17. Juli 2012 Ulrich Bochum: Die Auto-Nachfrage geht in ganz Europa zurück
Opel mal wieder am Abgrund
Die letzte Opel-Krise ist gerade einmal drei Jahre her. Damals stand der Verkauf des Automobilbauers aufgrund der Insolvenz des US-Mutterkonzerns General Motors (GM) bevor. Als Investoren hatten der kanadische Zulieferer Magna und die russische Sberbank ihren Hut in den Ring geworfent. Im letzten Moment rückte GM von den Verkaufsabsichten ab und behielt Opel im Konzern.
Während sich GM in den USA recht schnell erholte, 20 Montagewerke schloss, tausende von Beschäftigten entließ und 50 Mrd. US-Dollar von der amerikanischen Regierung vereinnahmte, machten die europäischen Werke von Opel/Vauxhall weiter Verluste. Der Marktanteil von GM-Europe sank in den letzten fünf Jahren um 2%.
In den ersten fünf Monaten des Jahres 2012 sind die PKW-Neuzulassungen insgesamt um 7,7% zurückgegangen, die von Opel/Vauxhall jedoch um 15,6%. In ähnlicher Größenordnung sanken die Neuzulassungen der PSA-Gruppe (Peugeot/Citroën), noch stärker gingen die der Fiat- (17%) und der Renault-Gruppe (19,4%) zurück. Zuwächse verzeichneten die süd-koreanischen Hersteller Hyundai und Kia. Die deutschen Hersteller VW, Daimler, BMW) mussten bei den Neuzulassungen nur leichte Verluste hinnehmen, Daimler legte sogar leicht zu.
Die vom Europäischen Verband der Automobilhersteller (ACEA) vorgelegten Zahlen zeigen weiterhin, dass die Absatzmärkte in den ersten 5 Monaten des Jahres 2012 im Vergleich zur Vorjahresperiode in Spanien um 7,3%, in Italien um 18,9% und in Frankreich um 17,2% schrumpften. Damit liegen die Auswirkungen der europäischen Sparprogramme klar zu Tage: In den europäischen Krisenländern kontrahiert die Nachfrage so stark, dass sie unmittelbar auf die industriellen Produktionskapazitäten durchschlägt.
Das ist die eine Seite, die in den Pressekommentaren jedoch kaum zur Kenntnis genommen und bewertet wird. Im Fall Opel kommen interne Probleme hinzu. Die Stellung Opels im GM-Konzern ist hoch umstritten. Opels Marktstellung wird bewusst auf Europa begrenzt, die boomenden Absatzmärkte in anderen Weltregionen stehen nicht zur Verfügung. Hinzu kommt eine Kannibalisierung der Marke innerhalb des GM-Konzern durch die US-Marke Chevrolet, die bei den Neuzulassungen deutlich zulegen konnte und vor allem von Montagewerken in Osteuropa aus die europäischen Kernmärkte beliefert.
Die Strategie des gefeuerten Opel-Managers Stracke beruhte auf einer zeitlich gestreckten Sanierung, die in einer Übergangsperiode bis zum Jahr 2016 ohne Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen auskommen und mit Investitionen in neue Modelle die Stellung Opels konsolidieren wollte. Zeit und Geduld gehören aber nicht zu den Tugenden des amerikanischen Managements, »die Führung von GM ist daran gewöhnt, dass Veränderungen schneller passieren als das in Europa der Fall ist«, meinte ein amerikanischer Analyst.
Die IG Metall besteht darauf, dass der erst vor wenigen Wochen ausgehandelte Sanierungsplan eingehalten wird und kündigt an, Werkschließungen so teuer wie möglich zu machen. Opel hat seit 2009 die Kapazitäten in Europa durch die Schließung des Werks in Antwerpen und den Verkauf von Saab verringert. Die Werke in Deutschland sind aufgrund der zurückgehenden Nachfrage nicht ausgelastet und produzieren Verluste.
Diese Situation bringt weitere Standortschließungen und Konzentration der Produktionskapazitäten auf die Agenda. Neu ist, dass nicht nur das Werk in Bochum, sondern auch das in Eisenach gefährdet ist.
Unter den Bedingungen des Sanierungsplans hätte man bis 2016 Zeit gehabt, strukturpolitische Alternativen zu entwickeln. Es steht zu befürchten, dass diese Zeit nicht mehr zur Verfügung steht. Von der Politik ist in diesem Zusammenhang wenig zu erwarten. Dabei bauen die Opelaner gute Autos und haben mit dem Ampera sogar ein Elektrofahrzeug, das die deutschen Hersteller erstmal auf den Markt bringen müssen.
Auch die französischen Hersteller stehen vor größeren Kapazitätsanpassungen. Wenn es stimmt, dass PSA monatlich einen Verlust von 200 Mio. € einfährt, dann ist das auf Dauer nicht durchzuhalten. Die Ankündigung der neuen sozialistischen Regierung, einen Entwicklungsplan für die französische Automobilindustrie vorzulegen, darf man mit Spannung entgegen sehen.