25. November 2024 Redaktion Sozialismus.de: Der Wahlkampf hat begonnen
Richtungswahlkampf
Olaf Scholz (SPD) hält sich nicht mit der Vergangenheit auf, sondern richtet den Blick nach vorne, auf den 23. Februar im kommenden Jahr, dann soll gewählt werden.
Der Bundeskanzler hat angekündigt, dass er am Mittwoch, den 11. Dezember 2024, im Bundestag die sogenannte Vertrauensfrage stellen wird. Am Montag, 16. Dezember, sollen die Abgeordneten darüber abstimmen. Wenn die Mehrheit der Abgeordneten dem Kanzler erwartungsgemäß das Vertrauen verweigert, kann der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier »auf Vorschlag des Bundeskanzlers« innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen.
Dann endet die Wahlperiode vorzeitig und es wird in der Berliner Republik in vorgezogenen Wahlen im Februar ein neues Parlament gewählt. Der »alte« Bundestag bleibt mit all seinen Rechten und Pflichten bestehen, bis ein neuer zusammentritt. Eine »parlamentslose Zeit« gibt es also nicht.
Der Bundestag kann weiterhin Gesetze beschließen und auch seine Gremien wie etwa Untersuchungsausschüsse bestehen bis zum Ende der Wahlperiode fort. Die Regierungsmitglieder bleiben ebenfalls bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages im Amt. Auf »Ersuchen« des Bundespräsidenten führen sie die Geschäfte anschließend bis zur Ernennung ihrer Nachfolger weiter.
Wir werden also in den Wochen bis zum Neuwahltermin im Februar noch heftige politische Rededuelle und Konfrontationen zwischen der amtierenden Regierung Scholz und der Opposition von CDU und CSU erleben. Dabei wird es auch und vor allem um programmatische Festlegungen gehen.
Wahlkampfkonzeptionen
Folgt man den aktuellen Umfragen, dann steht für die Mehrzahl der politischen Beobachter fest, dass die Union die Wahl gewinnt und sich deren Kanzlerkandidat Friedrich Merz dann den Koalitionspartner aussuchen kann. Die Union liegt in Umfragen derzeit bei mehr als 30% in Führung, gefolgt von der AfD mit rund 18% und der SPD mit etwa 16%. Selbst wenn die Umfragewerte einträfen, wären die Konservativen auf Koalitionspartner angewiesen.
Der Kandidat Merz warnt allerdings davor, die aktuellen Umfragen überzubewerten. Der Weg stimme, aber insgesamt habe die dauerhafte Bindung der Wähler an die Parteien abgenommen. »Die Umfragen, die wir im Moment sehen, sind nicht das Ergebnis«, sagte der CDU-Chef. »Wir werden ein anderes Ergebnis sehen.«
Merz will im Fall eines Wahlsieges möglichst in einer Zweierkoalition regieren. »Das Beste wäre, wenn wir nur einen Koalitionspartner brauchen«, aber die »Frage, mit wem wir nach dieser Bundestagswahl dann koalieren, die wird nicht ganz einfach zu beantworten sein«, äußerte er schon in der letzten Woche Berlin.
Mit welcher Partei er am liebsten koalieren würde, sagte Merz allerdings nicht und wies darauf hin, dass das auch vom Ergebnis für die AfD abhänge: »Das Ausmaß des Wahlabschneidens der AfD wird mit darüber entscheiden, wie groß die Spielräume der Union sind«, deshalb werde er im Wahlkampf gezielt potenzielle AfD-Wähler ansprechen. »Je stärker die AfD wird, desto größer wird der Einfluss eines Koalitionspartners.«
Das größte Ungemach droht Merz nicht vom politischen Gegner, sondern ausgerechnet vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der ihm zwar 100% Loyalität schwört, aber zugleich mit Hochdruck daran arbeitet, ihm jede Beinfreiheit bei der Wahl des Koalitionspartners zu nehmen. Nahezu täglich schließt er eine Koalition mit den Grünen und insbesondere mit Robert Habeck aus.
Das Wahlkampfkonzept der SPD wird sich darauf konzentrieren, das Scheitern der Koalition den Freidemokraten unter Führung von Christian Lindner zuzuweisen. Die wiederum werden ganz auf das Thema Wirtschaft setzen, was bei Lindners Rede nach Scholz’ Regierungserklärung bereits anklang.
Wie weiter mit der Wirtschaft?
Und in der Tat ist die Wirtschaft für viele Wähler das wichtigste Thema. Welchem Modell wird am ehesten zugetraut, Deutschland aus seiner Wachstumsschwäche zu führen? Die Ampelregierung ist genau an dieser Frage gerade erst zerbrochen. Zentral dafür waren Positionspapiere, deren wirtschaftspolitische Vorschläge kaum unterschiedlicher hätten sein können. Sie dürften Grundlage für den Wahlkampf werden.
Die Union will für Kürzungen beim Sozialstaat werben, weil Arbeit und Leistung sich wieder lohnen müssen. Gestoppt werden soll das Heizungsgesetz der Ampel-Koalition. Das so genannte Bürgergeld für Menschen, die länger ohne Arbeit sind, soll ebenfalls abgeschafft werden. Ein weiteres Ziel besteht darin, die mehr als 5,5 Millionen Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt besser zu integrieren, aber so, dass diejenigen, die arbeiten, mehr haben müssen, als die, die nicht arbeiten. Schließlich will die CDU das Arbeiten im Rentenalter steuerfrei stellen – bis 2.000 Euro im Monat, denn viele Ältere würden gerne weiterarbeiten wollen – wenn es sich rechnet. Zurückgenommen werden soll das neue Staatsbürgerschaftsrecht und die Asyl-Praxis verschärft werden.
Die FPD geht noch weiter und will die Arbeitszeiten stärker als bisher flexibilisieren: Statt einer täglichen Höchstarbeitszeit wollen die Freidemokraten eine wöchentliche Höchstarbeitszeit einführen. Überstunden sollen steuerlich begünstigt werden.
SPD rückt den sozialen Zusammenhalt in den Mittelpunkt
Auch die Sozialdemokratie stellt sich auf einen Wirtschafts-Wahlkampf ein, der die »hart arbeitende Mitte in Deutschland« umfasse, die mehr Unterstützung verdient habe, erklärte Generalsekretär der SPD Matthias Miersch. Gemeinsam mit Olaf Scholz kämpfe man »für eine Wirtschaft, die ›Made in Germany‹ stärkt, für den Erhalt jedes Arbeitsplatzes und für einen Wohlstand, der allen zugutekommt – nicht nur einigen wenigen«. Das werde den Unterschied ausmachen, der Wahlkampf soll eine »Richtungsentscheidung« ermöglichen.
Zum Richtungswahlkampf gehört nicht nur die Abwehr von den angekündigten Kürzungen der Sozialleistungen, sondern auch Korrekturen in der Verteilung: Die Sozialdemokraten wollen gegen die Union auch mit Steuererhöhungen für Superreiche punkten. Zugleich werden steuerliche Entlastungen für 95% der Bevölkerung versprochen. Die Bürger mit den höchsten Vermögen sollen mit einer einmaligen Krisenabgabe zur Kasse gebeten werden. Außerdem sollen Erbschaften und Schenkungen höher besteuert werden, sodass sich Multimillionäre und Milliardäre stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen.
Der Bundeskanzler hat die mediale Offensive einer Zurückstufung hinter Boris Pistorius überstanden und kann sich nach seiner Nominierung durch die Führungsgremien seiner Partei ganz darauf konzentrieren, die SPD aus ihrem Umfragetief zu führen. 2021 ist ihm das schon einmal gelungen. Damals war Scholz der »Neue«, auf den viele noch neugierig waren. Heute kennt man ihn – und seine Umfragewerte sind ziemlich schlecht. Ob es auch diesmal klappen wird, ist ungewiss, aber nicht ausgeschlossen.
Auch deshalb wird er erneut auf den »Respekt«-Faktor setzen, der bei der Wahl 2021 mitentscheidend war. Insofern verlangt er von Merz Respekt vor denjenigen, die arbeiten und die von der Ampel immer wieder gezielt entlastet wurden. »Respekt vor denen, die arbeiten, heißt übrigens nicht, dass man sie alle jeden Morgen einmal als faul beschimpft, wie das in der Union offenbar Mode geworden ist«, so der Kanzler und fügte hinzu: »Herr Merz kann gar nicht aus dem Bett steigen, ohne einmal zu sagen: Hier wird zu wenig gearbeitet«.
Scholz dürfte im Wahlkampf auch immer wieder auf seinen »Kurs der Besonnenheit« im Ukrainekrieg zu sprechen kommen – mit seinem Nein zur Lieferung der Taurus-Raketen. Von einer nochmaligen Inszenierung allein eines »Friedenskanzlers« wie bei der Europawahl, als die SPD ein historisch schlechtes Ergebnis erzielte, wird die SPD aber die wohl Finger lassen. Miersch kündigte lediglich an: »Gemeinsam mit Olaf Scholz treten wir ein für die innere, äußere und soziale Sicherheit – ohne Entweder–-oder.«
Erwartet werden kann, dass sich die SPD inhaltlich auf die Verteidigung des Sozialstaates gegen die Kürzungen der Union konzentrieren wird, inklusive Rente und Mindestlohn. Nur so könne der gesellschaftliche Zusammenhalt bewahrt bzw. wieder hergestellt werden. Außerdem werden die Sozialdemokraten die Modernisierung des Landes, die Sanierung von Schulen, aber auch »pünktliche Züge« zum Thema machen, ebenso wie die Wohnungsnot und steigende Mieten sowie die Lage der Familien. Um all das möglich zu machen, wird es dann auch notwendig sein, nicht nur für höhere Steuern für die Reichen einzutreten, sondern auch für eine Reform der Schuldenbremse.