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26. September 2022 Joachim Bischoff/Klaus Bullan: Georgia Meloni und die »Fratelli d’Italia« als Siegerinnen der Parlamentswahlen

Rechts-Bündnis übernimmt die Macht in Italien

In Europa fällt ein weiteres EU-Mitgliedsland an eine politische Formation der Rechten. Vor wenigen Tagen haben die rechtspopulistischen Schwedendemokraten die Niederlage eines linken Regierungsbündnisses eingeleitet. Jetzt hat Georgia Meloni von den »Fratelli d’Italia« mit einem Rechtsbündnis einen Erdrutschsieg errungen und wird mit Berlusconis »Forza Italia« und Matteo Salvinis »Lega« ein rechtes Kapitel in der italienischen Republik aufschlagen (siehe Abb. 1)

Die »Brüder Italiens«, bei der letzten Parlamentswahl 2018 noch eine Kleinpartei mit 4%, sind nun mit 26% stärkste Partei in Italien geworden. Matteo Salvini und Silvio Berlusconi haben dagegen schwere Rückschläge für ihre Parteien hinnehmen müssen. Die Lega kommt auf rund 9%, 2018 hatte sie bei den Parlamentswahlen 17% der Stimmen bekommen und bei den Europawahlen 2019 einen Spitzenwert von 34% erreicht. Berlusconis Forza Italia kommt auf etwa 8%, das ist ein Rückgang um weitere sechs Prozentpunkte gegenüber den Wahlen 2018.

Trotz dieser Einbußen haben »Lega« und »Forza Italia« zusammen mit Melonis Partei eine stabile Regierungsmehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Dies obwohl das Bündnis zusammen nur etwa 44% der Stimmen erhalten hat (siehe Abb. 2). Der Grund: Der Frontalangriff gegen das linke Lager wurde von einer deutlichen Mehrheit der Wahlbevölkerung unterstützt.

Die Parteien der bürgerlichen Mitte und der zersplitterten Linken konnten sich nicht auf eine Wahlallianz verständigen. Die sozialdemokratische Demokratische Partei (Partito democratico, PD) und das Movimento 5 Stelle (5 Sterne Bewegung), sind als selbständige Parteien angetreten und mussten wegen des 2018 eingeführten gemischten Wahlsystems aus Mehrheits- und Verhältniswahl dem rechten Parteienbündnis unterliegen. Da die drei Rechtsaußen-Parteien überall Wahlbündnisse zugunsten ihres aussichtsreichsten Kandidaten eingegangen sind, hatten die übrigen Parteien kaum eine Chance, Direktmandate zu erringen.

Eine weitere wichtige Facette dieser Wahlentscheidung in Italien ist die rekordtiefe Wahlbeteiligung. Traditionell war die Wahlbeteiligung in Italien immer sehr hoch, in den letzten Jahren ist sie aber kontinuierlich gesunken. 2006 lag der Anteil der Nichtwähler bei 16,4%, 2008 bei 19,5%, 2013 bei 24,8% und 2018 bei 27,1%. Bei dieser Wahl wurde nun ein weiterer Tiefpunkt erreicht. So meldete das Innenministerium um 23 Uhr, als die Urnen schlossen, eine rekordtiefe Wahlbeteiligung. Nur rund 64% der Stimmberechtigten gaben ihre Stimme ab. Damit stieg der Anteil der Nichtwähler*innen bei nationalen Wahlen auf 36% (siehe Abb. 3).

Der sozialdemokratische Partito Democatico konnte nur minimale Stimmenzuwächse erreichen. Die »Fünf Sterne« haben zwar gegenüber 2017 drastisch verloren, schnitten aber mit 15,2% deutlich besser ab als erwartet. Dies vor allem wegen ihrer Stimmergebnisse in Süditalien, womit die Teilung zwischen Nord- und Süditalien einen weiteren politischen Ausdruck erhält.

Gleichwohl ist das rechte Lager erwartungsgemäß als klarer Sieger aus den Parlamentswahlen hervorgegangen und wird der gesellschaftlichen Entwicklung einen neuen Kurs aufdrücken. Die staatliche Architektur und das Parteiensystem Italiens steckten seit längerem in einer Krise. Die zuletzt von dem neutralen Techniker Draghi geführte Regierung hatte noch deutliche Reformen eingeleitet (Budgetplanung, Steigerung der Effizienz des Staatsapparates), konnte allerdings die Parteien der Mitte nicht dauerhaft einbinden. Es war eine ständige Suche nach Kompromissen aufgrund einer zu heterogenen Mehrheit, die von Mitte-rechts bis links reichte.

Der Technokrat tritt ab, die Rechtspopulistin übernimmt die Regierungsverantwortung und will die Erneuerung der Republik: Die EU-Mittel sollen in Investitionen fließen, die das Land modernisieren, es wettbewerbsfähiger und krisenresistenter machen. Am Ende soll das Wirtschaftspotenzial höher sein als vorher und Italiens Wachstumspfad endlich wieder aufwärts weisen statt wie in den vergangenen Jahrzehnten seitwärts.
Die Draghi-Regierung erkämpfte in Brüssel einen politischen Durchbruch. Die zahlreichen Auflagen wurden erfüllt und die Fristen eingehalten. Brüssel überwies die ersten Tranchen aus dem großen Krisenhilfsfonds. Erste Projekte, die in Italien realisiert werden, tragen schon jetzt den Hinweis »finanziert mit Mitteln aus dem PNRR«.

Den »Fratelli d’Italia« (FdI) gefällt diese Modernisierung nicht. »Bereit für die Wiederauferstehung Italiens«, lautet ihre zentrale Parole. Als Schranke für die Stärke der Nation sehen die »Brüder Italiens« vor allem das Ausland – in Form von Migrant*innen, einer »globalistischen Elite« oder der EU. Wenn man an die Hebel der Macht gelange – so Meloni kürzlich –, dann »ist der Spaß für Europa vorbei«.

Meloni und die »Brüder Italiens« sind gegen die Abtreibung, lehnen die Gleichstellung von Homosexuellen ab und wollen die Immigration nach Italien stoppen. Trotz dieser sozialkonservativen Einstellungen sind sie in anderen Belangen gemäßigter als ihre Koalitionspartner: Anders als Salvini stellt Meloni weder Italiens Mitgliedschaft in der EU noch den Euro als Währung in Frage. Auch hat sie Russlands Invasion der Ukraine verurteilt und will – anders als Salvini und Berlusconi –, dass Italien weiterhin Waffen an die Ukraine liefert. Auch das Staatsdefizit wollen die »Brüder Italiens« nicht weiter ausweiten.


Der Weg nach ganz rechts

Viele Wähler*innen waren der Zersplitterung des überlieferten Parteiensystems überdrüssig. Mit dem Niedergang der bürgerlichen Mitte in den 1990er-Jahren und der Auflösung der in der gesamten Nachkriegszeit hegemonialen Christdemokraten (DC) und der großen kommunistischen Oppositionspartei (PCI) sind neue Parteien entstanden. Berlusconi konnte mit seiner Neugründung »Forza Italia« im Bündnis mit den sich mehrmals häutenden Postfaschisten der Alleanza nazionale, aus denen Meloni und ihre Nachfolgepartei »Brüder Italiens« kommen, und der separatistischen und migrationsfeindlichen Lega Nord, die später in ganz Italien zur »Lega« wurde, zeitweise die Stimmungen eines großen Teils der Bevölkerung nach Veränderungen aufgreifen und für eine radikale Veränderung der Republik gewinnen.

Der Krisenmodus, in dem sich Italien seit Beginn des 21. Jahrhunderts verschärft befindet, und der durch hohe (Jugend)Arbeitslosigkeit, geringe Wachstumsraten, hohe Staatsverschuldung und ausgeprägte Ungleichheit zwischen Arm und Reich und Nord- und Süditalien gekennzeichnet ist, wurde verschärft durch die Finanzmarktkrise, die Euro-Krise und die zunehmenden Verwerfungen in Folge der Flüchtlingsbewegung insbesondere seit 2015.

Neue politische Formationen traten auf den Plan, parlamentarische Mehrheiten blieben fragil und wechselten häufig. 2018 konnten die »5 Sterne« einen Erdrutschsieg an den Wahlurnen erringen und kamen quasi aus dem Stand auf 33% der Wähler*innenstimmen. Diese Bewegung war im Parteiensystem schwer zu verordnen und bezeichnete sich als System­opposition: Sie beanspruchte weder rechts noch links zu sein, war EU-feindlich und ging mit der migrationsfeindlichen und rassismusaffinen »Lega« unter Salvini kurzzeitig eine Regierungskoalition ein. Während der Regierungszeit erlebte die Lega mit dem Innenminister Salvini einen enormen Aufschwung wegen ihrer radikalen Politik gegenüber Flüchtlingen, während die »5 Sterne« aufgrund innerer Querelen und inkonsistentem Schwanken zwischen Regierung und Systemopposition in Umfragen abstürzte.

Salvini kündigte die Koalition auf und setzte auf Neuwahlen, um die guten Umfragewerte in Wähler*innenstimmen umzusetzen. Überraschend wechselten die »5 Sterne« zu einer Koalition mit den Sozialdemokraten des PD, die allerdings nur 16 Monate hielt. Dann führte der Austritt von Matteo Renzi aus der PD, der als »Verschrotter« des alten Systems Jahre zuvor gescheitert war, zum Verlust der Regierungsmehrheit aus PD und »5 Sternen«.

Während der Corona-Pandemie übernahm die »technische« Regierung unter dem ehemaligen Präsidenten der europäischen Zentralbank Mario Draghi das staatliche Management, der die Unterstützung fast aller Parteien im Parlament hatte, mit der gewichtigen Ausnahme der »Brüder Italiens«, die ihre Rolle als Oppositionskraft ausspielten.

Unter Draghi ist Italien relativ gut durch die Pandemie gekommen und hat seine Beziehung zur EU stabilisiert. Insbesondere der »National Recovery and Resilience Plan (PNNR)«, den Italien der EU vorgelegt hat, um Mittel in Höhe von knapp 200 Mrd. Euro aus dem EU Programm »Next Generation« zu erhalten, wurde von der Draghi-Regierung verabschiedet und soll in Italien eine neue Infrastruktur implementieren.

Im Streit um Hilfen für besonders von der Energiekrise infolge des Krieges in der Ukraine Betroffene kündigten die »5 Sterne« ihre Unterstützung der Koalition auf. Ihr folgten kurz darauf die »Lega« und »Forza Italia«. Damit war der Weg für Neuwahlen geebnet.

Ein Novum für die italienische Republik der Nachkriegszeit ist, dass an der Spitze einer Regierung eine Partei steht, die aus der Tradition des italienischen Faschismus kommt. Jetzt ist der ehemals kleinste Partner derjenige, der den Kurs vorgeben wird und die Rechtsverschiebung ist greifbar, wenn Silvio Berlusconi der »gemäßigste« Partner der Dreierkoalition ist – und der kleinste.


Unbrüderliches Programm

Die »Brüder Italiens« (Fratelli d’Italia, benannt nach einem Passus in der italienischen Nationalhymne) sind eine Neugründung aus dem Jahr 2012, hervorgegangen aus der »Alleanza Nazionale«, die wiederum aus dem »MSI« (Movimento sociale italiano), der Neugründung der faschistischen Partei nach dem Zweiten Weltkrieg, entstand.[1] Meloni, die Mitbegründerin der »Fratelli d`Italia« wurde 2013 zur Vorsitzenden ihrer Partei.

Seitdem versucht sie, Bedenken gegen die faschistische Tradition in der Öffentlichkeit zu zerstreuen. Meloni sieht »die Fratelli d’Italia (als) Teil der Entwicklung der italienischen demokratischen Rechten; sie vereinen seit ihrer Gründung unterschiedliche Strömungen. Dazu gehören Menschen aus einer katholischen und einer liberalen Kultur und solche wie ich. Diese haben den Faschismus schon vor Jahrzehnten der Geschichte überlassen und die Beseitigung der Demokratie, die berüchtigten antijüdischen Gesetze und die Tragödie des Zweiten Weltkriegs unmissverständlich verurteilt. Wir glauben an die Freiheit des Einzelnen und die zentrale Bedeutung der Familie, an die italienische, europäische und westliche kulturelle Identität, an Privatinitiative und soziale Solidarität. Damit sind die Fratelli heute die Partei der italienischen Konservativen, einer modernen und westlichen Rechten, in der viele Vertreter, angefangen bei mir selbst, bereits Regierungsverantwortung übernommen haben. Wir sind keine Bedrohung für die Demokratie, aber wir sind sicherlich eine Bedrohung für das Machtsystem der Linken, die Italien in zehn der letzten elf Jahre regiert, ohne jemals eine Wahl gewonnen zu haben.« (Meloni in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung vom 20.9.2022)

Sicherlich treten die »Brüder Italiens« nicht in den alten faschistischen Kostümen auf, auch wenn das bezogen auf die Symbole nur zum Teil gilt. Nach wie vor kann sich die Partei nicht von der Flamme in den Farben Italiens im Parteisymbol trennen, die eng mit dem italienischen Faschismus verbunden ist. Auch wenn im Wahlkampf darauf geachtet wurde, bei Veranstaltungen den römischen Gruß mit ausgestrecktem Arm nicht mehr zuzulassen: Viele alte Kämpfer und auch Teile der Jugendorganisation verehren noch immer Mussolini und Hitler.

Es ist eine Verniedlichung, bei einem von den postfaschistischen »Fratelli« geführten Regierungsbündnis mit Salvinis »Lega« und Berlusconis »Forza Italia« von einer Mitte-Rechts Koalition zu reden. Alle Versuche der Entdiabolisierung durch Meloni ändern nichts daran, dass hier ein stramm rechtes, in Teilen rechtsextremes Gebräu aus Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Sozialdarwinismus und Rechtspopulismus zusammengemixt wird, das die Zivilgesellschaft Italiens und Europas Zukunft in schwere Turbulenzen bringen wird.

Für »Gott, Familie, Vaterland« ist der Wahlspruch der »Brüder Italiens«, eine deutliche Anleihe an den historischen Faschismus in Italien. Das damit einhergehende reaktionäre Weltbild sieht denn auch den Kampf gegen die LGBTQ-Bewegung, die für gleiche Rechte kämpft, als Sache der rechten Regierung an, verspricht »Italien den Italienern«, versucht, das Recht auf Abtreibung, das 1981 in einer Volksabstimmung mit breiter Mehrheit bestätigt wurde, einzuschränken und sieht den Kampf gegen die politische Linke, zu denen sie alle zählt, die links von Fratelli, Lega und Berlusconi stehen, als eine historische Aufgabe der neuen Koalition.

Es steht zu erwarten, dass die migrationsfeindliche Abschottungspolitik, wie sie unter Salvini als Innenminister exekutiert wurde, die zu zahlreichen Todesopfern bei der Blockade von Flüchtlingsbooten vor der Küste Italiens geführt hatte und innerhalb und außerhalb Italiens als menschenrechtsfeindlich kritisiert wurde, verschärft fortgesetzt werden wird.

Wirtschaftspolitisch finden die »Fratellis« sicher weitere Unterstützung. Sie wollen Italien wieder aufrichten. Die Stärkung der Marke »Italien« soll vor allem durch neue Arbeitsplätze erfolgen, also Steuersenkungen und keine neuen Umverteilungen. Guido Crosetto, Mitbegründer der »Fratelli d’Italia« und Wirtschaftsberater Melonis: »Die Fratelli d’Italia sind eine sehr pragmatische Partei, die den Unternehmen nahesteht. Wir glauben, dass die Privatwirtschaft Wohlstand erzeugt, nicht der Staat. Erst muss der Wohlstand erwirtschaftet werden. Über die Verteilung kann man danach reden.« (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.9.2022)

Und die Parteiführerin Meloni bekräftigt: »Unser Rezept für die Geschäftswelt ist die bedingungslose Unterstützung derjenigen, die unternehmerisch tätig sind und Wohlstand und Arbeitsplätze schaffen. Um dies zu erreichen, halten wir es für unerlässlich, strukturelle Beschränkungen zu beseitigen, die das Wirtschaftswachstum begrenzen und es den Unternehmen verunmöglichen, sich zu entwickeln und im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Wir wollen das Problem der hohen Stromrechnungen, die Firmen und Familien belasten, unverzüglich in Angriff nehmen, die Arbeitskosten senken, das nationale Wiederaufbauprogramm überarbeiten, um den gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten Rechnung zu tragen, einen realistischen grünen Übergang erreichen und die notwendige strategische Infrastruktur fertigstellen.« (Neue Zürcher Zeitung vom 20.9.2022)

Diese Zielsetzungen haben den Nebeneffekt der Beruhigung der italienischen Unternehmer. Angesichts der Forderung der »Lega«, die Neuverschuldung um 30 Mrd. Euro zu erhöhen und die Einkommensteuer für Einkommen bis 65.000 Euro auf 15% zu senken, sind auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik Spannungen zwischen den drei Parteien der zukünftigen Regierungskoalition zu erwarten.


Was bedeutet der Rechtsruck für die EU?

In Westeuropa wird diese vermutlich zustande kommende Regierung die rechteste der Nachkriegsgeschichte sein. Für rechtspopulistische und nationalistische Parteien in ganz Europa ist der Wahlerfolg der »Brüder Italiens« eine Ermutigung, ihren Kurs verstärkt fortzusetzen. Innerhalb der Europäischen Union sind die »Brüder Italiens« in einem Bündnis mit der polnischen PiS-Partei, den Schwedendemokraten und der spanischen Vox. Meloni pflegt auch freundschaftliche Beziehungen zu Victor Orban, sie stützt allerdings im Unterschied zu ihm und auch ihren Koalitionspartnern und Putin-Freunden Berlusconi und Salvini den Kurs der EU bei der Ablehnung des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine.

Die Probleme der EU werden mit einer Regierung Meloni verschärft werden, nachdem die Draghi-Regierung Italien wieder näher an die EU herangeführt hat. Zwar hat Meloni ihre Ablehnung der Union aufgegeben, gibt sich aber weiterhin euroskeptisch und fordert massive Reformen in Richtung auf mehr »Unabhängigkeit« Italiens gegenüber der Kommission. Im Wahlkampf versprach sie in Mailand: »Für Europa ist der Spaß jetzt vorbei!«

Es ist davon auszugehen, dass Italien, die drittgrößte Wirtschaftsmacht in der EU, die zentrifugalen Kräfte des Rechtspopulismus verstärken wird. Bereits vor der Wahl stand die Forderung nach Nachverhandlungen des »National Recovery and Resilience Plan (PNNR), die Zahlungen in Höhe von fast 200 Mrd. Euro an Italien auslösen soll, im Raum.

Angesichts der multiplen Krisen, vor denen Italien, Europa und die Welt gegenwärtig stehen, den Auswirkungen des Krieges und der weltwirtschaftlichen Verwerfungen, die nicht nur Folgen des Krieges und der Pandemie sind wie Energiekrise, Inflation und rezessiven Entwicklungen der Weltwirtschaft, zurückgehende Einkommen und steigende Armut auch in Europa und die Klimakrise weltweit ist eine Regierung des Rechtspopulismus in Italien auch ein fatales Signal für die Zukunft Europas.

Anmerkung

[1] Zu Georgia Meloni und den »Brüder Italiens« siehe auch: Redaktion Sozialismus.de: Giorgia Meloni und die Fratelli d’Italia. Auf dem Weg in die illiberale Demokratie, auf Sozialismus.deAktuell vom 5.8.2022 sowie Redaktion Sozialismus.de: Italien vor einem Rechtsruck. Vor den Neuwahlen am 25. September, auf Sozialismus.deAktuell 19.8.2022.

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