandene Story von der Rettung der Arbeitsplätze. Der reiche Unternehmer Kortüm übt schon mal: Den unrentablen Schifffahrtsbereich einfach zu schließen, komme nicht in Frage. »Wir haben hier Arbeitsplätze, die wollen wir erhalten.«

Die rot-grüne Stadtregierung unter der Aufsicht von Olaf Scholz sieht keine Erklärungsprobleme. Die Schleswig-Holsteinische Finanzministerin Monika Heinold von den Grünen erklärt wenigstens, dass sie sich auch darüber ärgere, wenn Schuldner ihre Schulden nicht zurückzahlen würden. Im Zusammenhang mit der HSH und der Haftung der SteuerzahlerInnen zeige sich, dass es sehr problematisch sei, wenn der Staat sich an international tätigen großen Banken beteilige. Dieser Zynismus ist nicht mehr zu toppen. Die Landesregierungen müssen begründen, was hinter diesen Schuldenerlassen steckt.

Die Stadt Hamburg feiert zur selben Zeit die Fertigstellung der Elbphilharmonie.
Auch hier herrschte eine gigantische Mittelverschwendung und Täuschung der Öffentlichkeit. 15 Jahre des Planens und Bauens mussten die BürgerInnen ertragen. Groß war anfangs die Euphorie, noch größer aber das Entsetzen, als Lug, Trug und Beschönigungen kein Ende nahmen. Während die Stadt in ihren Kundenzentren keinen normalen Publikumsverkehr gewährleisten kann, Hunderte von sozial-kulturellen Projekten personell und finanziell ausgeblutet sind, die Obdachlosigkeit und das Flüchtlingselend unübersehbar ihre Präsenz demonstrieren, feiert die politische Klasse ein Konzerthaus, für das über 789 Mio. Euro verschwendet wurden. Noch ist keineswegs geklärt, ob die jährlichen Betriebskosten dieses Musentempels für die Wohlhabenden nicht massive Umverteilungsopfer im Kulturetat hinterlassen. Doch jetzt soll alles vergessen sein: Das prunkvolle Haus öffnet seine Aussichtsplattform für alle BürgerInnen und der berechtigte Protest soll übertüncht werden.

Immerhin: Der Schuldenerlass von 800 Mio. Euro für die Reedereien hinterlässt kein neues Wahrzeichen im Hafen. Beide Vorgänge sind der Nährboden für die Verstärkung der Enttäuschung und der Wut auf das politische Establishment, das jedwede Bodenhaftung und hanseatischen Sinn für Bürgerkultur verloren hat. Und: Das Ende der maroden Zombie-Bank ist zwar in Sicht, aber noch nicht erreicht.


Wie konnte es soweit kommen?

2003 fusionierten die beiden Landesbanken von Hamburg und Schleswig-Holstein zur gemeinsamen HSH-Nordbank. »Schnödes« Bankgeschäft wollte man sich nicht mehr antun. Stattdessen machte man auf Big Global Player, verschaffte sich Unmengen billiger Liquidität aufgrund der damals vorhandenen Gewährträgerhaftung der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein und zockte mit risikobehafteten Wertpapieren weltweit. Das ging bis 2007/08 gut, dann stockte das weltweite Karussell aufgrund der Lehman-Pleite in den USA. Alle Zockerbanken saßen nun auf ihrem Asset-Schrott.

In 2008/09 ließ sich die HSH Nordbank bereits aus Steuergeldern vor dem Konkurs retten. Nachdem bereits ein Jahr zuvor etwa zwei Mrd. Euro an stillen Einlagen der Länder in Aktien der HSH umgewandelt werden mussten, brachten die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein etwa drei Mrd. Euro an frischem Eigenkapital in die Bank ein und gewährten eine Ländergarantie für die Bank über 10 Mrd. Euro. Weitere 36 Mrd. Euro an Rettungsschirm durch den staatseigenen SoFFin waren zusätzlich nötig.

Dann sollte alles anders werden. Nun sei die Bank »Bank für Unternehmer«, keinen Cent wollte man den Ländern schuldig bleiben. Dann folgten Jahre der ständig falschen Unternehmensentscheidungen, eine Bankergeneration gab der nächsten die Klinke in die Hand. Statt zu gesunden und die Bank auf einen vernünftigen, nachhaltig tragfähigen Weg zu bringen, bewegte sich außer permanent vollmundigen Sprüchen der HSH-Banker nichts. Im Gegenteil, die HSH Nordbank wurde erneut an die Wand gefahren.


Die aktuelle Situation der HSH Nordbank

Der aktuelle Gipfel der Unverantwortlichkeiten war die Schrottasset-Transaktion über fünf Mrd. Euro aus der Bankbilanz an die extra dafür gegründete ländereigene HSH Portfoliomanagement AöR. In den nächsten Monaten soll die Bank weitere 3,2 Mrd. Euro am Markt verkaufen. Diese Entscheidungen haben die Landesregierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein durch die Länderparlamente geradezu durchgeprügelt.

Nun kam heraus, dass die Bank, erneut aus Steuergeldern gerettet, die Interimsphase nutzte, um einigen der den Ländern vor die Tür gekippten Schrottkreditnehmern eigenmächtig 800 Mio. Euro an Schulden zu erlassen. An dieser Stelle muss der Hinweis erfolgen, dass sich die Bank selbst nach unseren Informationen diese 800 Mio. Euro selbstverständlich aus der Garantieinanspruchnahme hat vollständig überweisen lassen, zzgl. rückständiger Zinsen.

Und die HSH Nordbank agiert seit Jahren in dieser Art und Weise. Erinnert sei nur an den Schuldenerlass an die MPC-Gruppe vor etwa drei Jahren, als die HSH Nordbank als Konsortialführerin ebenfalls etwa 800 Mio. Euro an rückständigen Verbindlichkeiten erließ, davon fast die Hälfte aus den Büchern der HSH Nordbank.

Dabei wird von dem eigentlichen Problem abgelenkt: Wie kann die Bank in einer solchen Phase eigenmächtig Teile der durch die öffentliche Garantie unterlegten Kredite erlassen? Nach unserem Dafürhalten hätte die Bank schon rechtlich nicht erlassen dürfen. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich kompetente Ermittlungsbehörden mit diesem Geschäftsgebaren der HSH-Banker beschäftigen werden.
Denn auch hier stoßen wir auf die Fortsetzung einer Auseinandersetzung: Schon vor zwei Jahren hatten Hamburger Richter über die Frage verhandelt, ob die HSH-Bankvorstände Berger, Nonnenmacher und Co. skrupellose Zocker und Betrüger zulasten des öffentlichen Eigentums sind.

Seit Beginn der Finanzkrise war es das erste Mal, dass sich ein gesamter Bankenvorstand vor Gericht verantworten musste. Im Zentrum des Prozesses stand der sogenannte Omega-55-Deal: ein hochriskantes Kreislaufgeschäft, das die Bilanz der kriselnden HSH aufhübschen sollte. Zeitweilig funktionierte der Betrug. Im Endeffekt verlor die Bank jedoch 112 Mio. Euro. Trotzdem wiesen die Vorstände einen Gewinn aus, obwohl die HSH – hätte man die 112 Mio. Euro abgezogen – bereits rote Zahlen schrieb. Also der Vorwurf: Untreue und Bilanzfälschung.

Die Hamburger Richter traten die jahrlange Ermittlung in den Papierkorb. Der Urteilstenor: Berger, Nonnenmacher und Co. hätten zwar Fehler begangen, aber nicht eigennützig gehandelt, sondern das Wohl der Bank im Auge gehabt. 112 Mio. Euro Schaden, so die Argumentation, seien im Vergleich zur Milliarden-Bilanz der Bank nicht »erheblich«. Das Verfahren endete mit der Ermahnungen und Freisprüchen erster Klasse.

Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil jetzt aufgehoben. Berger, Nonnenmacher und weitere vier Vorstandskollegen werden erneut vor Gericht gestellt. Das erste Verfahren hat gezeigt, wie schwer es ist, die handelnden Akteure der Finanz-, Immobilien- und Schifffahrtskrise zur Verantwortung zu ziehen. Jetzt also ein weiterer Anlauf, Bankvorstände für unverantwortliches Handeln heranzuziehen.


Schrott zu verkaufen!

Unbeschadet von dieser wichtigen juristischen Klärung geht es immer noch um die geordnete Abwicklung der maroden Bank. Man könnte die Affären in Sachen Schuldenerlasse zulasten des öffentlichen Eigentums verhindern, indem man die Bank in ein geordnetes Sanierungs- und Abwicklungsverfahren nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) überführt.

Unabhängige »Dritte« wie Aufsichtsbehörden hätten sich der Angelegenheit angenommen und zweifelsfrei zunächst eine Bestandsaufnahme gemacht, wie die tatsächliche Situation in der Bank überhaupt ist. Das weiß übrigens derzeit niemand, alle »Experten« wie Wirtschaftsprüfer o.ä. müssen sich auf die von der Bank selbst gelieferten Informationen stützen. Und dass da seit Jahren nicht immer alles offengelegt und präsentiert wird, ist allen bekannt.

Noch ca. 15 Monate hat das Management der HSH Nordbank Zeit. Dann soll das jahrelang krisengeschüttelte Kreditinstitut an einen neuen Eigner in gutem Zustand verkauft oder verschenkt worden sein. Es wird eine Herkules-Aufgabe, einen Käufer für die Bank mit ihren »Altlasten« zu finden. Der Verkaufsprozess beginnt Anfang 2017.

Die angespannte Lage auf den Schifffahrtsmärkten macht der HSH Nordbank weiterhin zu schaffen. Das einst boomende Geschäft mit Schiffsfinanzierungen hat sich seit Beginn der Schifffahrtskrise 2008 zu einem Verlustbringer entwickelt. Die Frachtraten reichen in vielen Fällen nicht mehr aus, um die Kredite zu bedienen. Ein Großteil der schiffsfinanzierenden Banken wie die Bremer Landesbank (BLB), NordLB, Norddeutschlands größte Landesbank u.a. werden in die Verlustzone gerissen.

Potenzielle Käufer der Schrottbank werden sich nicht täuschen lassen. Das »Non-Performing-Exposure« (NPE) der gesamten HSH, also die Summe der nicht oder kaum noch bedienten Kredite, beträgt immer noch 13,8 Mrd. Euro – und das nach dem Verkauf von faulen Schiffskrediten im Umfang von fünf Mrd. Euro an die beiden Länder. Ein neuer Deal mit den Ländern ist nicht erkennbar und wäre wirtschaftlich wie politisch ein weiterer Skandal. Die Bank muss jetzt – wie andere Banken auch – erstmal am Markt Käufer für die Schrottpapiere in Höhe von drei Mrd. Euro finden. Denn immer noch sind mehr als 15% der Bilanzsumme ausfallgefährdet. Bis zum Verkauf soll die Quote auf 11% sinken.

Es wird den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein und damit ihren BürgerInnen weiterhin teuer zu stehen kommen, dass nicht die Reißleine gezogen wurde und die HSH Nordbank AG in ein geordnetes Abwicklungsverfahren nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) überführt wurde. Es wäre immer noch möglich, diesen Ausweg zu bestreiten.

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