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22. September 2015 Otto König / Richard Detje: Fernsehtipp ARD, 23. September

»Meister des Todes« – »Tödliche Exporte«

Das Jahr 2015 könnte für die deutschen Waffenproduzenten zum Rekordjahr werden. Schon in den ersten sechs Monaten wurden vom geheim tagenden Bundessicherheitsrat Ausfuhren im Wert von insgesamt 6,35 Milliarden Euro genehmigt. Der aktuelle »Rüstungsexportbericht« der Bundesregierung weist für 2014 aus, dass sich der umstrittene Export von Kriegswaffen von 757 Millionen auf 1,486 Milliarden Euro verdoppelt hat.[1]

Angesichts dieser Zahlen stellt sich verschärft die Frage nach der Mitverantwortung der deutschen Politik und Wirtschaft für die Eskalation der Lage in den weltweiten Kriegs- und Krisenregionen, die auch die Flüchtlingsströme aus dem Nahen und mittleren Osten verursacht haben. Das ARD-Fernsehen widmet sich am Mittwoch, den 23. September, dem brisanten Thema der Waffenexporte in Staaten, in den gravierende Menschenrechtsverletzungen begangen werden und der Frage, wie deutsche Rüstungsfirmen die Genehmigungspraxis der Bundesregierung umgehen.

Der Thriller »Meister des Todes«, mit dem das Erste um 20.15 Uhr den Themenabend eröffnet, erzählt vom fiktiven Waffenproduzenten HSW, der Schnellfeuergewehre in die mexikanische Provinzen liefert, die auf der Embargoliste der Bundesregierung stehen. Der Krimi zeigt, wie bei Rüstungsgeschäften Dokumente – z.B. die staatliche Endverbleibserklärung für die gelieferten Waffen – geschönt, fragwürdige Absprachen getroffen und Waffen in »verbotene« Regionen geliefert werden. Regisseur Daniel Harrich stützt die Geschichte des Films auf reale Ereignisse: auf die Lieferung von G36-Schnellfeuergewehren von Heckler & Koch (H&K) nach Mexiko in den Jahren 2003 bis 2011.

Die Hauptperson des Films, Peter Zierler, ein junger Familienvater, der in einem beschaulichen württembergischen Städtchen beim Waffenhersteller HSW arbeitet, bekommt die Chance, mit dem Vertriebschef nach Mexiko zu reisen, um dort eindrucksvoll die Qualitäten eines neuen Gewehrs vorzuführen. Zierler lernt vor Ort die »Gepflogenheiten« im Auslandsgeschäft kennen, die Bedeutung der Beziehungen zur deutschen Botschaft, die Kontaktpflege in die Generalität und die entsprechenden Ministerien in Mexiko-Stadt hinein.

Als er mit eignen Augen ansehen muss, wie in Mexiko oppositionelle Demonstranten mit den Gewehren »seiner« Firma erschossen werden, bekommt er Gewissensbisse. Zurück in Deutschland lässt ihn das Erlebte nicht mehr los. In der Firma will niemand seine Einwände hören. Ein Abfindungsangebot, das mit einer Schweigeverpflichtung und einer exorbitanten Vertragsstrafe verbunden ist, lehnt er ab. Als auf ihn und seine Familie geschossen wird, geht er in die Offensive. Er beschließt, öffentlich gegen die Exportpraxis von HSW Stellung zu beziehen. Ein Friedensaktivist wird sein Verbindungsmann, der ihm hilft, seine Familie in Sicherheit zu bringen.

In der anschließenden 30-minütigen Dokumentation »Tödliche Exporte – Wie das G36 nach Mexiko kam?« um 21.45 Uhr geht Filmemacher Harrich dem Verdacht nach, wie schwäbische Ingenieure, Juristen und Manager der Firma H&K in Oberndorf am Neckar[2] unter den Augen der Genehmigungsbehörden einen schmutzigen Waffendeal einfädelten. Es geht um ein Millionengeschäft, das ermöglichte, was die Bundesregierung zuvor ausdrücklich verboten hatte: Deutsche Sturmgewehre gerieten in den mexikanischen Drogenkrieg, einen Krieg, in dem selbst die Polizei an Morden beteiligt ist.

Autor Daniel Harrich recherchierte akribisch in Deutschland und in Mexiko. Es gelang ihm, an brisante Papiere aus dem mexikanischen Verteidigungsministerium, an E-Mails zwischen Heckler & Koch und den Behörden sowie an firmeninterne Korrespondenz zu kommen. Die Dokumente belegen, wie die deutsche Rüstungsexportkontrolle versagt.

Im Zentrum dieser Recherche stehen auch der ehemalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Ernst Burgbacher (FDP), und der amtierende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, in deren Wahlkreis H&K ansässig ist. Über Jahre erhielten sie vom Rüstungsproduzenten Spenden – bis maximal in jener Höhe, die eine Veröffentlichung nicht zwingend erforderlich macht.

Der Filmemacher sprach auch mit mexikanischen Studenten, die von Polizisten beschossen wurden, weil sie eine Autobahn blockierten. Im Einsatz waren auch G36-Gewehre aus Oberndorf. Exemplarisch zeigen die Recherchen, wie leicht der politische Grundsatz, keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete bzw. an Folter- und Polizeistaaten zu liefern, von deutschen Waffenhändlern umgangen werden kann.

Ein Fazit dieser Doku ist: Die »Endverbleibserklärungen« der Waffenhändler, auf die sich die Bundesregierung verlässt, hat in Wahrheit nur die Wirkung einer Beruhigungspille. Dieses vermeintliche Kontrollinstrument, auf dem die gesamte deutsche Rüstungsexportkontrolle beruht, ist nahezu wertlos. Über www.DasErste.de/waffenexporte können weiterführende Informationen zum Film und zur Dokumentation des Themenabends abgerufen werden.

[1] Vgl. Otto König/Richard Detje: Goldene Zeiten für Waffenproduzenten, Zum Antikriegstag 2015, Sozialismus Aktuell vom 31.8.2015.
[2] Vgl. Otto König/Richard Detje: Erschossen mit deutschen Gewehren, Sozialismus 7/8-2015.

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