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16. Februar 2019 Joachim Bischoff: Donald Trump verkündet nationalen Notstand

»Pure Verachtung für den Rechtsstaat«

US-Präsident Donald Trump hat mit Verweis auf die Situation an der Grenze zu Mexiko den nationalen Notstand ausgerufen. In Washington unterzeichnete er eine entsprechende Notstandserklärung: »Andere Präsidenten haben den Notstand für viel weniger erklärt.«

Er sprach von einer »Invasion«, der die USA ausgesetzt seien. »Wir reden von einer Invasion«, sagt er. »Wir reden von Drogen, Menschenschmugglern, allen möglichen Kriminellen und Banden.« Trump hatte immer wieder klargemacht, dass die bauliche Absperrung gegenüber Mexiko gebaut werde, koste es, was es wolle. Sie war in seinen Augen der wichtigste Programmpunkt seines Wahlkampfs, und er glaubt offensichtlich, dass die praktische Umsetzung von großer Bedeutung für seine Wiederwahl sein wird.

Deshalb griff er zu dem lange von ihm angedrohten Mittel und rief an der Südgrenze den Notstand aus. Dies soll ihm erlauben, aus verschiedenen Finanzquellen rund acht Mrd. US-Dollar für sein »Mauerprojekt« umzuleiten.

Beide Kongresskammern hatten sich zuvor auf einen Budgetentwurf geeinigt, der u.a. auch Mittel in Höhe von 1,38 Mrd. US-Dollar für einen Stahlzaun auf einer Strecke von 55 Meilen im Rio Grande Valley vorsieht. Verpackt ist diese Regelung zur Grenzsicherung in ein Haushaltsgesetz, das nach Auslaufen des dreiwöchigen Übergangshaushalts die Finanzierung jener Bundesbehörden sicherstellt, die von dem 35 Tage andauernden »Shutdown« betroffen waren.

Der Kongress – vor allem die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus – weigert sich seit mehreren Monaten, dem Präsidenten die finanziellen Mittel für das »Mauerprojekt« zu bewilligen. Trump hätte den Kompromiss des Kongresses erneut verwerfen können, was noch einmal einen »Stillstand« von größeren Teilen der Administration bedeutet hätte. Das Haushaltsgesetz sieht mit 1,38 Mrd. US-Dollar (rund 1,22 Mrd. Euro) deutlich weniger Geld für den Bau eines Grenzwalls vor, als vom Präsidenten verlangt. Der hatte zuletzt 5,7 Mrd. US-Dollar gefordert, also mehr als das Vierfache. Deshalb will er im Rahmen des »Notstandes« Geld aus anderen Etattiteln umwidmen. Statt die Finanzhoheit des Kongresses und die geringeren Mittel für die Grenzsicherung zu akzeptieren, versucht Trump nun mit der Ausrufung des Notstands ein verfassungsmäßiges Recht des Kongresses auszuhebeln.

US-Medien zufolge rechnet Trump damit, auf diesem Weg rund acht Mrd. US-Dollar zusammenzubekommen. Allein sechs Mrd. US-Dollar sollen aus aus dem Etat des Verteidigungsministeriums entnommen werden: Das Geld ist eigentlich zur Bekämpfung des Drogenproblems und für Bauprojekte des Militärs vorgesehen. Im Wahlkampf hatte Trump noch behauptet, dass Mexiko für den von ihm versprochenen Bau der Mauer zahlen werde.

Nach Ansicht vieler Kongresspolitiker wird diese »Mauer« die illegale Einwanderung und die damit verbundenen Probleme nicht lösen. Es handelt sich für viele Politiker*innen um eine Verschleuderung von Ressourcen. Jetzt steht ein Verfassungskonflikt auf der Tagesordnung: Artikel 1 der amerikanischen Verfassung spricht dem Kongress eindeutig die Budgethoheit zu (»Power of the Purse«).

Der National Emergency Act von 1976, auf den sich Trump beruft, definiert nicht genau, was ein Notstand ist. Das Gesetz wurde ungefähr 50 Mal angewendet, ohne dass es je zu einem Konflikt mit dem Kongress kam. Einen landesweiten Ausnahmezustand, bei dem Grundrechte außer Kraft gesetzt werden, bedeutet dieser Akt nicht. Der Schritt gibt Trump aber weitreichende Befugnisse der Umschichtung von Haushaltsmitteln.

Der Kongress hätte theoretisch die Möglichkeit, eine Notstandserklärung mit einer Resolution (»Joint Resolution«) anzufechten. Die Resolution müsste von beiden Kammern verabschiedet werden. Legt Trump sein Veto dagegen ein, könnte der Kongress dieses noch überstimmen. Dazu bräuchte es aber sowohl im Repräsentantenhaus, in dem die Demokraten die Mehrheit haben, als auch im republikanisch dominierten Senat eine Zwei-Drittel-Mehrheit.

Trump äußerte in seiner Rede selbst die Erwartung, dass der Streit um seine Notstandsdeklarierung letztlich vor dem Obersten Gericht landen wird. Eine Klagewelle dürfte in jedem Fall auf die Regierung zurollen. Beim Thema Mauer haben die Demokraten, die seit Jahresbeginn im Abgeordnetenhaus den Ton angeben, dem aktuellen Präsidenten die Grenzen seiner Macht aufgezeigt.

Von einer Betonmauer ist seit längerem keine Rede mehr, lediglich von physischen Barrieren. Auf knapp 90 Kilometern Länge sollen neue oder stabilere Zäune errichtet werden, hauptsächlich in Texas. In diesem Punkt hat sich die Opposition eindeutig durchgesetzt, zumal die für das Zäune-Aufstellen geplante Summe nur marginal über dem Betrag liegt, den sie Trump zu Beginn des Tauziehens zugestehen wollte.

Um wiederum die Konservativen das Gesicht wahren zu lassen, soll die Border Patrol aufgestockt werden. An den Grenzübergangsstellen, an denen Drogenschmuggler das Gros ihrer Ware getarnt in Lkws und Pkws ins Land bringen, soll die Durchleuchtungstechnik verbessert werden. Neue Flugzeuge werden angeschafft, neue Radargeräte installiert.

Nancy Pelosi, die »Sprecherin« des Repräsentantenhauses, und Chuck Schumer, der Minderheitsführer im Senat, sprechen von einem »rechtswidrigen Akt«, einem »eklatanten Machtmissbrauch« durch den Präsidenten – und einem verzweifelten Versuch Trumps, davon abzulenken, dass er sein Wahlversprechen, Mexiko für die Grenzmauer zahlen zu lassen, gebrochen habe. Sie appellieren an die Republikaner im Kongress, gemeinsam die Verfassung und das System der »checks and balances« zu verteidigen. Das weitere Verfahren – abgesehen von Klagen gegen die Administration: Die Notstandserklärung durch den Präsidenten soll in der ersten Kammer, in der die Demokraten die Mehrheit haben, angefochten werden. Die Zuspitzung durch Trump wird mithin eine weitere Vergiftung des politischen Klimas in den USA bewirken.


Erneuerung alter und neue Grenzbefestigungen

Die Demokraten haben die Errichtung der bestehenden Grenzzäune früher durchaus befürwortet. 3.145 Kilometer lang ist die Landgrenze zwischen den USA und Mexiko. Sie ist die meistüberquerte Grenze der Welt, jeden Tag passieren sie legal über eine Million Menschen in die eine oder andere Richtung. Bereits über 1.000 Kilometer, also knapp ein Drittel der ganzen Grenze, sind mit Mauern und Zäunen gesichert. Der größte Teil wurde basierend auf dem »Secure Fence Act« errichtet, der 2006 unter Präsident George W. Bush verabschiedet wurde.

Im Kongress stimmten die damaligen demokratischen Senatoren Barack Obama, Hillary Clinton sowie der jetzige Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, für die Vorlage. Sie taten dies in der Erwartung, dass in einem zweiten Schritt eine große Einwanderungsreform umgesetzt würde. Dies scheiterte dann aber im Kongress. Neben den Befestigungen kommen Patrouillen, Sensoren und Überwachungskameras zum Einsatz.

 

2017 und 2018 bewilligte der Kongress insgesamt 1,7 Mrd. US-Dollar für die Erneuerung alter Grenzbefestigungen und den Bau von 200 Kilometern neuer Zäune. Für die Befestigungen dürften nur bereits bestehende Bautypen verwendet werden, Trumps Prototypen waren tabu. Von den bewilligten zusätzlichen 200 Kilometern wurden die Zäune auf 64 Kilometern bereits errichtet oder befinden sich im Bau. Eine Grenzmauer ist an den unwegsamen Stellen entweder schwer realisierbar oder unnötig, weil das Terrain für Migrant*innen kaum passierbar ist. Das betont auch Trump, wenn er begründet, weshalb die Mauer sich nicht über den gesamten Grenzverlauf erstrecken müsse.

Ein weiterer Grund für die Teilerrichtung von Befestigungsanlagen sind die Landbesitzverhältnisse. Die bestehenden Barrieren in den Teilstaaten Kalifornien, Arizona und New Mexico befinden sich auf Land in Staatsbesitz. In Texas hingegen sind die Eigentümer des Grenzlandes meist Private. Ein Teil der Prozesse zur Enteignung von Landbesitzern sind bis heute nicht abgeschlossen. Neben Klagen von Privaten, Unternehmen, Gemeinden und Umweltorganisationen muss die Regierung auch mit Klagen von Indigenenorganisationen rechnen.

 

Die aktuelle Weigerung der Demokraten, an einem martialischen Ausbau der Grenzbefestigung mitzuwirken, erklärt sich auch daraus, dass die illegale Einwanderung aus dem südlichen Nachbarland deutlich zurückgegangen ist. Hauptgrund für diese Entwicklung ist nicht die stärker geschützte Grenze, sondern dass Mexiko seinen Landsleuten inzwischen bessere wirtschaftliche Perspektiven bietet und damit die Emigration in die USA weniger attraktiv wird. Dies zeigt sich auch daran, dass in den letzten Jahren mehr Mexikaner*innen aus den USA ausgewandert sind als in die USA eingewandert.

Trump behauptet, eine Mehrheit der Amerikaner*innen unterstütze den Mauerbau. »Ich habe noch nie so viel Support gehabt«, sagte er Anfang Januar. Bei Befragungen sprachen sich allerdings rund 55% der Teilnehmer*innen gegen die Mauer aus. Viele Grenzexperten sind gegenüber dem Projekt kritisch, weil sie es für ineffektiv und politisch gefährlich halten. Der republikanische Abgeordnete Will Hurd, dessen Wahlkreis in Texas an Mexiko grenzt, nennt die Mauer »eine Lösung aus dem 3. Jahrhundert für ein Problem des 21. Jahrhunderts«. Die Demokraten verfolgen mehrheitlich eine andere Migrationspolitik. Ihnen ist neben einer geregelten Migration insbesondere daran gelegen, das Daca-Programm (»Deferred Action for Childhood Arrivals«) zu erhalten, das Einwanderer, die als Kinder illegal in die USA gebracht wurden, vor der Abschiebung schützt.

Die von Trump populistisch hochgespielte »Sicherheitskrise« an der Grenze wird zudem durch die Migrationsbewegung nicht gestützt. Die meisten papierlosen Immigrant*innen in den USA sind nicht über die Grenze geschlichen, sondern mit einem Visum legal ins Land gelangt, aber nach dessen Ablauf nicht ausgereist. Die Grenzpatrouillen griffen im Fiskaljahr 2018 (bis Ende September) 521.000 illegal Eingewanderte auf. Das sind 25% mehr als im Jahr davor, aber 30.000 weniger als im letzten Jahr der Präsidentschaft von Barack Obama. Im Vergleich zum Spitzenjahr 2000 (1644.000 Festnahmen von Migrant*innen an der Südgrenze) ist die Zahl um Zwei Drittel zurückgegangen.

Auch die zeitweilige Verlegung von Armee-Einheiten an die südliche Grenze war eher ein populistisches Manöver. Aktuell patrouillieren mehr als 16.000 Beamt*innen an der Grenze. Zudem kommen Drohnen, Kameras und andere Überwachungstechnologien zum Einsatz. Bei den technologischen Hilfsmitteln handelt es sich um militärische Geräte, die in Afghanistan und im Irak zum Einsatz kamen und an der amerikanischen Südgrenze wiederverwendet werden.

Trump behauptet, die Mauer und die begleitenden Repressionsmaßnahmen würden Millionen von Leben retten und Milliarden von US-Dollar Kosten sparen. Die Mauer war sein zentrales Thema im Wahlkampf und auch nach seiner Wahl hält er daran bis zur Verfassungskrise fest. Ein wichtiger Hintergrund ist, dass der rechtspopulistische Präsident immer stärker von den »Rechten« in den USA unter Druck gesetzt wird. Der »Freedom Caucus« – ein Zusammenschluss erzkonservativer Abgeordneter der Republikanischen Partei im Repräsentantenhaus – macht mobil und drängte den Präsidenten, den Notstand auszurufen.

Die rechtskonservative Kolumnistin und Autorin Ann Coulter verhöhnte Trump täglich für einen Mauerbau, »den es nie geben wird«. Das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. In seiner Rede zur Lage der Nation, die er vor zehn Tagen hielt, erneuerte Trump seine Forderung nach einer Grenze zu Mexiko und stellte das Thema in den Mittelpunkt: »Mauern funktionieren, und Mauern retten Leben«.

Die illegale Zuwanderung und der Drogenschmuggel über die Südwestgrenze haben allerdings nur in den rechten Weltbildern das Ausmaß einer nationalen Krise erreicht. Trump lässt kein Mittel aus, seine rechten Visionen umzusetzen. Er greift auch zur Verletzung der demokratischen Rechtsordnung, um ein Wahlversprechen umzusetzen, das die Hälfte der US-Bevölkerung für ausgemachten Unsinn hält.

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