15. März 2025 Redaktion Sozialismus.de: Klimaschutz gestärkt, Aufrüstung bleibt
Schuldenpaket in »grünen Tüchern«
Die Union und die SPD haben sich mit den Grünen auf ein Schuldenpaket geeinigt. Vorausgegangen war in dieser Woche ein heftiger Wortwechsel im Bundestagsplenum. Die grünen Verhandler*innen konnten der vermutlich zukünftigen schwarz-roten Regierungskoalition vor allem mehr Mittel für den Schutz des Klimas abringen.
Von den geplanten Investitionen in die Infrastruktur sollen 100 Mrd. Euro im Bereich des Klimaschutzes eingesetzt werden. Auch das Ziel, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, soll in der neuen Vereinbarung verankert und zudem im Gesetz festgeschrieben werden, dass es sich bei den Finanzmitteln um »zusätzliche Investitionen« handelt.
Diese von den Grünen geforderte Klausel soll sicherzustellen, dass Union und SPD nicht die Posten des normalen Haushalts darauf anrechnen können und mit dem gewonnenen Finanzspielraum »soziale Wahlgeschenke« an ihre Wählerschaft realisieren. Mit dem von den Grünen erreichten Verhandlungsergebnis muss die zukünftige Regierungspolitik zumindest programmatisch nicht nur den Kampf gegen den Klimawandel bei der Modernisierung der Infrastruktur berücksichtigen.
Sondern es soll zugleich ein relevanter Teil der öffentlichen Kredite in Zukunftsinvestitionen umgesetzt werden, damit nicht schwarz-rote Pläne wie eine Steuersenkung querfinanziert werden. Es wird eine sogenannte Zusätzlichkeit ins Gesetz geschrieben, das bedeutet auch, dass nicht andere, reguläre Investitionen gekürzt werden dürfen.
Der bittere Beigeschmack: Es bleibt bei der Regelung, dass alle Ausgaben für die Verteidigung ab einer Höhe von 1% des Bruttoinlandprodukts von der Schuldenbremse ausgenommen werden sollen, wie von SPD und Union vorgeschlagen. Erreichen konnte die einst auch aus der Friedensbewegung hervorgegangene Partei allein, den Begriff der Verteidigung weiter zu fassen. Neben der Bundeswehr sollen die Ausgaben nun auch für Nachrichtendienste, den Zivilschutz und für die Unterstützung völkerrechtswidrig angegriffener Staaten eingesetzt werden.
Die Grünen, die als einer der Wahlverlierer bei der Bundestagswahl deutliche Stimmenverluste hinnehmen mussten, haben dennoch als zukünftige Oppositionspartei den künftigen politischen Regierungsbeteiligten inhaltliche Ausrichtungen abgerungen. Ursprünglich wollten Union und SPD von den 500 Mrd. Euro in den kommenden zwölf Jahren nur 50 Mrd. Euro für Klimaschutz bereitstellen, letztendlich wurden es 100 Mrd. Euro. Da es insgesamt beim Rahmen von 500 Mrd. Euro geblieben sei, war dem vermeintlich künftigen Regierungschef Friedrich Merz eine »meine Zustimmung zu dieser Neuaufteilung möglich«. 100 Mrd. Euro der Infrastrukturmittel gehen an die Länder.
Die Unionsfraktion habe den neuen Entwurf einstimmig angenommen, denn es sei ein »akzeptables, ein gutes Ergebnis« und der nun wohl im Bundestag mit den Stimmen der Grünen durchgewinkte Gesetzentwurf mit dem »Sondervermögen« in Höhe von 500 Mrd. Euro für die Infrastruktur und der Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung und Aufrüstung ist die finanzielle Grundlage für die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD.
Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Klingbeil, räumte bei der Präsentation der Kompromisses ein, dass die Verhandlungen mit den Grünen die politische Mitte Deutschlands gestärkt und das Paket noch einmal besser gemacht hätte. Die Investitionen würden Deutschlands Rolle in Europa stärken und wären »ein historisches Signal«.
Die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Dröge, hatte zuvor mit ihren scharfen Attacken im Bundestag sicherlich dazu beigetragen, dass diese Zugeständnisse erreicht wurden, deshalb habe man der Grünen-Fraktion empfohlen, dem Entwurf in der kommenden Woche im Bundestag zuzustimmen. Ihre Partei werde in der Opposition zwar nicht mitentscheiden können, wie Union und SPD die Mittel einsetzten. Sie habe jedoch erreicht, »dass das Geld in die richtige Richtung gelenkt wird«.
Auf einen Punkt hätte man sich nicht einigen können, die Grünen hätten sich auch eine »strukturelle Reform« der Schuldenbremse gewünscht. Man habe jedoch vereinbart, dass noch in diesem Jahr eine solche Reform angegangen werde, die Grünen würden dafür »aus der Opposition heraus der Motor sein«.
Die Linkspartei kritisiert den Kompromiss und die Einigung deutlich. Ko-Parteichef Jan van Aken wollte zuvor eine Zustimmung zu Milliardeninvestitionen nicht ausschließen. Es komme aber auf den genauen Text an und darauf, ob über die Vorhaben als Paket oder einzeln abgestimmt werden. Die Linke sei natürlich für Investitionen in die Infrastruktur, aber gegen die »unfassbar hohe Aufrüstung«.
Die Ko-Vorsitzenden der Linken, Ines Schwerdtner, sagte nach der Verkündigung der Einigung den Funke-Zeitungen, nun werde ein zentraler Fehler der Ampel-Regierung wiederholt, nämlich Klimaschutz und Aufrüstung ohne sozialen Ausgleich. Und die Chefin der Gruppe der Linkspartei im alten Bundestag, Heidi Reichinnek sagte: »Für den sozialen Ausgleich im Land gibt es mal wieder nichts.« Zugleich entstehe durch die hohe Verschuldung ein erheblicher Konsolidierungsdruck und es drohten noch mehr Kürzungen und Streichungen im sozialen Bereich.
Im zukünftigen Bundestag wären Union und SPD für die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit auf die Stimmen der Linken angewiesen, die mit mehr Abgeordneten gestärkt und erneut mit Fraktionsstatus vertreten sind. Die Richer*innen des Bundesverfassungsgerichts haben den Eilantrag gegen den von Union und SPD gewählten Wegs zurückgewiesen. Aber selbst die Ko-Fraktionschefin der Grünen, Britta Haßelmann sprach im ZDF von einem »sehr komplizierten Eingriff ins Grundgesetz in mindestens drei Punkten«.
Die nun erreichte Verständigung von Union, SPD und Grünen auf eine Lockerung der Schuldenbremse sowie ein Sondervermögen hat auch bei Ökonomen unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Auf den Vorwurf, dass die Union mit ihrer Zustimmung zu beidem von ihren Wahlversprechen abgewichen ist, sagte der Parlamentsgeschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Torsten Frei, im ZDF, es sei um die Verteidigungsfähigkeit des Landes gegangen, und da habe man Kompromisse schließen müssen, denn die Union hätte ihre Versprechen nur mit einer absoluten Mehrheit umsetzen können.
AfD-Parteichefin Alice Weidel bezeichnete die Einigung als »größten Wählerbetrug der Nachkriegsgeschichte«, 100 Mrd. Euro aus dem Schuldenpaket würden für klimaideologische Projekte verbrannt: Diese Haltung der Rechtspopulisten ist wenig überraschend, denn sie vertritt schon immer die Position, die Erderhitzung werde nicht vom Menschen verursacht und hält das für eine »unwissenschaftliche Klimahysterie«. Sie lehnt den Ausbau der Windenergie ab sowie Solarmodule auf landwirtschaftlichen Nutzflächen. Jede staatliche Förderung von Ladeinfrastruktur für E-Autos müsse eingestellt werden. Die Rechtspartei fordert stattdessen den Wiedereinstieg in die Atomkraft und will über die Nord-Stream-Pipeline wieder Gas aus Russland beziehen.
Nach Abschluss der Verhandlungen über die Grundgesetzänderungen ist der Haushaltsausschuss des Bundestags auf Sonntag vertagt worden. Am Dienstag soll dann der Bundestag endgültig entscheiden. Auch wenn die Ines Schwerdtner von der Linkspartei darauf hofft, dass zumindest Teile der Grünen ihre Zustimmung noch verweigern, da die Mehrheitsverhältnisse doch recht knapp sind, geht CDU-Chef Merz fest davon aus, dass es eine Zweidrittelmehrheit für die Änderung des Grundgesetzes erreicht und damit grünes Licht für dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur und Klimaschutz, aber eben auch für eine massive Aufrüstung geben wird.