31. Juli 2025 Phil Burton-Cartledge: Vorsichtiger Optimismus ist angesagt
Neue Linkspartei in Britannien
Mehr als 500.000 Menschen haben sich in die Mailingliste von Zarah Sultanas und Jeremy Corbyns Parteiprojekt eingetragen. Die kostenlose Registrierung mit der Mitgliedschaft in anderen politischen Parteien zu vergleichen ist nicht angebracht. Doch zeigt es, dass ein starker Wunsch nach einer Alternative zu Keir Starmers autoritärer Inkompetenz und Nigel Farages rechtsextremem Kurs besteht.
Dass durch die Spendenfunktion bereits Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende Pfund an Kleinspenden zusammengekommen sind, trifft sicherlich ebenfalls zu. Die neue Partei ist bereits um ein Vielfaches bedeutender als jede andere links von Labour stehende Gruppierung in der britischen Politikgeschichte, und dabei existiert sie noch nicht einmal richtig.
Abgesehen von unaufrichtigem Unsinn und der Behauptung, die neue Partei befördere den Weg von Farages rechtspopulistischer Reform-UK-Partei an die Schalthebel der Macht, sowie von Panikmache der Rechten, hat es im politischen und medialen Establishment im Großen und Ganzen zwei Reaktionen auf die Ankündigung gegeben. Die eine ist abweisender Humor darüber, dass sich Corbyn und Sultana angeblich nicht auf einen Namen für die neue Partei hätten einigen können. Welch ein Murks!
Die andere, die im Times Radio geäußert wurde, besagt, dass es unter den potenziellen Anhängern der Partei zu viele Unvereinbarkeiten gibt. Einerseits gibt es muslimische Wähler, die wegen Gaza von Labour abgewandert sind, aber sozial konservativ sind. Andererseits gibt es sozial progressive Wähler*innen, die unter anderem durch das Eintreten für Transgender-Rechte motiviert sind. Diese Bandbreite stellt für die junge Partei in der Tat eine schwer zu überwindende Hürde dar.
Der Journalist John Oxley unterbreitet eine stärker reflektierte Variante dieser Position. Er weist ebenfalls auf die geringe Übereinstimmung der Positionen der Abgeordneten der Unabhängigen-Allianz im Unterhaus – der sogenannten Gaza-Unabhängigen – mit denen der progressiven Basis der neuen Partei hin. Eine weitere Schwierigkeit bestehe jedoch darin, dass selbst bei Überwindung dieser Hürde nur eine Handvoll Parlamentssitze erreicht werden könnten, da die Partei »eine zu enge Nische« besetze. Um Reichweite aufzubauen, brauche es Themen mit breiter Anziehungskraft, die sich kapitalisieren ließen, wie Farage es mit dem Brexit und der Migrationsfrage erreicht hatte. Die Reform-UK-Partei verkompliziere die Sache zusätzlich, da sie mit ihrer Mischung aus Migrationsfeindlichkeit, englisch-nationalistischer Politik und linkspopulistischen wirtschaftlichen Ideen auf Labour-Sitze abziele.
Ein weiteres Problem seien die Anhänger der neuen Partei. Unter ihnen würden wahrscheinlich unpopuläre Ansichten vertreten, die im Widerspruch zur öffentlichen Meinung stehen. Es sei unklar, wie diese Schwierigkeiten überwunden werden könnten. Es fehle eine Sache: ein Farage der Linken. »Jemand mit dem Charisma eines Demagogen, mit dem politischen Gespür, diese Gruppen zusammenzuschweißen, und mit den organisatorischen Fähigkeiten, eine Partei aufzubauen, die ihre Vorteile strategisch nutzt.« Ohne diese Person gäbe es nur kurze Wutausbrüche und fragmentarische Beschwerden. Die neue Partei würde zwar gegründet werden, hätte aber nur begrenzte Überlebenschancen.
Das sind gravierende Probleme, aber sie betreffen nur einen bestimmten Typus politischer Parteien. Alle Parteien sind Interessensverbände und Koalitionen, aber bei der Labour-Regierung, den Tories, Reform UK und den Liberaldemokraten gibt es ein Interesse, das überwiegt – das des Kapitals. Was sie anbieten, sind also Variationen eines Themas. Die Frage ist, wer das ihnen gemeinsame Interesse am besten vertreten kann. Im Falle Labours und der Tories geht es dabei um die Gestaltung der Klassenverhältnisse, von denen der britische Kapitalismus abhängt.
Um sicherzustellen, dass sie auf dem richtigen Weg sind, schmiegen sich die führenden Persönlichkeiten dieser politischen Parteien so eng wie möglich an die Interessen der Wirtschaft. Es braucht keine Parteimitglieder als Vermittler von Interessen, wenn Mittagessen und private Treffen diese Aufgabe übernehmen. Im Falle der Labour Party ging diese Nähe zum Kapital mit Angriffen auf und der Abschaffung von Demokratie, satzungsgemäßen Verfahren und rechtmäßigen Entscheidungen innerhalb der Partei einher.
Dies führt zu einer Politik, bei der Handlungsfähigkeit und Wirksamkeit allein in die Parteispitzen investiert werden. Damit wird der bürgerlichen Politik ein Modell dafür geboten, wie sie zu funktionieren hat. Dies entspricht dem Prisma, durch das Oxley als politischer Journalist des Mainstreams die Parteipolitik betrachtet.
Das ist jedoch nicht der prägende Ansatz der neuen Partei. Nach seinem Sieg im letzten Jahr argumentierte Corbyn, dass er seine Rückkehr ins Unterhaus seiner Verankerung in den vielen Communities seines Wahlkreises und deren Macht zu verdanken habe. Angesichts der Spaltungen innerhalb der Labour Party und der vielfältigen früheren letztlich erfolglosen Bemühungen um den Aufbau einer Alternative hatte er zunächst gezögert, sich auf eine neue Partei festzulegen, solange es keine starke Basis und keine Ausrichtung gab, die tiefe Wurzeln in unserer Klasse schlagen könnte.
Wie viele andere fand auch ich diese Zurückhaltung frustrierend. Um eine neue Organisation zu gründen, braucht es jedoch jemanden mit sozialem Gewicht wie Corbyn, der den ersten Schritt macht und als Katalysator wirkt. Vielleicht wurde er dazu gedrängt, bevor er dazu bereit war, aber jetzt ist die Entscheidung gefallen und die Zahlen sprechen für sich.
Als Labour-Chef brachte Corbyn die Labour Party mit dem Corbynismus an ihre Grenzen und war kurz davor, über sie hinauszuwachsen – was seine Kontrahenten als Bedrohung sahen. Er versuchte, die Partei vor Ort und in den sozialen Bewegungen zu verankern, um sie nicht nur dem Namen nach, sondern auch inhaltlich zur Partei der Arbeiterklasse zu machen. Es ist ermutigend, dass Corbyn die neue Partei nicht auf dem Wahlkampfdenken einer Art Labour Party der zweiten Generation, sondern auf dem Modell der kollektiven Macht aufbauen will.
Das bisherige Mainstream-Modell der Politik könnte hier durchbrochen werden. Wenn die neue Partei bei ihrer Gründung schnell einige hunderttausend Mitglieder gewinnt, kann sie, wie bereits vor einiger Zeit angemerkt, als Organisation zu einem politischen Faktor werden. Nicht, weil sie Heerscharen von Wahlhelfern aufbieten kann – wenngleich das hilfreich wäre –, sondern aufgrund ihres sozialen Gewichts. Wenn sie ihre Energie in die Arbeit in den Betrieben und in den Communities steckt und sich dort verankert, gewinnt sie das Vertrauen der Menschen. So schafft sie lebendige Beziehungen zwischen den Mitgliedern, den Aktivist*innen und unserer Klasse insgesamt.
Sie wird zu einer Partei, die den Alltag der einfachen Menschen lebt, denn die Partei, das sind sie selbst. Die Partei braucht keine starke Führungsperson, denn ihre Aufgabe ist es, Hunderttausende von sich selbst hervorzubringen. Diese Menschen stehen nicht über ihnen und sind nicht von ihnen getrennt, wie es Labour-Politiker tun. Sie sind nicht zu unterscheiden. Ihre Führungsrolle ergibt sich aus der Organisation und dem Aufbau von Institutionen, die unsere Leute zusammenbringen. Dies ist nicht nur der beste, sondern auch der einzige praktikable Weg, um mit dem Labourismus zu brechen und die Gesellschaft zum Besseren zu verändern.
Die Partei als substanzielles Kollektiv, als Teil und Vehikel unserer Klasse – das ist ihr Potenzial unter den gegenwärtigen Umständen. Zwar wird es Auseinandersetzungen und Probleme geben, doch der Gründungsaufruf kommt zum richtigen Zeitpunkt. Die Labour Party hat in ihrer Regierungszeit kläglich versagt und ihre eigene Basis angegriffen, wie es alle Labour-Regierungen getan haben. Das Land ist von einer Unzufriedenheit durchdrungen, mit der die derzeitigen Parteien nichts anfangen können.
Für die neue Partei sind folgende Entwicklungen von entscheidender Bedeutung: Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre in der Politik der Labour Party, die explosionsartige Ausweitung von Massendemonstrationen und die Zunahme von Arbeitskämpfen haben dazu geführt, dass die Reihen der politisch engagierten und erfahrenen Aktivistinnen und Aktivisten wachsen.
Diese suchen nach Möglichkeiten, ihre Kräfte zu bündeln. Die Auseinandersetzungen um den Parteivorsitz der Labour Party im Jahr 2015 und die folgenden internen Konflikte um Führung und Ausrichtung der Partei waren ein Wendepunkt in der Politik dieses Landes. Diese neue Partei könnte ein weiterer Wendepunkt sein.
Phil Burton-Cartledge ist Dozent für Soziologie an der Universität von Derby und Autor der Studie »The Party’s Over. The Rise and Fall of the Conservatives from Thatcher to Sunak«. Sein hier dokumentierter Beitrag (Übersetzung: Hinrich Kuhls) erschien zuerst am 28.7.2025 auf seinem Blog All That Is Solid… unter dem Titel The Case for Cautious Optimism.













