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Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
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ISBN 978-3-96488-211-0

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Peter Wahl
Der Krieg und die Linken
Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
Eine Flugschrift
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

21. Januar 2023 Bernhard Sander: Emmanuel Macrons Rüstungspläne

»Investieren, solange die Kanonen donnern«

Während die Klassenkämpfe um die Altersversorgung gerade erst begonnen haben, kündigt der französische Staatspräsident sein Folge-Projekt für den Sommer an: ein breit angelegtes Umstrukturierungs- und Aufrüstungsprogramm für die Streitkräfte.

Es geht um mehr als den Ukraine-Krieg, um dessen Vermeidung sich Macrons Vorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande im sogenannten Normandie-Format bemüht hatten. Trotz anders wirkender robuster Solidaritätsbekundungen steht Frankreich weit hinter Deutschland zurück, was die Waffenlieferungen betrifft. Von einer »Führungsrolle« Frankreichs kann nicht die Rede sein. Gemessen an den militärischen Fähigkeiten und der Wirtschaftskraft zeigt sich die Macron-Regierung vielmehr äußerst zurückhaltend. Mit Rüstungslieferungen im Wert von 472 Millionen Euro rangiert sie weit hinter denen der USA, Großbritanniens und auch Deutschlands, das auf 2,24 Milliarden Euro kommt.

Auch in Frankreich ist das Ukraine-Engagement des Oberbefehlshabers Macron nicht unumstritten und ein ehemaliger Berater fragte in Le Monde, ob der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht doch mal darüber nachdenken solle, wie man zu einem Waffenstillstand kommen kann. Da hat sich der ehemalige Investmentbanker Macron offenbar an das alte Börsensprichwort erinnert »Investieren solange die Kanonen donnern«.

Macron kündigte eine starke Budgeterhöhung für den Verteidigungshaushalt an, die jedoch durch die Inflation und die Explosion der Energiekosten gedämpft wird. »Ich werde die Nationalvertretung auffordern, dass wir im Zeitraum 2024-2030 Haushaltsmittel in Höhe von 400 Milliarden Euro bereitstellen, um den militärischen Bedarf von insgesamt 413 Milliarden Euro zu decken und so dieses wertvolle militärische Instrument zu erneuern, das unserer Freiheit, unserer Sicherheit, unserem Wohlstand und unserem Platz in der Welt dient«, erklärte der Staatschef auf dem Luftwaffenstützpunkt Mont-de-Marsan (Landes), wo 3.200 zivile und militärische Personen zusammengekommen waren.

Der Präsident der Republik versprach für das nächste Militärprogrammgesetz (MPG) einen um ein Drittel höheren Finanzrahmen als im vorherigen Gesetz, das bereits durch eine Erhöhung des Budgets der Streitkräfte gekennzeichnet war. Der Präsident verwendet den Begriff »Transformation«, um dieses neue MPG zu charakterisieren, nachdem das vorherige (2019-2023) als »Reparatur« bezeichnet worden war.

Die letzten beiden französischen MPGs haben zu einer »Verdoppelung der Budgets unserer Armeen« geführt, d.h. zu einer Verteidigungsanstrengung, deren »Dynamik in den letzten fünf Jahrzehnten beispiellos ist«, wie Macron erklärte. Diese 413 Milliarden Euro leiten somit einen »tiefgreifenden Wandel ein, der dann unumkehrbar sein wird«.

Angesichts der Häufung von Bedrohungen – Rückkehr des Imperialismus, Verbreitung von Atomwaffen, terroristische Gewalt, aber auch Destabilisierungen durch Klima-, Energie- und Technologierisiken – betonte der Präsident drei wichtige Ergänzungen: Aufklärung, Widerstandsfähigkeit der Nation und eine härtere Gangart der Streitkräfte. Er deutete auch an, dass es einer echten Aufstockung der Mittel in Übersee bedarf.

In einem Interview mit »Les Echos« (20.1.2023) rechtfertigte Verteidigungsminister Sebastien Lecornu die beabsichtigten Maßnahmen damit, dass die französische Armee lange Zeit mit brutalen Budgetkürzungen geschädigt wurde. »Unser Militärapparat konnte in Bezug auf die Ausbildung und die Bestände im Leerlauf arbeiten oder sich sogar manchmal in einem verschlechterten Umfeld bewegen. Jetzt geht es nicht mehr so sehr um Reparaturen, auch wenn diese weitergehen werden; insbesondere im Bereich der Infrastruktur oder der Unterstützung der Streitkräfte zwingt uns die Entwicklung der Welt, unser Verteidigungsmodell pragmatisch anzupassen: ›Sage mir deine Gefahren, und ich gebe dir deine Armee.‹«

Frankreichs Ziel sei es, Weltmacht zu bleiben. »Das ist eine historische Summe. Wenn man einen Vergleich für diese politischen, haushaltspolitischen, militärischen und technologischen Anstrengungen finden wollte, müsste man bis zu den Gaullisten in den 1960er-Jahren zurückgehen, als sie unser Armeemodell umgestalteten und sich allein in den Wettlauf um die Atomenergie stürzten, um Frankreich zu einer gut ausgestatteten Macht zu machen. Dieses Gesetz verfolgt zwei Ziele: uns zu schützen, auch vor neuen Bedrohungen, und uns mit unseren Verbündeten nach außen zu projizieren, um gegebenenfalls unsere Sicherheit und unsere Werte zu verteidigen. Dieser Haushalt ermöglicht es Frankreich, eine Weltmacht zu bleiben. Ohne diese Entscheidung würden wir absteigen.«

Macron erinnerte daran, dass viele Konflikte mittlerweile auf leisen Sohlen ausgetragen werden, und betonte die Bedeutung von Vorhersage und Antizipation, was sich in einer Verdoppelung der Mittel für Drohnen, Quantentechnik, künstliche Intelligenz, Cyber usw. niederschlagen müsse.

Um »einen Krieg voraus zu sein« und »ein erstklassiges Dispositiv« zu haben, kündigte der Präsident auch eine Verdoppelung der Budgets der militärischen Nachrichtendienste DRM und DRSD an, wobei ersterer im Bereich der militärischen Aufklärung auf den Kriegsschauplätzen tätig ist, während letzterer mehr auf wirtschaftliche Gegenmaßnahmen und Gegenmaßnahmen im Cyberbereich ausgerichtet ist. Die DRSD ist auch für die Überprüfung von Lebensläufen sensibler Staatsbeamter zuständig. In diesem Rahmen wird das Budget allein für den militärischen Nachrichtendienst in den kommenden sechs Jahren um fast 60% erhöht.

Die Bemühungen um die Modernisierung der französischen nuklearen Abschreckung, für die im Jahr 2023 insgesamt 5,6 Mrd. Euro an Zahlungsermächtigungen vorgesehen sind, werden fortgesetzt. Die begonnenen großen Programme, wie die Modernisierung der nuklearen Abschreckung, die Umstellung der Luftwaffe auf den Rafale, die Erneuerung der Panzer des Heeres (Programm Scorpion), der Bau des Flugzeugträgers der neuen Generation, der die Charles-de-Gaulle ersetzen soll, wurden alle bestätigt.

In Übersee werden zusätzliche Investitionen in Kapazitäten und Personal getätigt, insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum, der »in der ersten Reihe der möglichen Konfrontationen von morgen« steht, und wo die Expansionsbestrebungen Chinas Anlass zur Sorge geben.

Um Frankreich im Kampf mit hoher Intensität zu stärken, erkannte der Präsident die Notwendigkeit an, die französische Luftabwehr als Ergänzung zur nuklearen Abschreckung aufzumöbeln. Letztere soll jedem Staat verbieten, das Risiko eines Angriffs auf das nationale Territorium einzugehen, aber man muss feststellen, dass heute angesichts der sinkenden Kosten für Drohnen, Streumunition, Raketen usw. hybride Quellen (Söldner, Terrorgruppen) das Territorium treffen könnten.

Macron kündigte daher eine Erhöhung des Budgets für diese Boden-Luft-Verteidigung um 50% an. Angesichts der Schwierigkeiten, die der Krieg in der Ukraine ans Licht gebracht hat, wird es außerdem darum gehen, die Lücken bei Drohnen und Schleichmunition zu schließen sowie in Quantentechnologie und künstliche Intelligenz zu investieren. Frankreich plant außerdem, seine Luftverteidigungskapazitäten um 50% auszubauen, so Emmanuel Macron.

Im Einklang mit dem Willen des Staatschefs, eine »Kriegswirtschaft« zu entwickeln, wird das MPG als Ziel festlegen, »über optimierte Produktionszyklen zu verfügen, um den Bedürfnissen der Armeen gerecht zu werden«, sowohl im Bereich der Munition als auch »um schnell auf die Erwartungen eines Partners« wie der Ukraine zu reagieren, wie der Elysée-Palast betont.

Die Exekutive »erwartet von der Rüstungsindustrie, dass sie sich stärker engagiert«, um ihre Kosten und die Wartungskosten für die Ausrüstung zu senken, die schneller produziert werden muss, selbst wenn sie weniger hoch entwickelt ist. Um die »moralische Kraft« der Nation zu stärken, hat sich der Staatschef zum Ziel gesetzt, die Zahl der Reservisten von derzeit 40.000 zu verdoppeln.

Für den Oberbefehlshaber ist das neue Militärgesetz ein »Transformationsplan«, der die Armee an die Möglichkeit intensiver Konflikte anpassen soll, ein Szenario, das durch den derzeitigen Krieg in der Ukraine noch verstärkt wird. Macron folgt damit dem Zeitenwendekurs, in dem nicht nur Deutschland seine Rüstungsausgaben deutlich anheben wird. Noch ist nicht erkennbar, ob es sich um französische Egozentrik oder um die Vision einer europäischen Souveränität handelt, von der Macron seit der Sorbonne-Rede 2017 nicht aufgehört hat zu träumen.

Doch mit der Erklärung zum 60. Jahrestages des ersten deutsch-französischen Freundschaftsvertrages haben Präsident Macron und Kanzler Olaf Scholz klar gemacht, dass beide Staaten das Ziel verfolgen »zu gewährleisten, dass Europa noch souveräner wird und über die geopolitischen Kapazitäten verfügt, die internationale Ordnung zu gestalten. […] Verbesserte europäische Fähigkeiten und ein stärkerer europäischer Pfeiler in der NATO machen uns auch für die vereinigten Staaten zu einem stärkeren Partner – besser aufgerüstet, effizienter und schlagkräftiger.« So jedenfalls lautet die beunruhigende Fokussierung der Aufrüstung in dem Gastbeitrag der beiden in der FAZ vom 21.1.2023.

Die Finanzierung stellt jedoch die Industrie und die Banken vor gewisse Probleme, die durch die europäische Richtlinie der »grünen« Taxonomie aufgeworfen werden, die darauf abzielte, allen Anlageportfolios, die Aktien oder Anleihen von Unternehmen enthielten, die mehr als 5% ihres Umsatzes aus der Produktion von oder dem Handel mit Waffen erzielten, das künftige europäische »grüne« Gütesiegel zu entziehen. (Les Echos 2.10.2022) Aber zu einem Zeitpunkt, an dem Macron und andere europäische Politiker die »Kriegswirtschaft« ausrufen und die Industrie auffordern, sich für hochintensive Konflikte zu rüsten, wer soll da noch Kredit gewähren?

Für die Finanzbranche ist die Gleichung komplex: Sie hat sich an die Spitze der verantwortungsbewussten Investitionen gesetzt, die als Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten beworben werden, und wird des Greenwashings beschuldigt. Die Risiken, die mit der Achtung der Menschenrechte und der Einhaltung von Vorschriften verbunden sind, gehen jedoch über den Bereich der Reputation hinaus. »Der Schutz des Friedens kann nicht um den Preis des Krieges anderswo oder in undemokratischen Ländern erfolgen«, sagte Axel Pierron von Sustainalytics, der die Strategien der Industrie bewertet. Nach dem Jemen oder Syrien wurde die Debatte über die Transferrisiken mit den milliardenschweren Waffenlieferungen an Kiew neu eröffnet.

»Die Abhängigkeit der Rüstungsproduzenten von ihren Großkunden, insbesondere aus dem Nahen Osten, einschließlich der Länder, die in bewaffnete Konflikte verwickelt sind, nimmt zu«, sagt Emma Soubrier, Forscherin der World Peace Foundation an der Tufts University und Expertin für das Forum on Arms Trade. »Seit zehn Jahren und dem Ausbruch des Arabischen Frühlings ist eine Verlagerung des Einsatzes ihrer Waffenarsenale von der Abschreckung oder Verteidigung hin zur Offensive im Rahmen externer Einmischung zu beobachten.«

Die Exportabhängigkeit von einer begrenzten Anzahl von Kunden »wird durch den innereuropäischen Wettbewerb, die Atomisierung des Verteidigungssektors und die Enge der heimischen Märkte zur Selbstversorgung noch verschärft«, fügt Julien Malizard, stellvertretender Leiter des Lehrstuhls für Verteidigungsökonomie am IHEDN, hinzu.

»Die Privatisierung des Verteidigungssektors und seiner Finanzierung ist relativ neu und geht in den USA und Frankreich nur auf das Ende des Kalten Krieges zurück«, betont Stéphane Audrand, Experte des französischen Verteidigungsministeriums und Berater von Banken. »Wenn man neue Aufrüstungsanstrengungen unternimmt, wäre es ziemlich logisch, dass diese Investitionen von öffentlichen Einrichtungen getätigt werden, während die Banken die Liquiditätsfinanzierung beibehalten.«

Also die Anstrengungen auf die Ebene der Europäischen Union verlagern? Mindestens drei der größten Anteilseigner der Europäischen Investitionsbank (EIB) – Frankreich, Deutschland und Italien – sind auf die Barrikaden gegangen, um zu fordern, dass die EIB nur reine Industrieunternehmen aus der Region finanzieren kann. Heute verlangen ihre Regeln, dass mindestens die Hälfte der finanzierten Anwendungen ziviler Natur sein muss. »Wenn die EIB nicht das Herzstück der Verteidigung finanziert, warum sollten es dann die Privatbanken tun?«, argumentierte ein Industrieller. Das Projekt hat in den EU-Gremien eine heftige Debatte ausgelöst und Staaten wie Irland oder Österreich haben ein Veto eingelegt, wie Quellen berichten.

Die außereuropäischen Finanziers haben indes ihrerseits die Arme weit geöffnet. Ein Think Tank, der der Biden-Administration nahesteht, will angeblich eine NATO-Bank fördern, die der von Moskau gegründeten International Investment Bank entsprechen soll. Auch private Investoren sind auf dem Balkon. »Die Angelsachsen stellen bereits einen sehr großen Anteil an der Aktionärsbasis der großen Verteidigungskonzerne der Union und haben keine Schranken«, betont Christophe Menard, Aktienanalyst der Deutschen Bank. Hedgefonds, aber auch Staatsfonds wie der von Katar interessieren sich dafür.

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