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10. Juni 2019 Redaktion Sozialismus

Russland, China, die USA und die Wirtschaftssanktionen

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ist nach Russland gereist, um die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Land wieder zu intensivieren. Bei einem Treffen mit Präsident Wladimir Putin lud er ihn nach Dresden ein und sprach mit ihm über den Ukraine-Konflikt.

Kretschmer wirbt generell für ein Ende der Wirtschaftssanktionen sowie für bessere Beziehungen zu Russland und unterstützt den Bau der Ostsee-Pipeline: »Russland ist für Deutschland ein strategischer Partner in Fragen der Wirtschaft und des Technologietransfers.« Man müsse alles dafür tun, dass Russland seine europäische Orientierung behält und sich nicht an Partnern wie China oder Indien orientiert. Gerade für die ostdeutschen Bundesländer mit ihren traditionellen Verbindungen zu Russland seien die Sanktionen ein großes Problem.

Unterstützung bekam Michael Kretschmer für seine Initiative von der Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft. »Mittelfristig muss es unser Ziel sein, über Dialog und vertrauensbildende Maßnahmen wieder zu einer verlässlichen Partnerschaft mit Russland zu kommen. Dafür ist es aber zwingend notwendig, dass sich die Bundeskanzlerin des Themas annimmt, es zur ›Chefsache‹ macht und der Dialog auf dieser Ebene fortgesetzt wird.«.

Nach Angaben des Verbands war Russland einst ein boomender Wachstumsmarkt für Sachsen. So verzeichneten die Exporte im Zeitraum von 2010 bis 2013 einen Anstieg um 86%. Mit den Sanktionen brachen die Exporte des Freistaats nach Russland ein. Hier musste die sächsische Wirtschaft im Zeitraum von 2013 bis 2018 einen Rückgang um 60% verkraften, während es in Deutschland insgesamt nur einen Rückgang von 32% gab.

Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht dagegen keinen Spielraum für eine Veränderung der Sanktionspolitik: »Die Wirtschaftssanktionen sind die Reaktion auf das völkerrechtswidrige Verhalten der russischen Regierung auf der Krim und in der Ostukraine. Solange sich am russischen Verhalten dort nichts ändert, gibt es auch keinen Spielraum für eine Änderung in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.«

Im Zentrum der Argumentation von Kretschmer steht die europäische Ausrichtung Russlands. Mit der Annektierung der Krim ist unzweifelhaft eine schwere Belastung zwischen Russland und der EU entstanden. Mit der Ostsee Pipeline Nordstream 2 entwickelt sich ein weiteres Problemfeld. Weder die Spannungen im Schwarzen Meer zwischen Russland und der Ukraine noch der jüngste Streit der NATO mit Moskau um nukleare Mittelstreckenwaffen haben die Pipeline-Pläne aufzuhalten vermocht.

Mehr als 300 Kilometer Rohre – und damit rund ein Viertel der Gesamtstrecke – sind bereits verlegt. Aus Frankreich, Dänemark und von der EU-Kommission gibt es schwerwiegende Bedenken gegen die Ausweitung der Gasversorgung durch Russland. Zudem waren die baltischen Staaten und Polen von Beginn an Gegner von Nord Stream 2. Auch der EU-Partner Ukraine wäre über ein Scheitern erfreut, weil das Land befürchtet, dass ihm Milliarden flöten gehen, die mit der Durchleitung von Gas aus Russland in die EU derzeit noch garantiert sind.

Mächtigster Gegner des Projektes Ostsee Pipeline sind jedoch die USA. Bei Nord Stream 2 sieht man die Drohungen der Trump-Administration mit Sorge. Diese will das derzeit preislich weniger attraktive US-Flüssiggas mit aller Macht in den europäischen Markt hinein- und Russland hinausdrücken. »Wenn man es genau betrachtet, ist Deutschland ein Gefangener Russlands«, beschwerte sich der US-Präsident Donald Trump zuletzt beim NATO-Gipfel. Auch der US-Kongress folgt weitgehend der Bewertung ihres Präsidenten.

Der Konflikt um die Ostsee Pipeline ordnet sich in den allgemeinen Konflikt zwischen den USA und der EU ein. Besonders der bundesdeutsche Export- und Leistungsbilanzüberschuss ist der Trump-Administration ein Dorn im Auge. Trump, der die USA von diversen Handelspartnern unfair behandelt sieht, droht schon seit längerem mit Sonderzöllen auf Autos. Für die deutschen Hersteller wäre dies eine enorme Schädigung. Nachdem die Fronten zeitweise verhärtet schienen, sicherte Trump EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu, vorerst von Autozöllen abzusehen. Stattdessen wollte man weiter verhandeln.

Gleichwohl unterminiert der US-Präsident die Grundlagen der deutsch-amerikanischen Beziehungen weiter. Während sein Vorgänger Barack Obama Deutschland noch als führende Macht in Europa würdigte und die deutsche Bundeskanzlerin persönlich schätzte, ist Deutschland die Zielscheibe von Trumps direkten Attacken. Und wegen der langjährigen privilegierten Beziehung mit Amerika zögert die deutsche Regierung eine Verbesserung der Beziehungen mit Russland hinaus und nimmt billigend in Kauf, dass Russland intensiv an einem Ausbau der Beziehungen mit China arbeitet.

Die Ausrichtung der russischen Politik auf China wurde beim kürzlichen Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau deutlich. Russlands Präsident Wladimir Putin lobte das Vertrauen zwischen beiden Ländern und Unternehmen aus beiden Staaten unterzeichneten Kooperationsverträge. Das bilaterale Handelsvolumen hat im vergangenen Jahr um ein Viertel zugenommen und einen Wert von 96 Milliarden Euro erreicht.

Während Russland vor allem Rohstoffe wie Energie oder Holz oder auch Rüstungsgüter liefert, verkauft China Maschinen, Autos, Elektrogeräte oder andere Verbraucherprodukte. Nur 1,9% der Exporte Chinas gehen nach Russland, umgekehrt sind es 15%. Ablesen lässt sich der Zustand des Verhältnisses auch an den Tourismuszahlen. Rund 1,7 Millionen chinesische Touristen besuchten im vergangenen Jahr Russland – aus keinem anderen Land gab es mehr Besucher.

Geopolitische Erwägungen haben auf beiden Seiten an Gewicht gewonnen. Russland ist auf die guten Beziehungen mit dem mächtigen Nachbarn im Fernen Osten angewiesen, denn das Verhältnis zum Westen hat sich seit den ersten Sanktionen 2014 nicht gebessert. Mit immer härteren Sanktionen soll Präsident Putin zum Kurswechsel gezwungen werden. Die Sanktionen des Westens zerstören den Wohlstand und die Ausschöpfung des wirtschaftlichen Potenzials.

Russland ist auf eine Entspannung und weltwirtschaftliche Kooperation angewiesen, vor allem um seine Rohstoffbasis (Energie) als Potenzial zur Entwicklung einsetzen zu können. Die seit 2014 politisch verkündetet Hinwendung der russischen Wirtschaft nach Asien, vor allem in Richtung China machte nur langsame Fortschritte. Dabei ist Erdöl ein zentraler Faktor. Die russische Wirtschaft stützt sich nach wie vor stark auf die Erdöl- und Erdgasindustrie. Das Land ist der weltweit zweitgrößte Exporteur von Öl und der größte Exporteur von Erdgas.

Die ursprünglich russische Zuversicht, mit Donald Trump im Weißen Haus werde sich das Verhältnis zu den USA entspannen, erwies sich als denn doch als Trugschluss. Dass sich Amerika auf China eingeschossen hat, schweißt Moskau und Peking stärker zusammen. Russland und China stimmen ihre Politik mit Blick auf Ostasien, den Nahen Osten und besonders auch die Arktis aufeinander ab. Zu Iran, Syrien und Venezuela stimmten die Positionen Chinas und Russlands praktisch überein, sagte Putin nach dem Treffen in Moskau. Im Uno-Sicherheitsrat treten die beiden Staaten mittlerweile abgestimmt auf.

In der neuen nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten werden China und Russland als »revisionistische Mächte« bezeichnet, die die »Macht, den Einfluss und die Interessen Amerikas herausfordern und versuchen, die Sicherheit und das Wohlergehen der USA zu untergraben«. Sie sind in der Verteidigungsstrategie der Administration Trump die zentrale Herausforderung für die USA.

Handelsströme zwischen den USA, China, Russland und der EU (Exporte in Milliarden Dollar, 2016)

Da Russland und China großen Wert auf ihre Eigenständigkeit und auf ihren Status als Großmacht legen und auch das gegenseitige Misstrauen bestehen bleibt, dürften sie Verbündete im Sinne einer militärisch-politischen Allianz nicht werden. Gewichtiger ist ggf. die Entwicklung einer gemeinsamen Vorstellung von den Regeln einer neuen Weltordnung. Denn an erster Stelle steht das grundsätzliche Unbehagen gegenüber dem Einfluss der USA in der Welt.

Die Bildung einer Allianz zwischen China und Russland bleibt dennoch fraglich, auch wenn beide Regierungen ihre autoritären Regierungsformen durch liberale Grundsätze einer internationalen Ordnung bedroht sehen. Hauptgrund dafür ist, dass sich die Machtbalance deutlich zugunsten Chinas verschiebt. Zudem bemühen sich sowohl Russland als auch China um die Stärkung ihrer Einflusssphären – Russland vor allem im postsowjetischen Raum, China in der asiatisch-pazifischen Region.

Bis jetzt haben beide Länder ihre Differenzen jedoch zurückgestellt, um gemeinsame Interessen zu verfolgen. Sie gewähren einander diplomatische Unterstützung bei verschiedenen Themen und erklären zumindest »freundliche Neutralität« bei regionalen Streitigkeiten.

Die Stärkung der Beziehungen zwischen China und Russland ist seit Beginn der Ukraine-Krise, die Russland in die Arme Chinas trieb, besonders deutlich hervorgetreten. Angesichts der Sanktionen des Westens bemühte sich Moskau sowohl um einen wirtschaftlichen Rückhalt als auch um einen diplomatischen Partner, um nicht völlig isoliert zu werden. China bot sich dafür als natürlicher Kandidat an.

Der wirtschaftliche Nutzen einer russischen Annäherung an China zeigt sich jedoch erst ansatzweise. Da die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ein traditioneller Schwachpunkt sind, ist dies nicht überraschend. Im Energiesektor und bei den Waffenverkäufen erzielten Russland und China jedoch bedeutende Durchbrüche, allerdings mit klaren Vorteilen für China.

Im Mai 2014 schlossen beide Länder einen Vertrag über Gaslieferungen im Wert von 400 Milliarden Dollar. Der russische Konzern Gazprom verpflichtet sich darin, jährlich bis zu 38 Milliarden Kubikmeter Gas zu liefern. Die Vertragsbedingungen waren für China sehr vorteilhaft. So übernimmt Russland die gesamte Finanzierung einer neuen Gaspipeline, die Ende 2019 in Betrieb gehen soll.

China erhielt zudem Zugang zur russischer Waffentechnologie. Russland war zwar schon nach dem Ende des Kalten Krieges zu Chinas größtem Waffenlieferanten geworden, aber Moskau war lange Zeit nicht bereit, modernste Technologien an China zu exportieren.

China und Russland verhalten sich auch in weiteren internationalen Fragen solidarisch. Beide wenden sich gegen die Pläne für die Stärkung der amerikanischen Raketenabwehr. Bei Fragen zur Cybersicherheit sind sich Peking und Moskau einig, dass die Regierungen eine wirksame Kontrolle über das Internet ausüben sollten – eine Position, die der Haltung des Westens widerspricht.

Die beiden Länder sind eine enge Partnerschaft eingegangen, die sich zumindest für die absehbare Zukunft als stabil erweisen könnte.

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