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30. Juli 2020 Joachim Bischoff/Bernhard Müller

»Jahrhundertrezession« – massiver Einbruch der Wirtschaftsleistung

Foto: Tim Reckmann/flickr.com (CC BY 2.0)

Durch den Corona bedingten gesellschaftlichen »Lockdown« ist die deutsche Wirtschaft in eine tiefe Rezession gerutscht. Frühindikatoren zeigen inzwischen Erholungstendenzen, die Talsohle könnte also durchschritten sein, vorausgesetzt, das Infektionsgeschehen kann in Zukunft kontrolliert werden. Für den Beschäftigungsbereich wird wegen einer heraufziehenden Konkurswelle allerdings die Belastung weiter anwachsen.

In den Frühjahrsmonaten ist zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland bekanntlich stark zum Stillstand gekommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im 2. Quartal 2020 gegenüber dem 1. Quartal – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 10,1% gesunken. Das war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen für Deutschland im Jahr 1970. Er fiel noch deutlich stärker aus als während der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise (-4,7% im 1. Quartal 2009). Im 2. Quartal 2020 sind sowohl die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen als auch die privaten Konsumausgaben und die Investitionen in Ausrüstungen massiv eingebrochen. Der Staat erhöhte dagegen seine Konsumausgaben während der Krise.

Ebenso ist im Vorjahresvergleich die Wirtschaftsleistung eingebrochen: Das BIP war im 2. Quartal 2020 preisbereinigt um 11,7% niedriger als ein Jahr zuvor (auch kalenderbereinigt). Auch hier hatte es nicht einmal in den Jahren der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/09 so starke Rückgänge gegeben: Der bisher stärkste Rückgang gegenüber einem Vorjahresquartal war mit -7,9% im 2. Quartal 2009 zu verzeichnen. Zuvor befragte Fachleute hatten im Schnitt ein Minus von 9% vorhergesagt.



Da die Wirtschaftsleistung in Europas größter Volkswirtschaft schon im 1. Quartal wegen der beginnenden Pandemie um 2% geschrumpft war, befindet sie sich nun auch offiziell in einer Rezession. Davon sprechen Ökonom*innen, wenn das BIP mindestens zwei Quartale in Folge gesunken ist.

Für das laufende 3. Quartal erwarten die Ökonom*innen hingegen wieder Wirtschaftswachstum. Die Fachleute des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) beispielsweise sagen einen BIP-Anstieg um 3% voraus. Dennoch werde es wohl zwei Jahre dauern, bis der historische Einbruch vom Frühjahr wettgemacht ist, sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen. Wie schnell und nachhaltig dieser Erholungsprozess allerdings ausfallen wird, hängt erstens von der weiteren Entwicklung der Infektionszahlen ab, und zweitens von der ökonomischen Entwicklung in Europa und auf dem Weltmarkt. Hier gibt es viele Fragezeichen.

Arbeitsmarkt: Zahl der Arbeitslosen steigt im Juli auf 2,91 Mio.

Logischerweise hat der Wirtschaftseinbruch tiefe Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. So ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im Juli gestiegen – allerdings nur in einem für die Jahreszeit üblichem Ausmaß. Es waren 2,91 Mio. Menschen ohne Job, 57.000 mehr als im Juni und 635.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg binnen Monatsfrist um 0,1 auf 6,3%, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit.

Der Anstieg sei nicht auf die Coronakrise zurückzuführen, so heißt es weiter. Denn im Juli steigt die Arbeitslosigkeit in der Regel ohnehin: Vor den Sommerferien stellen weniger Betriebe neue Mitarbeiter*innen ein, zudem enden Ausbildungsverhältnisse, auch einige Lehrer*innen ohne Festanstellung werden in den Sommerferien arbeitslos, bevor sie zu Beginn des Schuljahrs wieder einen Arbeitsvertrag erhalten.


 
»Der Arbeitsmarkt steht wegen der Corona-Pandemie nach wie vor unter Druck, auch wenn sich die deutsche Wirtschaft auf Erholungskurs befindet«, sagte der BA-Vorstandschef Detlef Scheele. »Der massive Einsatz von Kurzarbeit hat stärkere Anstiege der Arbeitslosigkeit und Beschäftigungsverluste verhindert.«

Wende bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung

Im Mai waren nach der Hochrechnung der BA 33,33 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte registriert. Gegenüber dem Vorjahr wird ein Rückgang von 98.000 oder 0,3% ausgewiesen, nach +37.000 oder +0,1% im April. Dabei hat die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung im Mai im Vorjahresvergleich um 185.000 oder 0,8% abgenommen, während die sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung noch um 87.000 oder 0,9% über dem Vorjahreswert liegt.

Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist von April auf Mai in allen Bundesländern saisonbereinigt gesunken. Die absolut größten Rückgänge verzeichneten die Arbeitnehmerüberlassung (-15.000), die Metall- und Elektroindustrie (-14.000) und das Gastgewerbe (-14.000). Geringfügige Anstiege verzeichneten die Öffentliche Verwaltung sowie Erziehung und Unterricht (+3.000 bzw. +1.000).

Im Vorjahresvergleich werden noch in vielen Branchen Anstiege ausgewiesen, die allerdings im bisherigen Verlauf der Corona-Krise kleiner wurden. Den absolut größten Zuwachs im Mai registriert das Gesundheitswesen (+52.000 oder +2,1%). Eine relativ stärkere Erhöhung gab es bei Information und Kommunikation (+33.000 oder +2,9%).

Der Beschäftigungsrückgang konzentriert sich auf drei Branchen: die Arbeitnehmerüberlassung (-124.000 oder -16,6%), die Metall- und Elektroindustrie (-109.000 oder -2,4%) und das Gastgewerbe (-87.000 oder -7,8%). Dabei dürfte der Rückgang im Gastgewerbe allein mit der Verschärfung der Corona-Krise zusammenhängen, während in der Arbeitnehmerüberlassung und in der Metall- und Elektroindustrie die Pandemie die schon vorher rückläufige Entwicklung verstärkt hat.

Prekär Beschäftigte besonders betroffen

Die sonstigen Formen der Erwerbstätigkeit, für die aktuelle Angaben vorliegen, haben gegenüber dem Vorjahr deutlich stärker abgenommen als die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. So ist die Zahl der Selbständigen (einschließlich mithelfender Familienangehöriger) nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im 2. Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahr um 140.000 oder 3,4% auf 4,02 Mio. gesunken.

Auch die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten hat sich im Mai nach ersten Hochrechnungen der BA im Vorjahresvergleich um 383.000 oder 8,3% auf 4,24 Mio. verringert, nach -393.000 oder -8,5% im April. Im Februar – dem Monat vor der Verschärfung der Corona-Krise – wurde der Vorjahreswert »nur« um 113.000 oder 2,5% unterschritten.

Auch die Zahl der geringfügig entlohnt Beschäftigten im Nebenjob hat im Vorjahresvergleich deutlich abgenommen. So übten im Mai 2,81 Mio. oder 8,4% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob aus, 133.000 oder 4,5% weniger als vor einem Jahr, nach -121.000 oder -4,1% im April, aber noch +94.000 oder +3,3% im Februar.

Tatsächliche Arbeitslosigkeit deutlich gestiegen

In der Unterbeschäftigungsrechnung nach dem Konzept der BA sind neben den Arbeitslosen diejenigen Personen enthalten, die an entlastenden Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik teilnehmen oder zeitweise arbeitsunfähig erkrankt sind und deshalb nicht als arbeitslos gezählt werden. Damit wird ein umfassenderes Bild über die Zahl derjenigen Menschen gezeichnet, die ihren Wunsch nach einer Beschäftigung nicht realisieren können.

Im Vergleich zum Vorjahr hat die Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) um 465.000 oder 15% zugenommen, nach +450.000 oder +14% im Juni. Vor der Verschärfung der Corona-Krise im März hatte das Plus gegenüber dem Vorjahr »nur« 29.000 oder 1% betragen. Die derzeitige Krise dürfte die Unterbeschäftigung bisher schätzungsweise um 471.000 erhöht haben.

Rekordstand bei Kurzarbeit

Durch die Zahlung von Kurzarbeitergeld bei vorübergehend schwierigen Wirtschaftsbedingungen sollen den Betrieben ihre eingearbeiteten Mitarbeiter*innen und den Arbeitnehmer*innen ihre Arbeitsplätze erhalten werden, um so Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Aktuelle Daten zur tatsächlichen Inanspruchnahme stehen bis Mai zur Verfügung. Nach vorläufigen hochgerechneten Daten der BA wurde in diesem Monat für 6,70 Mio. Arbeitnehmer*innen konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt, nach 6,10 Mio. im April, 2,46 Mio. im März, aber nur 134.000 im Februar. Im Mai des Vorjahres waren 45.000 konjunkturelle Kurzarbeiter*innen registriert. Der durchschnittliche Arbeitszeitausfall hat sich von April auf Mai von 49 auf 44%verringert, nach 33% im März und 25% im Februar.

Die Behörde geht davon aus, dass die Kurzarbeit noch lange über dem Niveau der großen Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 liegen wird. Damals waren in der Spitze rund 1,4 Mio. Beschäftigte in Kurzarbeit.

In diese Richtung deutet eine ebenfalls am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Münchener ifo-Instituts, für die regelmäßig 9.000 Unternehmen befragt werden. Demnach rücken die Unternehmen nur langsam von der Kurzarbeit ab: Im Juli fuhren noch 42% der an der ifo-Konjunkturumfrage teilgenommenen Unternehmen Kurzarbeit. Im Juni waren es 46% und im Mai sogar 53%. »Der Rückgang der Kurzarbeit geht nur sehr langsam vonstatten«, sagt deshalb auch ifo-Arbeitsmarkt-Experte Sebastian Link. Spitzenreiter blieb im Juli die Industrie mit 57% der Firmen, nach 64% im Mai und im Juni. Bei den Dienstleistern arbeiteten im Juli noch 39% der Firmen Kurzarbeit, im Juni waren es 47% und im Mai sogar 48%. Im Handel waren es 31% im Juli, nach 29% im Juni und 55% im Mai.

Die Durchschnittswerte für die großen Wirtschaftszweige verbergen große Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Das zeigt sich an der Industrie: Während im Durchschnitt dort der Wert 57% beträgt, arbeiteten im Juli noch 80,8% der Metallerzeuger und -bearbeiter in Kurzarbeit. Bei den Herstellern von Bekleidung sind es 78,3% und bei denen von Metallerzeugnissen 72,1%. In der Autobranche betrug der Anteil 67,7%, in der Chemie hingegen nur 33,2%, bei den Herstellern von Nahrungsmitteln 16,7% und bei der Pharmazie 0,6%.

Krise verschärft soziale Ungleichheit

Leiharbeiter*innen, Minijobber*innen, aber auch Kurzarbeiter*innen sind besonders von den Folgen des Wirtschaftseinbruchs auf dem Arbeitsmarkt betroffen. Nach einer Online-Befragung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung im Juni,[1] dessen Ergebnisse im Einzelnen näher vorgestellt werden, hat bereits über ein Viertel der Erwerbstätigen in der Krise Einkommen verloren.

Die Corona-Krise verschärft bestehende soziale Ungleichheiten. Erwerbstätige mit ohnehin schon niedrigeren Einkommen haben deutlich mehr unter den wirtschaftlichen Folgen zu leiden als Menschen mit höheren Einkommen. Sie haben z.B. deutlich häufiger schon Einkommen eingebüßt, bei Kurzarbeit erhalten sie seltener eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes und sie fürchten etwa doppelt so häufig, als Folge der Pandemie ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Generell bessere Perspektiven in der Krise haben Beschäftigte in Unternehmen mit Tarifvertrag bzw. Mitbestimmung: Kurzarbeiter mit Tarifvertrag erhalten beispielsweise zu 54% eine Aufstockung, während es ohne einen solchen nur 31% sind. In Betrieben mit Mitbestimmung existieren zudem deutlich häufiger feste Regeln für das Homeoffice als in solchen ohne Betriebsrat. Gibt es eine solche Vereinbarung, empfinden Befragte die Arbeitssituation zu Hause als weniger belastend.

In der Erwerbsbevölkerung ist der Anteil derjenigen, die bereits Einkommenseinbußen erlitten haben, zwischen April 2020 und Juni 2020 von 20% auf 26% gestiegen. Auch hier zeigt sich eine deutliche soziale Spreizung: In Haushalten mit einem Einkommen unter 1.500 Euro berichten 40% von Einbußen, bei einem Einkommen ab 3.200 Euro sind es 22%.

12% der befragten Erwerbstätigen gaben an, im Juni 2020 in Kurzarbeit zu sein. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der Beschäftigten, die in Kurzarbeit gehen können, entspräche dies knapp fünfeinhalb Millionen Menschen. Von den Befragten in Kurzarbeit erklären 43%, dass ihr Kurzarbeitergeld aufgestockt werde, rund 10% mehr als im April 2020. Dazu dürfte beitragen, dass das gesetzliche Kurzarbeitergeld mittlerweile ab dem vierten Bezugsmonat auf bis zu 77% steigt. Auch das Einkommen spielt eine Rolle: Befragte, die weniger als 1.500 Euro zur Verfügung haben, erhalten zu 33% eine Aufstockung, Personen mit einem Einkommen von mindestens 2.600 Euro zu 48%.

Die Betreuungsarbeit übernehmen vor allem die Frauen. Das gaben sowohl männliche als auch weibliche Befragte an, die in Paarbeziehungen leben und Kinder haben. Gegenüber dem April 2020 ist der Anteil der in erster Linie betreuenden Väter und der Paare mit ausgeglichener Verteilung noch einmal leicht gesunken. Männliche Befragte mit Kindern waren vor der Coronakrise im Durchschnitt 41 Stunden pro Woche erwerbstätig, Frauen 31 Stunden. Ende Juni 2020 waren es 38 und 26 Stunden. Die Differenz stieg also von 10 auf 12 Stunden.

Zugleich haben die Zukunftsängste im Durchschnitt etwas abgenommen: Sorgen um die eigene wirtschaftliche Situation äußerten im April 2020 70% der Erwerbstätigen, im Juni 58%. Am stärksten sank der Anteil unter den Befragten mit mehr als 3.200 Euro Haushaltsnettoeinkommen, nämlich von 61 auf 47%. Dagegen blieb er in der Gruppe unter 1500 Euro mit 83% bzw. 82% praktisch unverändert und weitaus höher.


 
Vor dem Hintergrund der durch die Corona-Krise gemachten Erfahrungen, dass die, die schon vorher finanziell und sozial schlechter gestellt waren, weiter zurückfallen, nehmen Unsicherheit und Zukunftsängste noch einmal deutlich zu. »86 Prozent der Befragten äußern Sorgen, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland weiter steigt. Wir hätten ein großes Problem, wenn sich der Eindruck festsetzen würde: Der Staat hat die Wirtschaft mit Milliarden gerettet, aber dafür müssen die sprichwörtlichen kleinen Leute zahlen«, so Bettina Kohlrausch, WSI-Direktorin und Soziologieprofessorin an der Universität Paderborn, die die neue Befragung ausgewertet hat. Die Umfrageergebnisse ließen Anzeichen dafür erkennen, dass sich »nachvollziehbare Ängste und Verschwörungserzählungen« teilweise vermischen können. Der Nährboden für rechtspopulistische Bewegungen verbreitert sich.

Was ist in den nächsten Monaten zu erwarten?

Was der massive Einbruch der Wirtschaftsleistung auf mittlere Sicht bedeutet, lässt sich gegenwärtig nur schwer abschätzen. Struktur und Umfang der gesellschaftlichen Wertschöpfung werden sich beschleunigt verändern. Beispielweise rechnen die Automobilunternehmen mit einem langsamen Erholungsprozess bis 2022. Eine auf den nationalen Binnenmarkt Deutschlands konzentrierte Erholung wird es nicht geben, ausschlaggebend bleibt die Rekonstruktion des europäischen Binnenmarktes und des gesamten Weltmarktes. Während die Wirtschaft in der VR China wieder in den positiven Bereich gedreht hat, muss die US-Wirtschaft einen historischen Konjunktureinbruch verarbeiten. Das BIP ging in den USA im 2. Quartal um auf das Jahr hochgerechnet 32,9% zurück.

In Deutschland stagniert die Arbeitslosenquote bei 6,3%, da sich die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften stabilisiert hat. Das in Deutschland verbreitete, allerdings zeitlich begrenzte Mittel der Kurzarbeit hat sich einmal mehr bewährt, insofern ein großer Anstieg der Arbeitslosigkeit vermieden werden konnte. Allerdings waren im Mai immer noch 6,7 Mio. Menschen in Kurzarbeit, das entspricht 15% der Erwerbstätigen. Wenn es gelingt, dieses Instrument weiter zu verlängern, könnte die Arbeitslosigkeit weiterhin gedämpft bleiben, bis die Wertschöpfung und die Märkte sich erholt haben. Die Zahl der Firmenpleiten ist in den vergangenen Monaten trotz der massiven Wirtschaftskrise auf einem niedrigen Niveau verblieben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Bundesregierung im Frühjahr die Verpflichtung zu einem unverzüglichen Insolvenzantrag bis Ende September ausgesetzt hat. Sollte diese Regelung nicht verlängert werden, rechnen Ökonom*innen ab Oktober mit einer stärkeren Welle von Insolvenzen. Dies wird sich dann auch schnell am Arbeitsmarkt spiegeln, wo die Zahl der Arbeitslosen dann erheblich in die Höhe schießen dürfte. Die Krise ist noch längst nicht überstanden.


[1] Corona-Krise verschärfte soziale Ungleichheit, Böckler Impuls 12/2020, 16. Juli. Online: www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-coronakrise-verscharft-soziale-ungleichheit-25092.htm

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