Hajo Funke
AfD-Masterpläne
Die rechtsextreme Partei und die Zerstörung der Demokratie | Eine Flugschrift
108 Seiten | EUR 10.00
ISBN 978-3-96488-210-3

Michael Brie
Linksliberal oder dezidiert sozialistisch?
Strategische Fragen linker Politik in Zeiten von Krieg und Krise
Eine Flugschrift
126 Seiten | EUR 12.00
ISBN 978-3-96488-215-8

Antje Vollmer/Alexander Rahr/Daniela Dahn/Dieter Klein/Gabi Zimmer/Hans-Eckardt Wenzel/Ingo Schulze/Johann Vollmer/Marco Bülow/Michael Brie/Peter Brandt
Den Krieg verlernen
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Frank Deppe
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176 Seiten | EUR 14.80
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Peter Wahl
Der Krieg und die Linken
Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden
Eine Flugschrift
100 Seiten | Euro 10.00
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Heiner Dribbusch
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Arbeitskämpfe und Streikende in Deutschland seit 2000 – Daten, Ereignisse, Analysen
376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

2. August 2019 Detlef Umbach: Konjunktur wird zum bestimmenden Moment für den US-Präsidentschaftswahlkampf 2020

»It’s the economy stupid«

»Für die amerikanische Rechte war Trumps Amtseinführung … ein Moment der politischen Wiedergeburt.«[1] Endlich schien die Herrschaft der politischen Korrektheit beendet, wie sie Demokraten und große Teile der Republikaner lange Zeit durchgesetzt hatten.

Unter dem Banner eines brutalen Nationalismus – »America first!« – kehrten Sexismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ganz offen in die nationale Politik zurück. Die Republikanische Partei hat sich zur Trump-Partei gewandelt, die alles daran setzten wird, Trump zum Sieg zu verhelfen.

Dieser hat den Wahlkampf mit einer Neuauflage der Beschwörung der »sozialistischen Gefahr« begonnen. Die Fokussierung des Hasses auf die vier weiblichen Newcomer im Repräsentantenhaus – Omar, Ocasia-Cortez, Tlaib und Pressley – soll die Demokraten insgesamt als unamerikanische Sozialisten und als Feinde Amerikas diffamieren. Damit haben Trumps Hasskampagnen schon sehr früh eine neue Dimension erreicht. Er fordert, gewählte Abgeordnete des Repräsentantenhauses sollen wegen ihrer geäußerten Überzeugungen, ihre Bürgerrechte verlieren und aus den USA ausgewiesen werden: »Send them back!« Und das ist nur der Anfang.

Trumps Zustimmungswerte in der Bevölkerung liegen zurzeit stabil bei mehr als 42%, und diese Zustimmungswerte sind ein guter Indikator für die republikanischen Wahlchancen. 42% sind nur 4% weniger, als 2016 zum Sieg ausreichten. Der ganze Wahlkampf wird sich um ein paar Prozent mehr oder weniger für Trump drehen. Dabei können die Demokraten nicht darauf setzen, ihr Wählerpotential stärker auszuschöpfen als die Republikaner. Bei den Wahlen im November 2018 lagen die beiden Parteien bei der Mobilisierung ihrer Anhänger*innen fast gleichauf.

Die Demokraten haben bei Präsidentenwahlen starke Mehrheiten in Bundesstaaten mit großen Metropolregionen. Da nicht die Mehrheit aller Wählerstimmen, sondern die Mehrheiten in den einzelnen Bundesstaaten wahlentscheidend sind, bedeutet die hohe Konzentration der demokratischen Wählerschaft auf wenige Bundesstaaten einen strukturellen Nachteil. Außerdem gehen bei Präsidentenwahlen immer 5% bis 6% der Stimmen an Kandidat*innen dritter Parteien. Die Demokraten müssen deutlich über die Hälfte der Stimmen und einen prozentualen Abstand von mehr als 5% gewinnen, um Trump schlagen zu können.[2]

Es muss für die Demokraten auch darum gehen, eine Region zurück zu gewinnen, die bei der letzten Wahl entscheidenden Rust-Belt-Staaten Pennsylvania, Michigan, Wisconsin und Ohio.[3] In diesen Bundesstaaten ist der Anteil der Weißen ohne Collegeabschluss besonders hoch, hier wird sich das Problem stellen, Trump-Wähler*innen für die Demokraten (zurück) zu gewinnen. In den Wahlen 2018 ist das zum Teil schon gelungen. Dabei zeigte sich Trumps Schwäche, im Bereich der Krankenversicherung keine Lösung gefunden zu haben. Die gescheiterten Versuche, Obamas Affordable Care Act abzuschaffen, und die andauernde finanzielle Sabotage an den bestehenden gesetzlichen Regelungen haben die Krankenversorgung zu einem Thema gemacht, das in der Bevölkerung eine sehr große Aufmerksamkeit besitzt.

Trump ist ein besonderer Präsident. Er ist keiner der üblichen Politiker, von denen sich die Wähler*innen bei Rezessionen, Skandalen oder Misserfolgen schnell abwenden. Trump ist die Führungsfigur einer Bewegung. Seine Gefolgschaft folgt ihm unbeirrt. Dieses enge Verhältnis zwischen der Führungsfigur und seiner Gefolgschaft wurde zum ersten Mal deutlich, als sich der »Pussy-Grabbing-Skandal« im Wahlkampf 2016 kaum auswirkte. Ein Politiker, dem man öffentlich die sexistische Überzeugung nachgewiesen hatte, er könne jeder Frau zwischen die Beine greifen, wäre normalerweise »erledigt« gewesen.

Aber Trump gewann die Wahlen. Ein Skandal mit ähnlichen Ausmaßen ist aktuell die Festsetzung von Kindern illegaler Migrant*innen. Diese Kinder jeden Alters leiden unter der Trennung von ihren Eltern und werden in Anstalten gefangen gehalten, für die die Bezeichnung »Kindergefängnisse« noch eine Beschönigung darstellt. Dieser Skandal dauert schon Monate, ohne Auswirkungen auf die Zustimmungswerte des Präsidenten zu haben.

Die breite Basis von Trumps Anhängerschaft sind die Weißen ohne Collegeabschluss, deren Leben ist in den letzten Jahrzehnten und insbesondere seit der Weltwirtschaftskrise immer stärker von für den sie negativen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt geprägt. Ein langer Prozess des Niedergangs, der in der Verschlechterung der beruflichen Möglichkeiten für Menschen mit geringem Bildungsstand seine Ursachen hat, machte das Leben für weniger Gebildete immer schwieriger, nicht nur bei ihren beruflichen Möglichkeiten, sondern auch in ihren Ehen und im Leben und bei den Chancen ihrer Kinder.[4] Für die Weißen ohne Collegeabschluss ist »der amerikanische Traum«, sich durch harte Arbeit einen guten Lebensstandard zu sichern, immer stärker bedroht. Dagegen wird der Collegeabschluss zunehmend zum »Schlüssel« für den sozialen Aufstieg und die Sicherung des Lebensstandards.

Nach zehn Jahren Aufschwung gibt es auch bei den Weißen ohne Collegeabschluss Lohnerhöhungen und mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das gibt ihnen den Eindruck, dass Trump etwas für sie tun würde. Auch den »Handelskrieg« mit China interpretieren Teile von Trumps Anhängerschaft dahingehend, dass der Präsident sich für ihre Arbeitsplätze einsetze.[5] Trump verbreitet die nostalgische Hoffnung, er könne dafür sorgen, dass die industriellen Arbeitsplätze mit samt den guten Löhnen zurückkommen.

Tatsächlich unternimmt Trump nichts, um die Zukunftschancen der Lohnabhängigen ohne Collegeabschluss zu verbessern. Er besitzt weder eine Ahnung von Industriepolitik, noch irgendeine Vorstellung von beruflicher Weiterbildung. Eine politische Antwort fehlt auch bei der Demokratischen Partei, keiner der Präsidentenkandidaten*innen nimmt diese Themen bislang auf. Die working poor haben die Demokraten noch im Blickfeld, denen soll mit einer kräftigen Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns geholfen werden.

Präsident Trump fehlen neue zündende Themen,[6] er überspielt das damit, dass er sein letztes großes Thema, Fremdenhass und illegale Einwanderung, fortwährend radikalisiert. Die skandalöse Behandlung der Kinder von illegalen Migrant*innen fügt sich hier ein. An den Kindern wird exemplarisch gezeigt, mit welcher Menschenverachtung und Gewalttätigkeit Trumps Amerika den illegalen Einwanderer*innen gegenübertritt. Nach Gallup ist es Trump gelungen, das Thema Migration zum wichtigsten Wahlkampfthema zu machen.[7]

Mit der Parole »Keep America great!« feiert Trump seine Erfolge: die immer noch gute Konjunktur, die Steuersenkungen, die Deregulierungen von Umwelt-, Gesundheits- und Bankauflagen. In der republikanischen Weltsicht ist die gute Konjunktur die Folge dieser unter Trump erfolgten »Befreiungen« von Steuern und Auflagen. Dass die Konjunktur wesentlich auf den Leistungen der Regierung Obama seit der Weltwirtschaftskrise beruht, wird allzu gern vergessen.

Trumps Steuerreform hat zur Stabilisierung der Konjunktur beigetragen. Sie bewirkte eine deutliche Vergrößerung der Gewinne nach Steuern. Die positive Wirkung auf die Konjunktur bestand darin, dass durch den Ausfall von Steuereinnahmen Staatsausgaben verstärkt über ein deficit spending finanziert werden mussten, und das wirkte stimulierend auf die Konjunktur.[8]

Es gibt deutliche Zeichen einer wirtschaftlichen Abschwächung: die inverse Zinsstruktur, das Missverhältnis zwischen Gewinnen und Investitionen im Unternehmenssektor und der Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden. Ob es zu mehr als einer Konjunkturdelle kommen wird, bleibt offen. Bereits eine leichte Rezession hätte für Trumps Wahlkampf tiefgehende Folgen, die Hoffnungen auf die nostalgische Rückkehr zur Amerikanischen Größe würden bröckeln. Und die Zahl der Wähler*innen, die Trump nur wegen der guten Konjunktur wählen würden, obwohl sie ihn als Person ablehnen, würde deutlich sinken.

Durch den im Kongress erreichten Haushaltskompromiss bis 2021 besitzt Trump keine Möglichkeit, eine eventuell schwächelnde Konjunktur durch ein weiteres deficit spending, etwa mit dem schon mehrfach angekündigten Infrastrukturpaket von 200 Mrd. US-Dollar, zu stabilisieren. Die Konjunktur wird zum bestimmenden Moment für den Wahlkampf 2020 werden. Nur mit einem Weiterlaufen der guten Konjunktur gibt es für Trump Chancen auf eine Wiederwahl. »It’s the economy stupid!«

Detlef Umbach lebt als Rentner und SPD-Mitglied in Hamburg. Der Text wurde am 29.7.2019 beendet. Der Titel des Beitrags war die Wahlkampfparole von Bill Clinton 1992.

[1] Adam Tooze, Democracy and Its Discontents, The New York Review of Books, 6.6.2019, Übers.D.U.
[2] Vgl. Nate Cohn, Trump’s Electoral College Edge could Grow in 2020, NYT, 19.7.2019.
[3] Ohne diese Staaten wird eine Abwahl von Trump sehr schwierig werden. Vgl Ronald Browstein, The Democatic Debate Over Winning Back Trump’s Base, The Atlantic, 2.5.2019.
[4] Vgl. Anne Case u. Angus Deaton, Mortality and Morbidity in the 21th Century, Brookings Papers on Economic Activity, Spring 2017, S. 397-476.
[5] Vgl. Trip Gabriel, There’s No Boom in Youngstown, but Blue-Collar Workers Are Sticking With Trump, NYT, 20.5.2019.
[6] Siehe Detlef Umbach, USA – Wut der republikanischen Wähler*innen und Politik des Vorurteils, Sozialismus.de, Heft 4-2019.
[7] Dieses Thema und auch den demokratischen Vorwahlkampf greife ich demnächst gesondert auf.
[8] Vgl. Paul Krugman, The Economics of Donald J. Keynes, New York Times (NYT), 6.5.2019.

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