20. September 2012 Redaktion Sozialismus | Team des VSA: Verlag
Santiago Carrillo (1915-2012) verstorben
Am 18.9.2012 verstarb in Madrid im Alter von 97 Jahren der ehemalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) Santiago Carrillo. Unter seiner Führung begannen die spanischen Kommunisten eine kritische Haltung zu den Deformationen in den sozialistischen Länder zu entwickeln, so verurteilten sie 1968 den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes.
Verbunden war dies mit einer kritischen Bewertung der eigenen Positionen und der Entwicklung neuer strategischer Optionen für die Linke. Im Interview zur deutschen Ausgabe des Interview-Bandes Spanien nach Franco (erschienen 1975 bei VSA, Gesprächspartner in dem Band waren Régis Debray und Max Gallo) formulierte er: »Zu anderen Zeiten haben wir Kommunisten die sozialdemokratischen Parteien fast als unseren Hauptfeind angesehen. Diese Taktik hat weder den Kommunisten noch den Sozialdemokraten geholfen, den Sieg des Faschismus zu verhindern, noch dazu beigetragen die Sache des Sozialismus voranzutreiben. Ganz im Gegenteil.«
Dies führte ihn schließlich auch zu einer theoretischen Neubewertung von Staat und Gesellschaft, der ideologischen Staatsapparate und zum Modell des Demokratischen Sozialismus, die er in dem ebenfalls bei VSA: im Jahr 1977 veröffentlichen Buch »Eurokommunismus« und Staat zur Diskussion gestellt hat.
Gemeinsam mit George Marchais (PCF) und Enrico Berlinguer (PCI) – das Foto zeigt ihn auf der gemeinsamen Konferenz in Madrid im Jahr 1977 – setzte er sich für eine eurokommunistische Erneuerung mit dem Versuch ein, »die Herausforderungen sozialistischer Strategien in der Dritten Welt, die politisch-theoretischen Innovationen eines ›westlichen Marxismus‹(Perry Anderson) sowie die Deformationen einer staatssozialistischen Transformationskonzeption in einer ›integralen‹ politischen Konzeption zu verarbeiten. Heraus kamen Ansätze einer zivilgesellschaftlichen Sozialismuskonzeption, die angesichts der gegenwärtigen Krise der politischen Repräsentanz in den meisten entwickelten kapitalistischen Demokratien immer noch politisch unabgegolten sind.« (Christoph Lieber in Sozialismus 5-2002).
Eine ausführliche Würdigung des Lebens und Wirkens von Santiago Carrillo erscheint in Heft 11-2012 von Sozialismus.