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376 Seiten | Hardcover | EUR 29.80
ISBN 978-3-96488-121-2

15. März 2019 Bernhard Sander

NRW droht konjunkturelle Abkühlung

Copyright: Free-Photos

Die Wirtschaft des Bundeslandes geht mit gedämpften Erwartungen in das Jahr 2019. Sowohl das letzte Quartal des vergangenen Jahres als auch das erste Quartal 2019 zeigen eine deutliche Konjunkturdelle.

Die weltwirtschaftlich dämpfenden Faktoren sind
•    die ungeklärte Form des Brexit, die zwar zu Vorratskäufen motiviert, aber auch zu Verlagerungen der Lieferketten;
•    die protektionistisch ausgerichtete Handelspolitik der USA, die ebenfalls gewachsene Lieferbeziehungen durch Handelserschwernisse und Zölle beschädigt;
•    die durch Austeritätspolitik bewirkte Importschwäche der EU-Staaten;
•    die Abgaskrise der Automobilindustrie, die Produkte nordrheinwestfälischer Hersteller im globalen Wettbewerb schwächt;
•    die durch den Handelskonflikt mit den USA und Verschuldungsprobleme schwächelnde chinesische Binnenkonjunktur dämpft die Nachfrage im europäischen Raum;
•    unter den globalen Faktoren ist die lange Trockenperiode, vor allem das Niedrigwasser der Transportader Rhein, ebenfalls als negativer Einfluss auf die wirtschaftliche Dynamik zu sehen (16% weniger Güterumschlag an nordrheinwestfälischen Häfen).

Mit Verspätung hat nun die Landesregierung ihre vom RWI erarbeitete Konjunkturprognose vorgelegt (1). In NRW kann nach der großen Finanz- und Wirtschaftskrise von einem ausgeprägten Konjunkturzyklus kaum die Rede sein, die BIP-Zuwächse blieben im Verlauf der Jahre nach 2011 klar unter 2%. Wichtig ist dabei, dass auch der Abstand der Wachstumsraten zum übrigen Bundesgebiet nicht aufgehoben werden konnte.

Während die Industrieproduktion in NRW erst im Laufe des Jahres 2017 Fahrt aufnahm und merklich über das Niveau von 2015 anstieg, sackte die Produktionsgüter-Produktion sogar noch deutlich unter das Niveau von 2015. Quasi erst am Ende des Konjunkturzyklus zog der Index der Investitionsgüter deutlich an, überholte sogar den Index von Gesamtdeutschland, weil auch erst in diesen letzten zwei Jahren die Weltkonjunktur ein bisschen mehr Fahrt aufnahm.

Der Index der Vorleistungsprodukte senkte sich bereits ab 2017 wieder auf das Ausgangsniveau von 2015, in NRW sogar noch wesentlich deutlicher als für das übrige Deutschland. Diese Abwärtsbewegung hat mit der in NRW stark vertretenen Grundstoffindustrie zu tun, die quasi der Konjunkturabkühlung vorausläuft.

Der Index der Auftragseingänge aus dem Ausland fiel vom Spitzenwert 115 (2017) auf 105 im abgelaufenen Jahr. Damit steht zu erwarten, dass die Industrieproduktion in NRW im begonnen Jahr ebenfalls deutlich abwärts gerichtet ist (mit den entsprechenden Folgen für weiteren Beschäftigungsaufbau). Der Abstand zum Index für Gesamtdeutschland vergrößert sich wieder, NRW fällt weiter zurück. Die hohe Exportabhängigkeit bleibt Achillesferse des Bundeslandes.

Ein erfreulich anderes Bild zeigt die Binnenkonjunktur. Der Index der Bauproduktion steigt um 20 Punkte und hat damit eine größere Dynamik als der Index des restlichen Landes (110). Dahinter verbirgt sich der enorme Investitionsstau in den Kreisen und Kommunen, der durch einige Bundesprogramme und begünstigt durch die lange Niedrigzinsphase zum Teil abgebaut werden kann. Dazu kommt die durch die Zuwanderung und Binnenwanderung infolge Mietpreissteigerung getriebene Nachfrage nach Wohnraum (Eigentumsbildung). Sowohl die staatlich als auch die private Nachfrage nach Bauleistungen führt im kleineren Teil zu Beschäftigungsaufbau und im überwiegenden Teil zu Preisschüben. Im Gegensatz zum Bundesgebiet sinkt der Auftragseingang der Bauwirtschaft im vergangenen Jahr aber schon wieder deutlich.

Dieser Nachfrageimpuls durch die finanzielle Entlastung der Kommunen lässt sich konkretisieren:
•    Bei der Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung sowie Kosten der Unterkunft sieben Mrd. Euro pro Jahr, davon ca. ein Fünftel nach NRW, werden die kommunalen Etats entlastet.
•    Es gibt Zuschüsse des Bundes für finanzschwache Kommunen im Schulbau in Höhe sieben Mrd. Euro bis 2020, davon ein knappes Drittel nach NRW.
•    Der Bundesverkehrswegeplan stellt bis 2030 20% der Mittel für Projekte in NRW ab, leider vorwiegend im Straßenbau.
•    Baukindergeld, das vor allem die Eigentumsbildung von Besserverdienenden befördert.

Es ist also nicht das Verdienst der schwarz-gelben Landesregierung, dass die Binnenkonjunktur anzog, der keynesianische Impuls kam eher von der Bundesebene. Leider wird der Konjunktureffekt, der in den kommenden zwei Jahren wohl noch anhält, durch den Preisanstieg (Hochbau 5%, Tiefbau 7%) teilweise wieder aufgefressen, was die Investitionsprojekte der Kommunen zu erheblichen Nachschüssen zwingen und neue Projekte dämpfen wird.

Da die Industrieproduktion angezogen hat, konnten auch die unternehmensbezogenen Dienstleistungen ihren Umsatz und ihre Beschäftigung steigern. Zu diesem Zweig gehören mit einem Viertel der Beschäftigten auch der Verkehr und die Lagerwirtschaft, also die amazon, zalando usw. Ähnliches gilt für den Zuwachs im Einzelhandel, der von den Konsummöglichkeiten, also Lohnzuwächsen lebt.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den gesamten Dienstleistungsbranchen stieg im vergangenen Jahr um 2,7% (nach 3% in 2018). Sogar der seit Jahren unter der sogenannten Sparpolitik leidende öffentliche Sektor baute Beschäftigung auf (+2,7% gegenüber dem Vorjahr), was teilweise neuen Aufgaben im Bereich der Migration, aber auch der Pflege zugute geschrieben werden muss. Mehr Jobs im öffentlichen Dienst bedeuten mehr private Nachfrage.

Als erstes Handicap sind gleichwohl die Mehrzahl der Beschäftigungsverhältnisse als prekär zu bezeichnen. Immer mehr Arbeitnehmer*innen in Nordrhein-Westfalen haben neben ihrer Hauptbeschäftigung einen Nebenjob. Zwischen Juni 2010 und Juni 2017 stieg die Zahl der Mehrfachbeschäftigten um 27% auf mehr als 700.000. Häufig wird dabei eine sozialversicherungspflichtige Hauptbeschäftigung mit einem geringfügig entlohnten Nebenjob kombiniert. Besonders verbreitet ist dies bei Frauen, Ausländern und Arbeitnehmern unter 25 Jahren. (2)

Zweites Handicap: Die Beschäftigung ist oftmals eher schlechter bezahlt, vor allem in den Dienstleistungsbranchen. Damit sind die Nachfragekräfte geringer als aus der Industriebeschäftigung. Für das Ruhrgebiet gibt es dafür folgende Anhaltspunkte (3): Die Gesundheitswirtschaft als größter Arbeitgeber hat ihren Vorsprung zur Industrie leicht ausgebaut. Sie beschäftigte 340.756 Menschen, das sind 19,5% aller Stellen im Revier. Die Industrie im Ruhrgebiet (mit starken Standbeinen in Duisburg, Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis) ist wieder im Aufwind mit 330.309 Mitarbeiter*innen (18,9% aller Beschäftigten). Als Beschäftigungsmotor erwies sich einmal mehr die Mobilitätsbranche mit der wachsenden Zahl von Logistikanbietern, die 175.593 Arbeitsplätze zählen. Das entspricht einem Plus von 4,6%. Dabei gibt es offenbar regionale Sonderentwicklungen: »Die Industrie im Ruhrgebiet erwirtschaftete zuletzt ein Umsatzplus von zwölf Prozent auf 73,67 Milliarden Euro, während die Gesundheitswirtschaft einen Umsatzeinbruch um 11,3 Prozent auf 17,82 Milliarden Euro hinnehmen musste.«

Drittes Handicap: NRW ist der Sitz zahlreicher Einzelhandelsketten, die durch Digitalisierung, Online-Handel usw. aber auch durch aktivistische Fonds vor erheblichen Umstrukturierungen stehen. Der damit verbundene Beschäftigungsabbau wird nur zum Teil durch die neue Logistikinfrastruktur der Online-Händler kompensiert werden können.
Infolge der guten Konjunktur entwickelte sich auch der Arbeitsmarkt positiv. So nahm die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres um 2,4% zu. Aber die Zahl der Arbeitslosen sank nicht so stark wie im übrigen Deutschland.
Größte Herausforderung bleibt der Anteil der Langzeitarbeitslosen (41,6%), der nur im Bundesland Bremen höher lag. Auf die hohen regionalen Unterschiede muss in diesem Zusammenhang immer wieder hingewiesen werden. Es gibt Arbeitsamtsbezirke mit nahezu leergeräumten Arbeitsmärkten aber auch nach wie vor verfestigte hohe Arbeitslosigkeit bspw. im Ruhrgebiet. Hier wird viel davon abhängen, wie stark sich die Kommunen bei der Umsetzung des Bundesprogramms für den sozialen Arbeitsmarkt einsetzen.

Fazit: Das RWI rechnet in seinem Jahresgutachten für die Landesregierung nicht mit einer Rezession, sondern mit einem moderaten Wachstum von 1,1% des BIP und damit knapp unter dem deutschen Durchschnitt von 1,5%. Allerdings werden die Prognosen für Deutschland derzeit laufend revidiert. Anfang März 2019 rechnete die OECD nur noch mit einem Gesamtwachstum von 0,7% für Deutschland (November-Projektion 1,6%) im laufenden Jahr. Die weltmarktbedingten Risiken steigen (4)

Das RWI gibt sich mit der Prognose von 1,7% zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen ausgesprochen optimistisch, während die Arbeitslosenquote auf landesweit 6,4% sinken soll.

Auf die skizzierten Risiken sollte man politisch vorbereitet sein. »Chaotischer Brexit, Handelsstreit mit den USA, starke konjunkturelle Abkühlung in China – Es überrascht nicht, dass sich auch in deutschen Unternehmen die Stimmung eingetrübt hat und die Rezessionswahrscheinlichkeit merklich angestiegen ist. Sowohl die Konjunkturprognostiker als auch die Bundesregierung haben ihre Vorhersagen für 2019 bereits merklich nach unten revidiert. Zugleich werden die ersten Vorschläge diskutiert, ob und wie man dem zu erwartenden Abschwung fiskalpolitisch begegnen solle. Die altbekannten Rezepte liegen alle wieder auf dem Tisch: Sie reichen von der Empfehlung, überhaupt nicht zu reagieren, über Steuersenkungen bis hin zu verstärkten öffentlichen Investitionen.«(5) Bei Einsetzen eines Abschwungs gelte es, »keine Zeit durch Grundsatzdebatten zu verlieren, sondern bereits eine klare Handlungslinie vor Augen zu haben. … Dabei kann man auf die Erfahrungen zurückgreifen, die während der Finanzmarktkrise und der nachfolgenden Krisen gesammelt wurden, und die mittlerweile Gegenstand vielfältiger wissenschaftlicher Auswertungen sind.«

Deutschland erreichte dank der stimulierenden Wirkung der Konjunkturpakete während der Finanzmarktkrise einen deutlich höheren Wachstumspfad als erwartet. Umgekehrt fiel der Einbruch der Kapazitäten in Griechenland (und abgeschwächt in anderen Mitgliedsstaaten) während der Eurokrise aufgrund der Austeritätspolitik sehr viel tiefer aus als erwartet.

(1)  Falls nicht anders vermerkt, stammen alle Angaben aus dieser Quelle https://www.wirtschaft.nrw/sites/default/files/asset/document/konjunkturbericht_nrw_2019-1_0.pdf
(2)  WDR 22.10.2018.
(3)  https://www.wr.de/wirtschaft/wirtschaft-in-nrw/beschaeftigungsboom-im-ruhrgebiet-gesundheitsbranche-vorn-id216593423.html.
(4)  www.oecd.org/eco/outlook/economic-outlook/.
(5)  Sebastian Gechert, Gustav A. Horn und Christoph Paetz https://makronom.de/warum-die-bundesregierung-ein-konjunkturprogramm-vorbereiten-sollte-30021

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